Reaktionen zum Ampel-Aus - "Jetzt ist staatspolitische Verantwortung gefragt"

Do 07.11.24 | 13:22 Uhr
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Archivbild:08.07.2024, Brandenburg, Potsdam: Dietmar Woidke (SPD).(Quelle:dpa/M.Skolimowska)
Video: rbb24 Abendschau | 07.11.2024 | L. Schwarzer/V. Materla | Bild: dpa/M.Skolimowska

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Finanzminister Lindner entlassen, im Januar will er die Vertrauensfrage stellen. Politiker aus der Region bewerten die Entscheidung teils unterschiedlich. Doch in einem sind sie sich einig: es braucht nun Neuwahlen.

Die Landespolitik hat mit Kritik, Forderungen und Kampfbereitschaft auf das Aus der Bundesregierung reagiert. "Die Ampel hinterlässt einen Scherbenhaufen und ungelöste Aufgaben", erklärte der Regierende Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auf X (früher Twitter) am Mittwochabend.

Schon bevor Kanzler Olaf Scholz ankündigte, Mitte Januar die Vertrauensfrage zu stellen, hatte Wegner gefordert, Deutschland brauche jetzt Neuwahlen. Die Bürgerinnen und Bürger hätten Anspruch auf eine stabile Regierung, die die Herausforderungen in der Wirtschafts-, Migrations- und Gesundheitspolitik löse, so Wegner.

Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke rief am Donnerstag zu einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit auf dem Weg zu einer Neuwahl auf. "Jetzt ist staatspolitische Verantwortung gefragt", teilte Woidke mit. "Die konstruktiven Kräfte im Bundestag müssen gemeinsam notwendige Entscheidungen treffen und anschließend Neuwahlen herbeiführen." Der SPD-Landeschef rief dazu auf, gemeinsam wichtige Weichen zu stellen, und betonte: "Es geht um unser Land. Es braucht Klarheit und Stabilität."

Die Berliner SPD-Vorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel sagten dem rbb, Scholz habe "aus Verantwortung eine Richtungsentscheidung für das Land getroffen". Die FDP habe bestehende Absprachen "stetig aufgekündigt und sich somit der staatspolitischen Verantwortung entzogen". Deshalb sei es gut, dass der Kanzler Klarheit geschaffen habe und ein "geordneter Übergang zu vorgezogenen Neuwahlen geebnet" werde.

Grüne kritisieren FDP

Scharfe Kritik an der FDP kommt auch von den Grünen. Die Berliner Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai nannten es gegenüber dem rbb "dramatisch", dass FDP-Chef Christian Lindner "nicht bereit war, seiner Verantwortung in dieser schwierigen Zeit gerecht zu werden". Sie betonen, die Grünen im Bund seien mit Blick auf die Haushaltssituation "zu großen Kompromissen bis über unsere Schmerzgrenze hinaus bereit" gewesen, Lindner und der FDP seien aber "parteitaktische Überlegungen wichtiger als Sicherheit und Wohlstand des Landes".

Berlins FDP-Chef Christoph Meyer gibt die Vorwürfe zurück. Er schreibt auf X, SPD und Grüne hätten gezeigt, dass "ein verfassungskonformer Haushalt und eine Wirtschaftswende mit ihnen nicht zu machen" sei. Die FDP dagegen stehe zur Verfassung und der Einhaltung der Schuldenbremse.

AfD kritisiert "Nachtreten gegen Lindner"

"Gut, dass die lähmende Hängepartie der Ampel endlich ein Ende hat", kommentiert derweil die Berliner AfD-Partei- und Fraktionschefin Kristin Brinker. Sie fordert, Kanzler Scholz solle die Vertrauensfrage "umgehend" stellen und kritisiert, das "Nachtreten gegen Lindner" sei "eines Bundeskanzlers unwürdig".

Für die Landesvorsitzenden der Berliner Linken, Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer ist der "Rauswurf von Christian Lindner richtig, kommt aber zu spät". Mit "dem lähmenden Abwarten und ewigen Streit" habe die Ampel das Vertrauen der Menschen verspielt. Brychcy und Schirmer zeigen sich bereit für den Wahlkampf - "mit Glühwein und sozialer Politik."

Robert Crumbach zeigt sich "wenig überrascht"

Kritik gibt es auch aus Brandenburg von der CDU. "Die Menschen im Land haben schon lange die Nase voll vom Ampel-Chaos. Die Streitereien in Berlin haben bereits massiv Vertrauen zerstört. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, um wieder Klarheit und Verlässlichkeit zu schaffen", erklärt der Vorsitzende der CDU Brandenburg, Jan Redmann. "Das Ende der Ampel muss auch das Ende sein. Alles andere ist nicht tragbar. Es führt kein Weg an schnellen Neuwahlen vorbei, wenn wir unsere Sicherheit und unseren Wohlstand angesichts der aktuellen Herausforderungen retten wollen."

Der Fraktionschef der SPD im Brandenburger Landtag, Daniel Keller, hat diesen Forderungen widersprochen. Jetzt sei es wichtig, dass die verbliebene Koalition die Entlastungen für die Bürger und die Impulse für die Wirtschaft umsetzt, die schon im Umlauf sind. Schnelle Neuwahlen würden nur noch mehr Chaos stiften, betonte Keller am Donnerstag im rbb. Jetzt sei aber ein geordnetes Verfahren nötig.

Brandenburgs BSW-Landeschef Robert Crumbach zeigte sich vom Ende der Ampel-Koalition auf Bundesebene "wenig überrascht". Es sei der Endpunkt einer sich über drei Jahre abzeichnenden Fehlentwicklung, sagte er dem rbb. Jetzt brauche es schnell Neuwahlen, damit Deutschland endlich eine vernünftig arbeitende Regierung bekommt.

Scholz will Vertrauensfrage am 15. Januar stellen

Falls Scholz bei der Vertrauensfrage im Bundestag, die er am 15. Januar stellen will, keine Mehrheit bekommt, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen. Dann könnte es Ende März Neuwahlen geben.

Zuvor hatte Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen, nachdem dieser eine Neuwahl des Bundestags vorschlug. Scholz griff Lindner in seiner Rede scharf an. Er sprach davon, Lindner habe zu oft sein Vertrauen gebrochen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 07.11.2024, 19:30 Uhr