Glossar zur Bundestagswahl 2025 - Von Ausgleichsmandat bis Zweitstimmendeckung - Wahlbegriffe erklärt

Zweitstimmendeckung - nie gehört? Was war nochmal die Grundmandatsklausel? Gibt es noch Direktmandate? In unserem Glossar finden Sie neue und alte Fachbegriffe zur Bundestagswahl 2025 einfach erklärt. So können Sie am Wahlabend mitreden.
Direktkandidat
Die Kandidatinnen und Kandidaten, die sich in den Wahlkreisen für die Erststimme zur Wahl stellen. Ihr Ziel ist es, mit einem Sieg in ihrem Wahlkreis in den Bundestag einzuziehen. Nach der Wahlrechtsreform ist die Mehrheit bei den Erststimmen aber keine Garantie mehr dafür. Der Sieg muss jetzt auch durch das Zweitstimmenergebnis der Partei gedeckt sein, damit er den Kandidaten ihren Sitz im Bundestag garantiert.
Die Erststimmen-Sieger heißen in der Wahl-Berichterstattung zur Bundestagswahl 2025 auf rbb|24 deshalb jetzt Wahlkreisgewinner. Die Bundeswahlleiterin spricht bei den Kandidaten auch von Wahlkreisbewerbern, dieser Begriff kann synonym zu Direktkandidat verwendet werden.
Grundmandatsklausel
Bei der Bundestagswahl gilt nach dem Bundeswahlgesetz die Grundmandatsklausel. Sie bedeutet, dass eine Partei, die mindestens drei Direktmandate (= Grundmandate) gewinnt, Abgeordnete in den Bundestag entsenden darf. Selbst dann, wenn sie gleichzeitig über die Zweitstimmen die Fünf-Prozent-Hürde nicht nimmt. Sie zieht dann mit dem Zweitstimmenergebnis (also beispielsweise 4,5 Prozent) ins Parlament ein. Ursprünglich sollte diese Regel durch das neue Wahlrecht abgeschafft werden, dem widersprach aber das Bundesverfassungsgericht.
Kanzlerwahl
Auch wenn die großen Parteien ihre Spitzenkandidaten gerne als "Kanzlerkandidaten" bezeichnen, wählen die Wählerinnen und Wähler selbst nicht den kommenden Kanzler, sondern seine Partei. Den Kanzler wählen die Abgeordneten des neuen Bundestags. Sobald die Koalitionsbildung abgeschlossen ist, kommt der Punkt auf die Tagesordnung. Formell läuft es dann so ab: Der Bundespräsident schlägt dem Bundestag den Kandidaten oder die Kandidatin vor. Diese(r) braucht anschließend eine absolute Mehrheit in einer Wahl der Abgeordneten.
Koalitionsbildung
Nach der Wahl folgt die Phase der Regierungsbildung. Die neue Bundesregierung ist auf eine absolute Mehrheit (mehr als die Hälfte der Sitze) im Parlament angewiesen - also mehr als die Hälfte der Sitze. Daraus ergibt sich, welche Parteien theoretisch nach der Wahl eine Koalition bilden könnten.
Diese versuchen in Verhandlungen eine Basis für eine gemeinsame Regierung zu finden. Es geht sowohl um inhaltliche Vorhaben, als auch um die Aufteilung der Ministerien. Feste Regeln oder Fristen gibt es nicht für die Verhandlungen. Üblicherweise beansprucht aber die Partei mit den meisten Zweitstimmen für sich, die Koalitionsverhandlungen anzuführen. Am Ende erfolgreicher Verhandlungen steht in der Regel ein Koalitionsvertrag, der die Grundlage für die gemeinsamen Regierungsziele bildet.
Landeslisten
Mit der Erststimme wählen die Wählerinnen und Wähler eine Person der jeweiligen Partei, für die Zweitstimmen gibt es eine Liste. Das sind die Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Bundesland, die nach der Wahl in den Bundestag einziehen sollen. Je mehr Zweitstimmen eine Partei erhält, desto mehr Kandidatinnen und Kandidaten dürfen von ihrer Liste in den Bundestag entsandt werden.
Die Listen sind sortiert - je höher ein Kandidat platziert ist, desto höher seine Chance, über die Liste in den Bundestag einzuziehen. Die Listen bleiben auch nach der Wahl relevant. Wenn ein Bundestagsabgeordneter während der Legislaturperiode aus dem Bundestag ausscheidet oder stirbt, rückt der nächste nicht berücksichtigte Kandidat von der Landesliste seiner Partei für ihn nach. Hier finden Sie die Landeslisten für Berlin und Brandenburg.
Sitzverteilung
Aus dem Wahlergebnis errechnet sich eine Sitzverteilung im Bundestag. Dafür werden die Zweitstimmen durch eine bestimmte Zahl - den Divisor - geteilt, die gerundeten Ergebnisse ergeben die Mandate für jede Partei, die es in den Bundestag geschafft hat. Damit die richtige Sitzverteilung ermittelt wird, muss der Divisor jedesmal neu ermittelt werden.
Das hier angewandte Prozedere nennt sich Schepers-Verfahren und geht auf den Vorschlag des Physikers und Bundestagsverwaltungsmitarbeiters Hans Schepers zurück. Seit 2009 ist es der Standard bei Bundestagswahlen. Ein anders berechnetes Verfahren des französischen Mathematikers André Sainte-Laguë führt zu identischen Ergebnissen, deshalb wird auch vom Divisorverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers gesprochen.
