Bundesverfassungsgericht - Solidaritätszuschlag darf vorerst bestehen bleiben

Mi 26.03.25 | 17:23 Uhr
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Holger Wöckel (l-r), Thomas Offenloch, Rhona Fetzer, die Vorsitzende Christine Langenfeld, Astrid Wallrabenstein und Peter Frank vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgericht kommen in den Verhandlungssaal. (Quelle: dpa/Anspach)
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Audio: rbb24 Inforadio | 26.03.2025 | Lagmöller, Alena | Bild: dpa/Anspach

Der Solidaritätszuschlag darf erst einmal weiter erhoben werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden.

Es wies damit eine Beschwerde von mehreren FDP-Politikern zurück [bundesverfassungsgericht.de]. Die bisher noch von dem Abschlag betroffenen Steuerpflichtigen - Unternehmen, Kapitalanleger und Gutverdienende - müssen die Abgabe also weiter zahlen.

Die künftige Bundesregierung dürfte angesichts der ohnehin schwierigen Haushaltslage aufatmen. Denn über die Abgabe fließen bisher Jahr für Jahr zweistellige Milliardenbeträge in den Etat. Hätte Karlsruhe den Soli gekippt, hätte sich ein erhebliches Loch im Haushaltsloch aufgetan.

Soli bleibt - aber darf nicht zeitlich unbegrenzt sein

Einen Freibrief für die Abgabe bedeutet diese Entscheidung aber nicht: Der Senat wies sehr deutlich darauf hin, dass eine Ergänzungsabgabe wie der Soli nicht zeitlich unbegrenzt erhoben dürfe und immer wieder geprüft werden müsse.

Denn die Abgabe werde verfassungswidrig, wenn der "aufgabenbezogene Mehrbedarf" - in diesem Fall die zusätzlichen Kosten für die Deutsche Einheit - offensichtlich wegfällt. Heute sei das noch nicht der Fall, befanden die Richterinnen und Richter. Der Bund müsse das aber im Blick behalten.

Der Soli wird als Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer sowie Kapitalerträge erhoben und beträgt 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Das sei keine unzumutbare Besteuerung, betonte Richterin Christine Langenfeld.

Auch liege dadurch, dass nur noch ein kleiner Teil der Steuerpflichtigen den Soli abgeben müsse, keine Ungleichbehandlung der Steuerzahler vor. Damit hatten unter anderem die klagenden FDP-Politiker argumentiert.

FDP und CDU fordert Steuererleichterungen

Einer von ihnen, der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Christian Dürr, betonte, die Beschwerde sei zwar zurückgewiesen worden. "Aber der Senat hat dem Steuerstaat heute klare Grenzen gesetzt." Der wohl künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) müsse jetzt handeln: "Wer sich 1,5 Billionen Euro Schulden genehmigt, sollte auch in der Lage sein, 13 Milliarden Euro jährliche Entlastung für Betriebe, Leistungsträger und Sparer umzusetzen. Eine politische Entscheidung ist heute umso notwendiger geworden", so Dürr.

Die Union pochte nach dem Urteil auf Steuererleichterungen. "Wir akzeptieren das Urteil. Gleichwohl bräuchten wir jetzt dringend steuerliche Entlastungen für die Unternehmen und für die arbeitende Mitte, damit der Standort Deutschland im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig wird und wir auf einen Wachstumskurs zurückkehren", sagte der CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg der Nachrichtenagentur DPA. Wirtschaftsverbände forderten Union und SPD auf, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen.

Der geschäftsführende Finanzminister Jörg Kukies (SPD) begrüßte die Karlsruher Entscheidung. Damit sei Klarheit geschaffen für die Aufstellung des Bundeshaushalts.

Gutachten rechnet bis 2030 mit Folgekosten der Einheit

Ursprünglich war der Solidaritätszuschlag eingeführt worden, um die Kosten für die deutsche Wiedervereinigung zu finanzieren. Zunächst galt er befristet, seit dem Jahr 1995 wurde er dauerhaft eingeführt. Die Abgabe fließt ausschließlich dem Bund zu. Für 90 Prozent der Steuerpflichtigen wurde sie im Rahmen des "Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995" abgeschafft.

