Bundestagswahl - Migration dominiert Wahlkampf - andere Themen kommen zu kurz

Fr 21.02.25 | 08:43 Uhr | Von Christoph Hölscher
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Besucher genießen bei sonnigem Wetter den Blick auf die Cottbuser Ostsee und das LEAG-Kraftwerk Jänschwalde vom Aussichtsturm Merzdorf. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
Audio: Antenne Brandenburg | 20.02.2025 | Nico Hecht | Bild: dpa/Monika Skolimowska

Nach den Anschlägen von Magdeburg und Aschaffenburg dominierte das Thema Migration den Bundestagswahlkampf. Andere wichtige Themen wie Klimawandel und soziale Gerechtigkeit blieben dagegen weitgehend unbeachtet. Wie kam es dazu? Von Christoph Hölscher

Von der letzten Bundestagswahl 2021 wurde von manchen auch als "Klimawahl" gesprochen: Die Protestbewegung "Fridays for Future" war auf ihrem Höhepunkt, internationale Klimakonferenzen prägten die Berichterstattung, in Umfragen nannten die Wahlberechtigten den Klimawandel neben sozialer Gerechtigkeit als wichtigstes Thema für ihre Wahlentscheidung. Das hat sich offenbar geändert: In den politischen Debatten, "Wahlarenen" und diversen TV-Duellen und -quadrellen dieser Tage kommt das Thema Klimawandel kaum noch vor.

Für den Klimaforscher Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist das nach eigener Aussage "schwer nachvollziehbar". Zwei sei eine Akzentverschiebung angesichts der aktuellen Herausforderungen – Ukraine-Krieg, Wirtschafts- und Energiekrise, Migration – "auch irgendwie verständlich", so Lotze-Campen. Allerdings würden die Auswirkungen und Probleme des Klimawandels ja nicht einfach verschwinden. Er gehe davon aus, dass das Thema sowieso wieder hochkomme, wenn die Folgen der konkreten Klimaerwärmung wie Überschwemmungen oder Dürren uns in Zukunft immer häufiger beträfen.

Politologe sieht Verantwortung der Parteien

Auch der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel kritisiert, dass das wichtige Thema Klima im Wahlkampf völlig aus dem Blick geraten sei. Aber auch Themen wie soziale Gerechtigkeit, Bildung oder staatliche Investitionen in die Infrastruktur hätten im Wahlkampf nicht die angemessene Aufmerksamkeit erfahren, so Schroeder.

Spätestens mit den Attentaten von Magdeburg und Aschaffenburg habe man den Eindruck gewonnen, es gebe "nur noch ein Thema": Migrationspolitik. Diese inhaltliche Zuspitzung und Verengung hätten aber die Parteien selbst zu verantworten, stellt Schroeder fest, der einige Jahre Staatssekretär im brandenburgischen Sozialministerium war und bis 2024 der Grundwertekommission der SPD angehört hat. Grundsätzlich seien die Parteien frei darin, welche Themen sie aufnehmen. Die Verschiebung hin zum Migrationsthema sei nach Schroeders Überzeugung vor allem von der CDU "mit Kalkül" vollzogen worden, weil man in den anderen Themenbereichen keine überzeugenden Angebote habe machen können. Stattdessen habe man sich auf einen "Angstwahlkampf" konzentriert.

Wohlfahrtsverbände vermissen soziale Themen

Das Thema Migration habe "alles überwölbt", auch aufgrund der schrecklichen Anschläge, das hat auch Andreas Kazcynski beobachtet, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Brandenburg. Die Zuwanderung sieht er zwar als "riesige Herausforderung, die wir gestalten müssen."

Allerdings fasse er sich angesichts des Wahlkampfes quasi "täglich an den Kopf" und frage sich: "Sind das wirklich die entscheidenden Themen, mit denen wir uns in Deutschland beschäftigen müssen?" Ihm fehle die Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Herausforderungen wie Armut, Pflege, bezahlbarem Wohnraum, dem demographischen Wandel oder der Digitalisierung – für Kazcynski eine Fülle "enorm wichtiger Themen, die auch das Leben jedes Menschen jeden Tag beeinflussen, die aber in diesem Wahlkampf nicht vorkamen."

