Timo Gottschalk bei der Rallye Dakar - Wüstennächte, platte Reifen und das Navigieren durch die Dünen
Als Navigator dirigiert der Brandenburger Timo Gottschalk seinen Fahrer aktuell durch die Wüste Saudi-Arabiens. Der Anlass? Die Rallye Dakar. Die Herausforderungen? Lange Etappen mit viel Sand, tückischen Dünen und steinigen Kurven.
Den Anfang machte am Mittwoch Vulkangestein. Es war noch morgendlich kühl in der Wüste von Saudi-Arabien, als Navigator Timo Gottschalk und sein Fahrer Yazeed Al Rajhi in die vierte Etappe der Rallye Dakar starteten. 588 sandige und steinige Kilometer von Al Hinakiyah bis in die Oase von Al-ʿUla galt es zu bewältigen. Was beschwerlich klingt, ist nur ein Bruchteil der insgesamt über 7700 Kilometer, die Gottschalk und Al Rajhi in diesen Tagen quer durch die Wüste jagen.
Die 1.000 Kilometer lange "Königsetappe"
Der in Neuruppin geborene Gottschalk und der Lokalmatador Al Rajhi – 15 Tage und 14 Etappen verbringt das Duo aktuell anlässlich der Rallye Dakar miteinander im Auto. Aus dem Süden Saudi-Arabiens ging und geht es für sie und die anderen 62 Fahrer-Duos einmal quer durchs Land. Während rund ein Dutzend Fahrer bereits mit zerstörten Autos aufgeben mussten, machen sich Gottschalk und Al Rajhi nach zwei Etappensiegen sogar Hoffnungen auf den Gesamtsieg. "Unsere Zielsetzung ist, ganz oben auf dem Podium zu stehen", sagt Gottschalk.
Den Grundstein auf der Wüsten-Jagd hin zu diesem Ziel legte der 50-jährige Navigator und sein Fahrer in der ersten Woche des neuen Jahres. Vergangenen Sonntag und Montag ging es da in einem großen Oval insgesamt 1.058 Kilometer durchs Terrain – die zweitägige "Königsetappe" von Dakar. Eine kühle Wüstennacht im Zelt, eigenhändiges Schrauben statt Hilfe von Mechanikern, dazu Essen aus Tüten. "Wir wurden alle ziemlich gefordert", fasste Gottschalk treffend zusammen. Mit seinem Fahrer navigierte er diese erste große Prüfung der Tour bravourös: Das Duo Gottschalk/Al Rajhi passierte die über 1.000 Königskilometer am schnellsten.
Bestens bekannte Herausforderungen
Am Freitag, dem einzigen Ruhetag der Rallye Dakar, hatte Gottschalk zumindest ein bisschen Raum und Zeit zurückzublicken – unter anderem im Gespräch mit dem rbb. Neben dem Übernachten in Zelt und Wüste hob er allen voran das Navigieren – seine Hauptaufgabe als Beifahrer – als Schwierigkeit hervor.
Mehrfach kamen Fahrer-Duos auf den ersten Etappen vom Kurs ab – wenig verwunderlich angesichts fehlender Streckenmarkierungen, dem oft eintönigen Rot der Wüste und der kargen, Anhaltspunkt-armen Landschaft. "Extrem schwierige Streckenbeschaffenheiten, extrem schwierige Navigation", sagte Gottschalk, "alle Herausforderungen, die man bei Dakar haben kann in einer Woche."
Neu sind diese Herausforderungen für Gottschalk nicht. Über ein Dutzend Mal nahm der Neuruppiner bereits an der Rallye Dakar Teil, 2011 navigierte er sich und Fahrer Nasser Al-Attiyah sogar zum Sieg. Hinzukommt, dass die Tücken der Tour durch die Wüste gleichzeitig sagenumwoben und gut dokumentiert sind. Über 70 Menschen starben seit 1978 bei der Tour, früher viele Fans und Organisatoren, aber allein in den vergangenen fünf Jahren auch vier gestürzte Motorradfahrer. "Die Gefahr ist immer, dass man irgendwo in einen bösen Unfall verwickelt wird", sagt Gottschalk.
Taktieren ist wichtig, Sicherheit noch wichtiger
Für ihn und seinen Fahrer ist die Gefahr eines tödlichen Unglücks dennoch ziemlich gering. Zum einen, weil sie eben als Duo und nicht allein in den Weiten der Wüste unterwegs sind. Vor allem aber, weil sie in ihrem Auto ungleich geschützter sitzen als ihre Mitfahrer auf Motorrädern. "Klar, bei einem Crash überschlägt man sich mehrmals und rollt weit", sagt Gottschalk, "aber meistens passiert da zum Glück nicht viel."
Was für die Fahrer gilt, zählt für deren Autos nicht. Immer wieder müssen Fahrer und Navigatoren unterwegs geplatzte Reifen wechseln – nur um ihren Mechanikern abends teils Wrack-ähnliche Autos vor die Nase zu stellen. Nicht mehr zu retten war Gottschalks Auto Anfang 2024: Da zerlegten er und Al Rajhi ihr Auto auf der sechsten Etappe bei mit 150 bis 160 km/h komplett. Per Hubschrauber ging es damals zurück zur Fahrer-Basis. Diesmal will das Duo die gesamte Strecke fahrend zurücklegen.
Entscheidend hierbei wird auch kluges Taktieren sein. Anders als bei anderen Motorsport-Rennen ist es bei der Rallye Dakar nämlich nicht nur vorteilhaft als Erster eine Etappe zu beenden. "Weil der, der den einen Tag gewinnt, am nächsten als Erster starten muss", sagt Gottschalk. In sandigem und schwer zu lesendem Terrain sind Spuren von Vorfahrern allerdings ein großer Vorteil. "Man muss ein bisschen clever sein und abwägen, an welchen Tagen es einfacher ist, zu eröffnen."
Gute Aussichten auf den Gesamtsieg
Der bereits erwähnte Mittwoch wurde zu einem Paradebeispiel für diese Tücke der Tour: Erst als 18. Duo starteten Gottschalk und Al Rajhi in ihrem Toyota gen Al-ʿUla. Es folgte ihre nächste beeindruckende Fahrt bei der diesjährigen Rallye. Selbst drei Reifenschäden konnten Gottschalk und Al Rajhi auf ihrer Fahrt durch die mal sandige, mal steinerne Wüste nicht aufhalten. Nach 4:31 Stunden kamen sie als Etappensieger ins Ziel.
Und auch am Donnerstag und Samstag waren der Navigator aus Brandenburg und sein Pilot aus Saudi-Arabien exzellent unterwegs. So exzellent, dass sie nach der Hälfte von insgesamt zwölf Etappen im Gesamtklassement auf Rang zwei liegen. Ihr Rückstand? Exakt sieben Minuten und 16 Sekunden – in der weiten Wüste von Saudi-Arabien nicht mehr als ein Dutzend gut gefahrener Dünen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.01.2025
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