Sechs FDP-Politiker hatten wegen der umstrittenen Abgabe schließlich das oberste deutsche Gericht angerufen. Sie waren der Meinung, der Zuschlag sei Ende 2019 mit Auslaufen des Solidarpakts II, über den Transferleistungen an die ostdeutschen Bundesländer flossen, verfassungswidrig geworden.

Dem widersprach der Senat des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls deutlich. Es komme nicht auf bestimmte zeitliche Fristen an, sondern allein darauf, ob es noch einen Mehrbedarf gebe oder nicht.

Das Bundesverfassungsgericht berief sich in seinem Urteil auch auf ein im Verfahren vorgelegtes Gutachten, nach dem der Bundeshaushalt noch bis 2030 in bestimmten Bereichen durch die Einheit belastet werde. Dass die in der Verhandlung im November angehörten Ökonomen keine einheitliche Bewertung dazu hatten, deutete das Gericht als Zeichen dafür, dass zumindest nicht von einem offensichtlichen Wegfall der Mehrkosten ausgegangen werden könne.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.03.2024, 18.02 Uhr

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23 Kommentare

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  1. 23.

    „Dieser neoliberale Blödsinn“
    Kein Wort von mir ist neoliberal. Sie reihen sich ein in das tägliche Mundtotmachen freiheitlicher Liberaler durch Verächtlichmachung. Leistung, Eigenverantwortung, Freiheit scheinen Reizwörter für „Linkksgün:innen“ zu sein. Jeden Tag zeigt sich da die Methode einer Gesinnungsdiktatur.

  2. 22.

    „Brötchenpreise nach Einkommen“ Ach Wossi!

    Dieser neoliberale Blödsinn ist ihnen schon so oft widerlegt worden aber sie sind bekanntlich völlig merkbefreit.

  3. 21.

    „Brötchenpreise nach Einkommen“ Ach Wossi!

    Dieser neoliberale Blödsinn ist ihnen schon so oft widerlegt worden aber sie sind bekanntlich völlig merkbefreit.

  4. 20.

    „Brötchenpreise nach Einkommen“ Ach Wossi!

    Dieser neoliberale Blödsinn ist ihnen schon so oft widerlegt worden aber sie sind bekanntlich völlig merkbefreit.

  5. 19.

    Die Liberalen folgen nur konsequent der Logik, dass das Prinzip „Brötchenpreise nach Einkommen“ leistungshemmend wirkt und ungerecht ist. Das Gericht war nicht mutig genug, Fehler zu korrigieren. Es wäre eine sehr teure Rückzahlung geworden....
    Der Osten braucht den Soli nicht. Das verstehen manche nicht. Der Osten braucht Chancengleichheit statt Chancenungleichheit: Ähnliche Arbeitszeiten, gleiche Gehaltseinstufungen und damit gleiche Bedingungen Rentenpunkte zu erlangen, Stellenausschreibungen für Spitzenjobs, in denen ostdeutsche Biographien auch einen Chance haben usw. usf. Das wäre sogar überfällig?

  6. 18.

    Die Verteilung von Steuern unterliegt der Abstimmung zwischen Ländern und dem Bund. Es bedarf daher nicht der Trennung zwischen den verschiedenen Arten der Besteuerung, soweit sie nicht ohnehin von unterschiedlichen Stellen erhoben werden (Landes- und Bundessteuern). Es gibt etliche Vereinbarungen, wo eingenommene Steuern zwischen Bund und den Ländern aufgeteilt werden. Das ist also kein schlagendes Argument für den Soli.

  7. 17.

    Der einzige Unterschied des Soli zur Est liegt in der Verteilung. Der Soli fließt zu 100% dem Bund zu. Die Einkommensteuer dem Bund, dem Land und der Gemeinde.