Das sei auch Folge gesellschaftlicher Polarisierung - gerade in sozialen Medien gebe es eine Konzentration auf "ein, zwei Aufregerthemen". Aber auch Kazcynski nimmt die Parteien in die Pflicht: Diese hätte sich durchaus auch mit anderen Themen profilieren können. Schaue man sich deren Plakate an, finde man aber nur wenige Botschaften.

Unternehmer sieht die richtigen Schwerpunkte

Tobias Exner, Bäcker aus Beelitz und Chef eines Unternehmens mit inzwischen 40 Bäckerei-Fachgeschäften in der Region, sieht das anders. Er fand den Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 "sehr intensiv" - dieser sei zum Teil mit "harten Bandagen", aber mit den richtigen inhaltlichen Schwerpunkten geführt worden: Migration, Integration und Wirtschaftspolitik waren für ihn zurecht die "Topthemen".

Exner beschäftigt in seinem Unternehmen nach eigenen Angaben Mitarbeitende aus 35 Ländern. Er bekennt: "Ja, wir brauchen Menschen aus anderen Ländern, die uns unterstützen – Stichwort Fachkräftebedarf." Allerdings gebe es große Probleme bei der Integration. Es müsse geklärt werden, welche Menschen nach Deutschland kommen und ob sie "zum Gemeinwohl" beitragen. Zusätzlich sieht er Handlungsbedarf bei den Themen Unterbringung, Sprache oder psychosoziale Betreuung. Als Unternehmer wünscht er sich außerdem weniger Bürokratie und finanzielle Belastungen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seien die Grundlage für vieles andere. In der aktuellen Krise sind Themen wie Umwelt- oder Bildungspolitik für ihn nur "Randerscheinungen": "Wenn wir keine Unternehmer mehr haben, die in ihr Land investieren, dann werden wir uns all die Dinge drumherum nicht mehr leisten können."

Politikwissenschaftler: Investitionen in Infrastruktur nörtig

Die zentrale Bedeutung der Wirtschaftspolitik betont auch Politikwissenschaftler Schroeder, wenngleich mit etwas anderen Schwerpunkten als Unternehmer Exner. Vor allem staatliche Investitionen in die Infrastruktur - etwa in den Bereichen Verkehr, Bildung, Digitalisierung oder Klimaanpassung - seien zwingend erforderlich, um der schwächelnden Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, so Schroeder. Er ist überzeugt: Neben der Regulierung der Migration werde das nach der Wahl für die neue Bundesregierung die wichtigste Herausforderung sein, auch wenn das Thema im Wahlkampf vielleicht nicht die nötige Aufmerksamkeit erfahren hat.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.02.2025, 19:30 Uhr

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81 Kommentare

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  1. 81.

    Nun, mittlerweile gehen mir die in "Dauerschleife" medial ablaufenden Diskussionen über Migration gehörig "auf den Senkel".
    Klar, gibt es hier Probleme und die sollten auch klar benannt und (zeitnahe ) Lösungen erarbeitet werden.
    Ich erlebe aber auch leider in Diskussionen einen Trend, alle vermeintlichen derzeitigen Schwierigkeiten (wie z.B. Krankenversorgung, Wohnungsmangel, Schulprobleme) damit in Zusammenhang zu bringen.
    Man sollte sich mal vorstellen, ab morgen wären keine Flüchtlinge mehr in Deutschland. Was wäre dann konkret besser und wer würde dann zum "Sündenbock" gemacht ?
    Ich nehme in solchen Diskussionen vorwiegend eine latente fremdenfeindliche Haltung, wesentlich mit gespeist durch Missgunst und Neid wahr.

  2. 80.

    Erlebt haben die DDR Bürger einen Zerfall ihrer Gesellschaft und waren gezwungen sich den neuen Verhältnissen anzupassen und die neue Werte zu akzeptieren.
    Dank Trump und Putin stehen diese Herausforderungen nun auch vor den Bundesbürgern in den "alten" Bundesländern. Den bisherigen Westen gibt es seit Trump nicht mehr. Die "traditionellen" Werte wie Freiheit und Demokratie werden zunehmend durch das Recht des Stärkeren ersetzt. Populistische und rechte Regierungen gewinnen auch in Europa steigenden Einfluss.
    Es wird sich zeigen, ob auch die gesamt bundesdeutsche Gesellschaft diesen Herausforderungen gewachsen ist. Wie gesagt die "Ossis" haben den Wandel ihrer Gesellschaftsordnung schon einmal mitgemacht.

  3. 79.