Sperrklausel / Fünf-Prozent-Hürde
Die sogenannte Sperrklausel besagt, dass nur die Parteien, die bundesweit mindestens fünf Prozent aller Zweitstimmen erhalten, bei der Sitzverteilung im Bundestag berücksichtigt werden. Dadurch ergibt sich auch der meist graue Balken mit den "anderen" oder "sonstigen" Parteien in Wahlergebnisgrafiken. Hier sind Parteien zusammengefasst, die deutlich unter der fünf-Prozent-Hürde gelandet sind.
Eine Partei kann aber auch mit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen, wenn sie drei Direktmandate gewinnt. Das nennt man Grundmandatsklausel. Die gilt im Grundsatz auch nach der Wahlrechtsreform noch, allerdings ziehen die Parteien jetzt nicht mehr zusätzlich mit Überhangsmandaten ein, wenn sie in einem Wahlkreis über die Erststimmen mehr Sitze als über die Zweitstimmen gewonnen haben.
Sperrminorität
Erreicht eine Fraktion im Bundestag mehr als ein Drittel aller Sitze, kann sie wichtige Entscheidungen blockieren. Ohne ihre Zustimmung wären z.B. Grundgesetzänderungen oder Änderungen der Geschäftsordnung nicht mehr möglich, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit gebraucht werden. In den Parlamenten von Brandenburg und Thüringen hat die AfD eine solche Sperrminorität, sie kam bei den Landtagswahlen im Herbst dort auf mehr als ein Drittel aller Sitze. Nach den vorläufigen Zahlen der Bundestagswahl 2025 kommt im nächsten Bundestag keine der Parteien auf die dafür nötige Stimmenzahl. Ein Zusammenschluss von Oppositionsparteien, z.B. von Linke und AfD, zur Ausübung der Sperrminorität scheint zwar am Wahlabend rein rechnerisch möglich – ist aber politisch unwahrscheinlich.
Wahlkreisgewinner
Die Kandidatin oder der Kandidat, die in einem Wahlkreis die meisten Erststimmen geholt hat. Der Sieg in einem Wahlkreis ist allerdings nicht mehr gleichbedeutend mit einem Einzug in den Bundestag. Damit daraus ein früher als Direktmandat bezeichneter Sitz als Abgeordneter wird, muss das Ergebnis mit dem Zweitstimmenergebnis der Partei gedeckt werden (Siehe Zweitstimmendeckung). Hier finden Sie nach Auszählung der Stimmen die Wahlkreisgewinner für Berlin und Brandenburg.
Zweitstimmendeckung
Im Gegensatz zu früheren Wahlen gewinnt ein Direktkandidat diesmal nur sein Wahlkreismandat automatisch, wenn der Sieg bei den Erststimmen auch durch einen Sieg seiner Partei bei den Zweitstimmen gedeckt ist. Klappt das nicht und erreicht eine Partei über die Zweitstimmen weniger Sitze in einem Bundesland als über die Erststimmen, dann bleiben die Wahlkreise mit dem geringsten Erststimmenergebnis unbesetzt. Direktmandate gibt es also durch die Zweitstimmendeckung nicht mehr wie bisher automatisch.
Bekannte Begriffe, die ausgedient haben
Ausgleichsmandat
Die sogenannten Ausgleichsmandate gibt es bei dieser Bundestagswahl nicht mehr. Sie existierten bislang, um sogenannte Überhangsmandate auszugleichen. Das war notwendig, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Kandidaten in den Bundestag entsenden konnte, als ihr über die Zweitstimmen zustanden. Dann nämlich bekam eine Partei sogenannte Überhangsmandate. Damit diese nicht das über die Zweitstimmen gewählte Verhältnis im Bundestag beeinflussten, mussten die anderen Parteien Ausgleichsmandate in entsprechender Menge erhalten. Die Folge war ein großer Bundestag. Mit der Wahlrechtsreform wurden die Überhangs- und Ausgleichsmandate deshalb abgeschafft. Der Bundestag soll so erheblich verkleinert werden – auf 630 Sitze. Zuletzt hatte er über hundert Sitze mehr.
Direktmandat
Insgesamt gibt es 299 Wahlkreise in Deutschland. Wer in einem davon die meisten Erststimmen (Direktkandidat) erhält, zog bislang automatisch in den Bundestag ein, sobald seine Partei bundesweit drei solcher Mandate gewann.
Neu ist mit der Wahlrechtsreform, dass die Direktmandate nach Erststimmen auch durch Zweitstimmensiege gedeckt sein müssen. Das ganze erfolgt nach Bundesländern. Es ziehen also nur dann alle erfolgreichen Wahlkreiskandidaten einer Partei in den Bundestag ein, wenn der Partei in dem jeweiligen Bundesland auch die entsprechende Anzahl an Sitzen durch das Zweitstimmenergebnis zusteht. Somit kann auch Kandidatinnen und Kandidaten trotz ihres Sieges nach Erststimmen der Weg in den Bundestag versperrt bleiben. Der Begriff "Direktmandat" ist damit faktisch nicht mehr richtig.
Überhangmandat
Relikt aus vergangenen Legislaturperioden. Bis zu dieser Bundestagswahl sind die Gewinner eines Wahlkreis (Erststimme) automatisch in den Bundestag einzogen sind - Auch wenn der Partei nach ihrem Zweitstimmenergebnis nicht so viele Plätze zugestanden hätten. Dadurch gab es ein Ungleichgewicht im Parlament, weil Parteien möglicherweise über die zusätzlichen Erststimmen mehr Sitze bekommen haben, als ihnen durch die Zweitstimmen zugestanden hätten. Dieses System hatte Ausgleichsmandate und einen sehr großen Bundestag zur Folge und wurde deshalb mit der Wahlrechtsreform abgeschafft.
Sendung: rbb24, 23.02.2025, 21:45 Uhr
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