Interview | Union-Trainerin Ailien Poese - "Man will im Fußball immer nach oben"
Trainerin Ailien Poese hat mit den Frauen des 1. FC Union beste Chancen, historisch in die Fußball-Bundesliga aufzusteigen. Die 40-Jährige widmet ihr Leben nicht nur seit Jahren fast ausschließlich dem runden Leder, sie ist auch Vorbild für viele Mädchen.
rbb|24: Ailien Poese, erinnern Sie sich eigentlich noch, wann der Fußball in Ihr Leben getreten ist?
Ailien Poese: Boah, eine aktive Erinnerung habe ich nicht. Aber ich weiß, dass mein Vater und mein Opa Fußballer waren. Wir waren immer auf dem Fußballplatz. Mein Vater wollte mit meinem Bruder gerne Fußball spielen, der aber nicht so. Ich anscheinend schon und bin dem Ball hinterhergerannt. Mein Vater hat sich gedacht: Gut, dann spiele ich mit meiner Tochter. Das kenne ich aber nur aus Erzählungen.
Ich erinnere mich daran, dass ich in der ersten Klasse auf dem Schulhof immer bei den Jungs war und immer Fußball gespielt habe. Dann kam eins zum anderen, ich bin dann auch in eine Jungsmannschaft gegangen.
Wie sind Sie zum 1. FC Union gekommen?
Ich habe am Stadtrand hier in Köpenick bei der SG Schulzendorf bei den Jungs gespielt. Und dann erzählte mir meine Mutter von einer Sichtung für eine Sportschule. Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt. Als Kind habe meine Tasche nach der Schule in die Ecke geschmissen und bin auf den Fußballplatz gelaufen. Mehr hat mich nicht interessiert.
Wir sind zur Flatow-Schule gefahren und ich habe sofort gesagt: Boah, das will ich. Zwei Mal in der Woche noch Fußballtraining am Vormittag, total super. Ein paar Mädels auf der Flatow-Schule haben damals schon in der U15 beim 1. FC Union gekickt. Ich habe aber an den Tagen, wo ich bei Union kein Training hatte, trotzdem mit meinen Jungs in Schulzendorf trainiert.
Von 1998 bis 2010 waren Sie Spielerin beim 1. FC Union. Und das hat sich, glaube ich, mit Ihrer Trainertätigkeit überschnitten. Nehmen Sie uns mal mit. Wie kam es dazu?
2005 hatte ich mich verletzt und mein damaliger Trainer Marcel Holz sprach mich an, ob ich mir nicht vorstellen kann, so ein bisschen Trainer zu machen. Da ich vormittags Lehramt studiert habe und mir am Abend ohne Training immer langweilig war, dachte ich mir, dass ich das mal machen kann. Dann habe ich sehr schnell die damalige C-Leistungssportlizenz gemacht.
Mein ehemaliger Auswahltrainer Ingo Weniger, der mich schon in der 9. Klasse trainiert hat, hat mir von Perspektiven im Frauenfußball erzählt. Da täte sich was und man im Verband überlege, ob man die weibliche Talentförderung anders gestalten soll. Vorher hatte ich überhaupt nicht den Gedanken, dass ich Trainer werden will. Für mich war klar: Ich werde Lehrerin. Aber ich hatte auch keine Vorstellung, dass man im Fußball hauptamtlich arbeiten kann. Das gab es für mich zu der Zeit als Frau nicht.
Aber ich bin sehr froh, dass Union mir dieses Feld eröffnet hat. In der ersten Lizenz haben sie mich auch finanziell unterstützt. Das hätte ich mir damals sonst nicht leisten können. Dafür bin ich Union sehr, sehr dankbar. Und Ingo Weniger hat mich dann bis zum Fußballlehrer sehr gefördert.
1985 hat Tina Theune, die einstige Bundestrainerin der Deutschen Frauen-Nationalelf, etwas aus Frauensicht Historisches gemacht: ihre Fußballlehrer-Ausbildung. 2017 haben Sie dann auch die Schulbank gedrückt und sie haben als einzige Frau unter 25 Kandidaten Ihre Fußballlehrer-Lizenz erhalten. Wie war das für Sie allein unter Männern?
Ich habe meine ganze Jugend immer nur mit Jungs Fußball gespielt und da im Vorfeld gar nicht so drüber nachgedacht. Ich war froh, dass ich es geschafft habe, mich für die Fußballlehrer-Ausbildung zu qualifizieren. Wenn man selbst keine Erstliga-Karriere als Fußballerin hat, war das natürlich nochmal eine Herausforderung.
Da muss man vielleicht kurz ergänzen: Es sind nur 25 Kandidatinnen und Kandidaten von 70 bis 80, die sich bewerben.
Genau. Dementsprechend war ich schon sehr stolz, mich da durchgesetzt zu haben. Ich habe mich einfach gefreut und nie ein Thema daraus gemacht. Nach dem Fußballlehrer habe ich eher gemerkt, dass ein Thema daraus gemacht wurde, weil die mediale Öffentlichkeit für Trainerinnen gestiegen ist.