    ... dem Klima ist es jedenfalls gleichgültig, was mit Ihnen passiert. Dass Sie sich nur als rein physikalisches Wesen begreifen, nicht aber zusätzlich noch als psychologisches, das wegen der menschengemachten Einträge wirksam handeln kann, gibt zu denken.

  4. 78.

    ... und ehrlich gesagt, der Klimawandel interessiert mich nicht.

  5. 76.

    Jede Stimme für die AfD ist ein Schlag ins Gesicht der Bevölkerung in Deutschland.

  6. 75.

    Migration hat diese große Rolle gespielt, weil man hier komplexe Probleme ganz einfach zuordnen kann. Und das von 16 Millionen Menschen, die selber Wirtschaftsflüchtlinge sind!

  7. 74.

    Wir liegen da keineswegs auseinander, weil es auch mir nicht nur um die bloße Anzahl der Gesetze geht, sondern auch um den bis zum allerletzten Punkt & Komma angeordneten und ausgeführten Regelvollzug. Für Staatsbedienstete jeglichen politischen Systems in Deutschland zu jedweder Zeit ist ein eingeräumtes Ermessen fast schon der blanke Horror, weil sie den gemachten Vorwurf der Willkür fürchten.

    Das betrifft einzelne Menschen und Firmen auch. Die Nachvollziehbarkeit von Handelsketten und der versuchte Ausschluss ethisch fragwürdiger, BEWUSST in Kauf genommener Praktiken dabei ist sinnvoll; allerdings ist es sehr die Frage, mit welchem Instrumentarium dem beigekommen werden kann - und mit welchem eben nicht. Vielfach vermischen sich da Wunschvorstellungen und Realität, weil "kein Arm" so lang sein könnte, da etwas auszurichten.

  8. 73.

    Ich bin Migrant, ich komme von woanders, bin erst eingebürgert worden und nun? Ich bin gut integriert und arbeite und lebe hier, ich habe es mit Rassismus zu tun in Brandenburg, aber der kommt von Deutschen, in Magdeburg traut man sich als Migrant nicht auf die Straße, die nettesten Menschen sind jene Deutsche, die mich in Schutz nehmen vor Deutschen Rassisten. Und nun?

    Rassisten gibt es überall, selbst Zugpersonal oder alte Leute, die einen beleidigen.

  9. 72.

    Sie haben leider recht. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind latent überall vorhanden und kommen bei der kleinsten Gelegenheit schnell mal zum Vorschein. Menschen werden pauschal nach Äußerlichkeiten beurteilt und nicht nach Auftreten und Charakter. Jedesmal, wenn es irgendeinen Vorfall gab, wird die Hälfte meiner Familie ebenfalls pauschal angefeindet wird. Und da spielt es keine Rolle, ob man einen deutschen Pass hat und hier geboren wurde. Apophis (57) hat völlig recht: Die meisten Vorurteile gibt es dort, wo man kaum mal Kontakt zu Menschen mit ausländischen Wurzeln hatte. Und diese Leute wollen meist gar keine Veränderung, alles soll bleiben wie gewohnt. Jede kleine Veränderung macht ihnen Angst und wird zu einem Problem, mit dem sie sich dann aber nicht wirklich auseinandersetzen.

  10. 71.

    Sie irren! Die Linke hat nichts mehr mit Sozialismus oder DDR zu tun - die ist Gottseidank und Volkes Dank Geschichte, aber Sie hängen offenbar noch dem DDR-Bild hinterher. Wählen Sie eigentlich Afd? Frag nur.

  11. 70.

    Immer lustig das die Leute glauben die Linken haben eine Gelddruckmaschine im Keller und alles wird besser. Schaut man sich sozialistische Länder an (Nordkorea, Kuba) sieht man die Realität. In Europa hat man sich selbst überholt 1989. Die nächste Generation hat es nicht erlebt, will es aber wieder erleben. Was lernen die in der Schule über SED/DDR?

  12. 69.

    Eigentlich machen Sie nichts anderes und sind nicht viel besser, als die AfD ler gegen die Sie zu Felde ziehen.
    Sie scheren auch Deutsche über einen Kamm.
    Nicht jeder Deutsche ist eine od ein Rassist, genau so wie nicht jede od jeder Migrant kriminell ist.
    Um welchen Personenkreis es bei der Rückführung geht wurde nun schon genug durchgekaut und wer gemeint ist wissen Sie auch also bitte hören sie auf die Menschen gegeneinander aufzuhetzen.

