Bob Hanning vor Handball-WM - "Eine deutsche Mannschaft muss immer in der Lage sein, im Halbfinale zu stehen"

Die deutsche Nationalmannschaft startet am Mittwoch in die Handball-WM. Im Interview spricht Spitzenfunktionär Bob Hanning über die Herausforderungen, den optimalen Turnierbaum und was er sich vom Berliner Nils Lichtlein erhofft.
rbb|24: Herr Hanning, lassen Sie uns über Symbolik sprechen. Bei der anstehenden Weltmeisterschaft spielt die deutsche Handball-Auswahl zunächst gegen Polen – den Finalgegner von 2007.
Bob Hanning: Die Partie erinnert mich daran, dass es der letzte WM-Erfolg der deutschen Nationalmannschaft war. Das Spiel erinnert mich aber auch daran, dass die Platzierungen bei Weltmeisterschaften in den letzten Jahren nicht zufriedenstellend waren. Wenn man eine Symbolik reinnehmen will, dann vielleicht die: Das Spiel kann der Anfang einer großen Geschichte werden.
Welche Erwartungen haben Sie an die deutsche Handball-Auswahl beim Turnier?
Da muss ich ausholen. Ich bin immer ein großer Freund davon, Ziele hoch anzusetzen. Von daher war ich sehr erfreut, dass in den Spielerkreisen dieses defensive Denken endlich mal einem Optimismus, einem Selbstvertrauen und einer eigenen Erwartungshaltung gewichen zu sein scheint. Eine deutsche Mannschaft muss immer in der Lage sein, in einem Halbfinale zu stehen.
Das klingt nach einem Aber.
Jetzt kommt die andere Seite der Medaille. Ich habe persönlich unglaublich auf die Fresse gekriegt nach der Europameisterschaft (2024, die DHB-Auswahl kam bis ins Halbfinale, d. Red.), als ich gesagt habe, mit Platz vier gibt es maximal die Schulnote vier, weil wenn man im eigenen Land die gleiche Anzahl an Spielen gewinnt, wie man sie verliert, dann ist das nicht zufriedenstellend.
Deutschland gewann viermal, verlor viermal, und gegen Österreich gab es ein Unentschieden.
Genau. Erst im darauffolgenden Sommer bei den Olympischen Spielen, da hatten wir den Moment, wo man sagen konnte, es kippt was auf unsere Seite. Wenn wir das nicht gehabt hätten, wäre die Bewertungslage eine andere. Teil der Einordnung ist aber auch: Gegen die Dänen waren wir ohne jede Chance (26:39 im Olympia-Finale, d. Red.). Ich bin ein großer Optimist und sage immer, Deutschland muss um Medaillen spielen. Aber ich will auch ganz bewusst das mit in die Waagschale werfen.
Tatsächlich übte Bundestrainer Alfred Gislason auch nach den letzten beiden Testspielen vor der WM, jeweils gegen Brasilien, Kritik an der Vorstellung seiner Mannschaft.
Aber da sage ich auch: Testspiele geben keine Punkte. Ich fand es viel wichtiger, dass wir wiedergekommen sind, dass wir die Spiele trotzdem positiv gestaltet haben, dass sich Spieler aus ihren Leistungen wieder selbst herausgezogen haben. Von daher bewerte ich die Brasilien-Spiele eher positiv als negativ.
Gislason kann bei der WM auf zahlreiche etablierte Spieler zurückgreifen, etwa Kapitän Johannes Golla, Stammtorwart Andreas Wolf, Starspieler Juri Knorr. Gleichzeitig sind einige U21-Weltmeiterster von 2023 dabei: Füchse-Spieler Nils Lichtlein, Renars Uscins, Justus Fischer. Wie wichtig können diese Nachwuchshoffnungen werden?
Es wurde die stärkste Mannschaft, die zu nominieren war, auch nominiert. Für mich war auch die Entscheidung nachvollziehbar, in diesem Jahr statt auf den nächsten U21-Weltmeister, Tim Freihöfer (von den Füchsen Berlin, d. Red.), auf seiner Position noch mal auf mehr Erfahrung zu setzen – obwohl er eine überragende Saison spielt. Der Kader ist eine gute Mischung aus jungen Spielern, aus gewachsenen Spielern und aus erfahrenen Spielern. Das Schöne ist, bei einer WM kann man Spielzeiten verteilen und man hat die Möglichkeit, dass man von Woche zu Woche auch besser werden kann, weil natürlich diese Mannschaft ihr Potenzial längst nicht ausgereizt hat.
Welche Rolle sehen Sie für Nils Lichtlein, den einzigen deutschen Füchse-Spieler bei der WM?
Nils kann ein X-Faktor sein, wenn er seine Torgefahr mitnimmt. Er war mir jetzt im letzten Spiel gegen Brasilien zu passiv. Bei dem Potenzial, das er hat – gerade weil es ja auch ungewohnt ist, mit einem Linkshänder auf der Mitte zu agieren – kann er den Unterschied ausmachen, weil er vom Spielsystem her anders tickt als Juri Knorr und Luca Witzke zum Beispiel. Von daher glaube ich schon, dass er dem Team etwas auf den Weg geben kann.
Mit den von Ihnen angesprochenen Knorr und Witzke gibt es auf Nils Lichtleins Rückraum-Position aber zwei weitere Hochkaräter. Wovon wird abhängen, ob er überhaupt zum Zug kommt?
Ich bin sicher, dass Luca Witzke häufig auch auf Rückraum links spielen wird. Und ich bin sicher, dass Nils seine Rolle findet in dem System. Für Juri ist es einfach wichtig, dass er auch mal eine Pause kriegen kann, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Wie gegen Brasilien, wo er dann hinten raus wieder gekommen ist, und wo nicht der ganze Druck nur auf ihm lastet. Ich glaube, da kann Nils schon eine Menge Hilfestellung leisten.
Außer gegen Polen spielt Deutschland in der Vorrunde noch gegen Tschechien und die Schweiz. Die Konstellation gilt als vergleichsweise einfacher Turnierstart für die DHB-Auswahl.
Wenn wir eine Medaille holen wollen, sollten wir uns über die Mannschaften keine Gedanken machen. Sondern die Gruppe und auch die Zwischenrunde geben uns alle Möglichkeiten, sogar Dänemark in den weiterführenden Spielen aus dem Weg zu gehen. Das ist eigentlich der optimale Turnierbaum, um sich zu entwickeln. Anders als bei den Olympischen Spielen, wo dann im Finale gegen Dänemark die Kraft komplett gefehlt hat, kannst du die Energie bei so einer WM als deutsche Mannschaft bei der Breite des Kaders einfach wunderbar steuern.
Dänemark ist also für Sie Turnierfavorit?
Wer Weltmeister werden will, muss Dänemark schlagen. Das ist überhaupt keine Frage, weil sie auch aus einer Selbstverständlichkeit heraus spielen und selbst den Verlust von Weltstars, die jetzt aufgehört haben, einfach kompensieren können.
Eingangs sprachen Sie an, bei den vergangenen Turnier-Erfolgen des deutschen Teams war nicht alles Gold, was glänzte. Dennoch: EM-Halbfinale, Olympia-Silber – stehen die jüngsten Erfolge der Nationalmannschaft auch für eine positive Entwicklung des deutschen Handballsports?
Auf Dauer ist der Grundstein für den Erfolg des deutschen Handballs gelegt. Ich glaube, wir brauchen uns über Jahre keine Gedanken darüber machen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, was das Thema Nationalmannschaft angeht.
Herr Hanning, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Shea Westhoff.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.01.2025, 13:15 Uhr
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