Sie haben erst beim Berliner Fußball-Verband die Talentförderung für Mädchen sehr vorangetrieben und sind 2021 fest zum Deutschen Fußball-Bund nach Frankfurt gewechselt. Dann kam der 1. FC Union mit dem Wunsch um die Ecke, das Frauenteam unter Profibedingungen spielen zu lassen und Sie dafür als Cheftrainerin zu gewinnen. Wie hat der Verein Sie überzeugt?
Das war ein längerer Prozess. Ich bin dankbar für das, was Union mir ermöglicht hat. Mich dann wieder anzufragen, war schon ein ganz besonderer Reiz. Und jetzt ist es natürlich so, dass ich jeden Tag in Berlin bin. Der Workload ist enorm. Das ist auch klar. Aber ich fahre zehn Minuten mit dem Fahrrad nach Hause und bin in 30 Minuten bei meinen Eltern oder bei meinem Bruder. Am Ende war es eine Entscheidung für die Heimat.
Wie kann man sich Ihren Alltag vorstellen?
Sehr fußballlastig. Natürlich ist es so, dass wir jetzt unter Profibedingungen trainieren. Ich bin meistens um acht im Büro und um 16, 17 Uhr fahre ich nach Hause. Das hat natürlich den Vorteil, dass man abends auch Freunde treffen kann. Trotzdem erwische ich mich auch sehr viel, wenn ich dann zu Hause bin, dass ich Videos sehe und dann gucke ich das noch und dann mache ich das noch.
Aber ich glaube, wenn man seine Leidenschaft zum Beruf macht, dann will man auch einen gewissen Perfektionismus an den Tag legen. Manchmal muss ich mich dann richtig zwingen oder ich werde gezwungen, was anderes zu machen. Das ist gut und wichtig. Es ist eine Sechs-Tage-Woche von acht bis 17 Uhr. Und bei Auswärtsspielen gibt es noch eine Reise.
In der Saison 2023/2024 hat der 1. FC Union die Regionalliga Nordost dominiert und sie sind am Ende in die 2. Liga aufgestiegen. Und da mischt das Team jetzt auch direkt oben mit und hat beste Chancen auf den Bundesliga-Aufstieg. Mal Hand aufs Herz: Wird Ihnen da nicht manchmal schwindelig, wie schnell das mit dem Erfolg geht?
Der Verein hat mit dem Schaffen der Bedingungen ein Tempo von sportlichem Erfolg ermöglicht. Wenn du diese Bedingungen nicht hast, wäre es einen Tick schwerer gewesen. Das heißt aber nicht, dass es ein Spaziergang war.
Grundsätzlich ist es ein Riesenpfund. Natürlich wollen wir auch noch einen Schritt weiter nach oben gehen. Man will im Fußball immer nach oben. Aber es ist auch klar, dass die Rückrunde noch lang ist. Da muss man sich immer wieder fokussieren und darf nicht nachlassen.

Die Frauen des 1. FC Union tragen ihre Spiele genau wie die Männer im Stadion An der Alten Försterei aus. Die Zuschauer kommen. Wie glücklich macht es Sie zu sehen, dass Sie vielleicht mittlerweile auch eine andere Vorbildrolle haben? Dass da kleine Mädchen sind, die sagen: Wow, so möchte ich auch mal sein.
Ich finde es total klasse. Und auch da sind wir wieder an dem Punkt, dass der Verein diese Bedingungen geschaffen hat. Dass er entschieden hat, dass beide Profimannschaften in der Alten Försterei spielen. Es ist total schön zu sehen, wie glücklich Menschen durch diesen Sport sein könnten.
Ich hatte immer mal Phasen, in denen ich mich gefragt habe: Du arbeitest im Fußball. Ist das überhaupt relevant für die Gesellschaft? Was machst du denn? Du leitest an, wie elf Leute einem Ball hinterherrennen. Was soll das? Aber wenn ich dann vor allem in der Alten Försterei die Gesichter und das Glück sehe, dieses Spiel verfolgen zu können, dann sage ich mir doch: Es macht die Leute einfach glücklich.
Natürlich spielen wir gerade erfolgreich. Aber ich bin mir auch sicher, dass die Fans – und so kenne ich die Unioner – auch in schweren Zeiten kommen. Das ist beeindruckend.
Wenn es am Ende mit dem Aufstieg in die Bundesliga klappt, wie feiern Sie dann?
Mit der Mannschaft und allen, die daran beteiligt sind. Ein Aufstieg gelingt nicht durch einen Trainer oder eine Person, sondern durch alle Menschen, die damit zu tun haben. Das gilt auch für alle Fans. Und ich hoffe, dass wir diesen Aufstieg alle gemeinsam gut feiern können. Vielleicht gibt es dann auch mal das eine oder andere Getränk mehr.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Stephanie Baczyk, rbb Sport.
Es handelt sich um eine gekürzte Fassung. Das ganze Gespräch können Sie oben hören.
Sendung: rbb24 Inforadio, Vis à Vis, 21.03.2025
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