  13. 68.

    Habe ich gelesen, die Wirtschaft wird nur erwähnt, im Sinne der höherer Besteureng und Umverteilung.
    Die auktuellen Wirtschaftsprobleme, sind für diese Partei nicht existent!

  14. 67.

    Meinungen entstehen durch das Wissen. Lesen Sie mal (auch deutschsprachige) Medien außerhalb Deutschlands. Und fragen sich dann, warum bestimmte absurd klingende Äußerungen unerklärt bleiben oder verkürzt wiedergegeben werden, so weggelassen das es noch absurder erscheint... Medien sollen informieren statt Politik machen. Wir sind die zahlenden Kunden.

    Beispiel: Schlussrunde im TV: Herr Preiß behauptete, dass nur Herr von Aken Lösungen genannt hat. Moderatoren bewerten jetzt und lenken damit? Wo wollen Moderatoren da die Kompetenz für her haben? ALLE anderen haben sofort laut widersprochen. Manche wurden dazu gar nicht befragt...
    Ich hätte Frau Baerbock gefragt: „Wenn eine Wehrpflicht dann auch für Frauen?“ Nur um die Gesinnung zu erkennen.
    Oder: Die rote Armee will bis zur Oder und deshalb muss aufgerüstet werden?

  15. 66.

    Trotzdem Falsch! Sie können doch nicht sagen, was nicht wahr ist!? lesen Sie zuerstmal das Parteiprogramm!

  16. 65.

    Es ist ja nicht die Anzahl der Gesetze an sich oder dass immer genauer geregelt werden "muss", weil jeder Politiker darin seine persönliche Lebensaufgabe sieht. Nein, es sind die daraus entstehenden Folgen durch diverse Auflagen und Einschränkungen, die sich immer weiter aufsummieren, weil keine davon jemals wieder zurückgenommen wird. Gern lässt man dies heute auch auf deutscher Initiative hin in Brüssel beschließen, um sich dann herausreden zu können, dass man ja nur EU-Recht umsetzen müsse. All das belastet die Firmen, deren bürokratischer Aufwand teilweise ins Unermessliche steigt und Kosten verursacht, für eine kaum messbare oder nicht selten sogar negative Auswirkung. Das Handelskettengesetz ist das beste Beispiel dafür. Da sitzen Mitarbeiter inzwischen ausschließlich daran, statt produktiv zu arbeiten, um Nachweise zu führen, die durch die Lieferanten an jeder Stelle in der Kette spielend leicht gefälscht werden können.

  17. 64.

    Die Erhöhung des Mindestlons, hat mit Wirtschaft nichts zu tun, und das Betriebsverfassungsesetz, das gilt bereits seit vielen Jahrzehnten,.
    Die Linke tut so, als wenn sie es als Erfinder einführen würde!
    Mit diesen Schwindel geht sie auf den Stimmenfang, und siehe da, zahlreiche uninformierten Wähler fallen darauf ein

  18. 63.

    Woher kennen Sie denn diese "Absichten", wenn diese nicht öffentlich kolportiert werden?

  19. 62.

    Es trifft vollkommen zu, dass im Zuge einer aufgestachelten Diskussion Menschen Oberwasser spüren, die von einer einzigen furchtbare Handlung auf eine Gesamtgruppe schließen, diese unter Generalverdacht stellen und unter Rechtfertigungsdruck setzen. Es ist frappierend, dass die Ablehnung von Migranten dort am Höchsten ist und die Übergriffe auf sie am Zahlreichsten, wo am Wenigsten von ihnen anzutreffen sind. Von daher gibt es in den Berlin-abgelegenen Gegenden nicht zu viel Migranten, sondern zu wenig.

    Wenn in einem Dorf 30 schlagkräftige Jugendliche 10 Migranten gegenüberstehen, findet schon mal eine Jagd auf die statt. Wenn in einem Dorf 10 schlagkräftige Jugendliche 30 Migranten gegenüberstehen, sieht die Sache schon mal anders aus.

    Nun muss es ja soweit nicht kommen. Kurzschlüsse aller Art sind das wesentliche Problem und für allerlei Unbill anders Aussehende verantwortlich zu machen, weil Urheber nicht greifbar und die eigene Person da sowieso als außen vor gilt.