    Den Soli abschaffen könnte auch zur Folge haben, daß die Kapitel ertrags steuer auf 35% steigt, statt derzeit 25%,
    das der Verlauf des Tarif hier die Werte x, y und z neu definiert und die quadratische Funktion flacher und die lineare Teil auch einer quadratisch Verlauf erfährt.
    Die Steigerung der Tarif - Funktion mißt mit drei Maßstäben.
    Dass ist jetzt die Aufgabe von Linke, Grüne, SPD und CDU, das Thema Steuern anzugehen.
    Von der CSU erwartet ich nicht viel, außer Bayern First! Ob das dann wirklich, effektiv, Bayern nützt oder nur den Umfrage, sei dahingestellt.
    Also, m.E. über den Soli die Gerechtigkeit der Steuerlast zu definieren, kann ein schöner Versuch sein. Eben ein Versuch.

  8. 16.

    Ihre Ausführungen muß ich widersprechen.

    Im Internet finde ich andere Zahlen:

    Freibetrag Soli: 19950 €

    Also erst wer mehr als die oben genannte Einkommenssteuer muß Soli bezahlen.
    Wer über diesen Freigrenzen liegt, muss weiterhin einen Solidaritätszuschlag zahlen. Damit der Übergang nicht abrupt verläuft, wird eine sogenannte Milderungszone eingeführt. In diesem Bereich wird der Solidaritätszuschlag von 0% auf 5,5% angehoben.

    Beispiel: 80.000 Bruttoeinkommen sind es 358€
    Alle Angaben bei Einzelperson.

  9. 15.

    Funfact am Rande:

    Einer der klagenden FDP Politiker hat vorher für eine Wirtschaftskanzlei gearbeitet die tief im Sumpf des Cum-Ex Skandals verwickelt war und Unternehmen dabei beraten hat die EEG-Umlage zu umgehen.

  10. 14.

    "Wo soll denn hier das Gleichbehandlungsgebot verletzt sein???" Tun Sie eigentlich absichtlich so naiv? Wenn ein willkürlicher Teil der Steuerzahler eine Steuer zahlt, die andere Steuerzahler nicht entrichten müssen, dann ist das doch wohl eine glasklare Ungleichbehandlung.
    Hohe und niedrige Einkommen sind entgegen Ihrer Behauptung sehr wohl erst einmal gleich - es ist dieselbe Art von Einkünften. Die gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung erfolgt durch den gestaffelten Einkommenssteuersatz, der geringen Einkommen garantiert, nicht übermäßig besteuert zu werden und damit unter das Existenzminimum zu rutschen.
    Ihr Vergleich Arbeitseinkommen vs. Kapitaleinkünfte geht genau so fehl, denn danach unterscheidet der Soli gar nicht.

  11. 13.

    Natürlich gibt es ein Gefälle zwischen West und Ost. Das gibt es aber genau so zwischen Süd und Nord. Auch in Westdeutschland gibt es Gebiete, die ähnlich wie der Osten dastehen. Statistiken sind hier außerdem bewusst verzerrend eingesetzt, da es im Osten, genau so wie in Teilen Westdeutschlands auch, massiv an Großindustrie mangelt, die statistisch die Produktivitätskennzahlen nach oben treibt. Das alles rechtfertigt aber längst keine Sondersteuer mehr, es ist inzwischen der neue Normalzustand, mit dem man sich politisch abfinden und aus normalen Steuermitteln ausgleichen muss. Wenn dafür dann Steuererhöhungen bei Spitzenverdienern notwendig sind, dann ist das so, aber dann muss sich die Politik auch ehrlich machen. Der Soli, wie er jetzt ist, belastet unsere Wirtschaft massiv. Die Spitzenverdiener können das locker zahlen. Das Problem ist aber, dass die nicht alleine davon betroffen sind.

  12. 12.

    Verwundert:
    "Meiner Auffassung nach verstößt die willkürliche Fortführung des Solis für nur einen Teil der Steuerzahler gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der immerhin Verfassungsrang hat."

    Wo soll denn hier das Gleichbehandlungsgebot verletzt sein???

    Hinweis: Hohe und niedrige Einkommen sind nicht gleich und müssen daher auch nicht gleich behandelt werden! Arbeitseinkommen und Einkommen ohne Arbeit (Kapitalerträge) sind auch nicht das gleiche - bei ersterem arbeitet man, bei zweiterem tut man nix - und müssen daher auch nicht gleichbehandelt werden!

  13. 11.

    Sehe ich ähnlich. Hier hat das BVerfG leider mal wieder zu wenig Mut gezeigt. Meiner Auffassung nach verstößt die willkürliche Fortführung des Solis für nur einen Teil der Steuerzahler gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der immerhin Verfassungsrang hat. Dabei wäre es dem Staat ein leichtes gewesen, dies dauerhaft rechtssicher zu gestalten, indem er den Soli ganz abgeschafft und im Gegenzug den Spitzensteuersatz moderat angehoben hätte. Schade, dass das Verfassungsgericht neben einigen richtigen starken Urteilen immer mal wieder ohne Not Verfassungspositionen aufweicht.

  14. 10.

    Wer nicht nur von geschaffenen Neubau-Projekten ausgeht, die in großer Zahl in den ostdeutschen Bundesländern geschaffen wurden, sondern die Lage insgesamt betrachtet, kommt an dem Gefälle zwischen dem vorherigen Bundesdeutschland und den ostdeutschen Bundesländern - dem eh. DDR-Gebiet - nicht vorbei. Dass die DDR als politisches System zusammenbrach, war überfällig, der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft hingegen nicht. Hier helfen Hinweise in Richtung Ruhrgebiet, wo der Wandel hin zur Dienstleistung gut drei, vier Jahrzehnte lang finanziell und organisatorisch begleitet wurde.

    Der Unterschied ist in weiten Teilen immer noch augenfällig, muss aber eben, wie es das BVerfG-Urteil sagt, überprüft werden. Und es ist nur recht und billig, dass die Zahlungskräftigsten, die damit auch mehr finanziellen Spielraum haben, finanziell zu diesem Vorhaben herangezogen werden.

  15. 8.

    Und alle Kapitalgesellschaften …. Angefangen bei der kleinsten GmbH und ab 1€ Gewinn.

  16. 7.

    Erstaunlich Erstaunlich,
    Dr Klagen erneut ein paar Leute vr der dem Verfassungsgericht, das ist ihr gutes Recht und Teil der Grundsätze dieses Staates.
    Vergessen bei der Klage die gesetzliche Rahmen Grundsätzlich. Statt dessen an die Steuern belastet besser an die öffentliche Last zu denken.
    Das Urteil sagt ganz klar, an alle Parteien, die Steuern neu zu sortieren und dass in dieser 21 Legislaturperiode. Dass in drei Jahren wieder jemand nach Karlsruhe rennt ist eine Frage ob oder wann.
    Ich finde wir können auch ein Soli einführen, mit dem Namen Bildung, dem Namen Infrastruktur, mit dem Namen... sondervermögen...

  17. 6.

    Nun einen recht unverständlichen Fall gibt es schon: die Ersparnisse bzw. die Altersvorsorge! Wenn du dein „Rest“geld anlegst, egal ob nun als Sparer, als Tages- oder Festgeld oder wie jetzt so beworben in ETFs (oder halt klassisch in Fonts oder Aktien), du bekommst Zinsen. OK, du hast einen Freibetrag von 1000 EUR jährlich, danach bezahlst du Kapitalertragssteuer. Das geht ziemlich schnell und mag ja in Ordnung sein, aber auf diese kommt prinzipiell (!) der Soli! Du wirst also also als Kleinsparer behandelt wie ein Multimillionär!

  18. 5.

    "Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass es auch jetzt noch - Jahrzehnte nach der Einheit - strukturelle Unterschiede zwischen Ost und West gebe." (Tagesschau). Was für eine unsinnige Entscheidung! Strukturelle Unterschiede gibt es auch zwischen dem Saarland und Bayern! Die Produktivität in Ostdeutschland liegt bei 76% im Vergleich zum Westen. Das hat mit Strukturen, der Verfassung oder woher Führungskräfte kommen, nichts zu tun. Der Marshallplan ging über vier Jahre und Deutschland bekam 10% der Summe - der Aufbau Ost wird nun seit über 35 Jahren finanziert! Wie lange soll das noch so gehen? Das ist keine Hilfe zur Selbsthilfe, sondern fördert die Haltung "wird doch eh vom Westen bezahlt". Die ärmsten Städte in Deutschland liegen im Ruhrgebiet - was ist hiermit, warum werden die nicht gefördert?!