Pop-Musik - "My Cunt, My Business": Weiblich besetzte Bands kämpfen um Sichtbarkeit 

So 12.01.25 | 08:10 Uhr | Von Hendrik Schröder
Archivbild: Diva Heaven bei Pop Kultur, 2020. (Quelle: Camille Blake)
Bild: Camille Blake

Männer geben in der Musik den Ton an. In fast allen Genres sind sie auf den Bühnen in der absoluten Mehrheit. Dabei gibt es in der Region spannende Bands, die ganz ohne Männer auskommen. Von Hendrik Schröder

Wer regelmäßig auf Rock-, Hip-Hop-, Metal- oder Punk-Konzerte in Berlin und Brandenburg geht, merkt es schnell: Im Publikum und vor allem auf der Bühne stehen fast immer mehr Männer als Frauen. Dabei gibt es auch in diesen Genres viele großartige Bands aus der Region, die komplett oder größtenteils aus Frauen bestehen.

Zum Beispiel die kämpferisch kratzbürstigen Deutsche Laichen, ehemals in Göttingen, jetzt in der Hauptstadt beheimatet. Mit Songs wie "My Cunt, My Business" ballern sie in ihren zwei Minuten Krachern unmissverständliche Botschaften ins Publikum: Wir meinen das schon ernst mit dem Feminismus und wir haben gute Gründe dafür.

Deutsche Laichen sind mit ihrem Sound natürlich eine absolute Nischenband und spielen in winzigen Venues wie zum Beispiel der selbstverwalteten KvU in Prenzlauer Berg, da ist kommerzieller Erfolg nicht mal angedacht. Aber trotzdem steckt die Band spürbar viel Herzblut, Arbeit und Schweiß in ihre Songs und Auftritte.

Veranstalter winken oft ab

Denn bei Konzerten der Band geht es auf der Bühne nicht weniger ab, als würden männliche Kollegen auftreten. Und trotzdem ist für größtenteils weiblich besetzte Bands immer noch vieles schwieriger. Zum Beispiel Auftritte zu bekommen. Da sagen die Veranstalter oft: Die meisten Flinta*-Bands sind halt nicht so bekannt, da kommen zu wenig Leute, wird schwierig.

Aber wenn eine Band nicht auftritt, kann sie auch nicht bekannter werden. Ein Teufelskreis, der nur ganz langsam durchbrochen wird.

Aktuell zum Beispiel von den schwer angesagten 24/7 Diva Heaven aus Berlin, die in diesem Jahr unter anderem beim "Desert Fest" in Tempelhof spielen. Außer ihnen werden da nur eine Handvoll weitere Frauen auftreten. An allen drei Festivaltagen zusammen wohlgemerkt! 24/7 Diva Heaven ist allerdings auch eine herausragende Band, ihr Album "Gift" wurde in vielen Jahrespolls in die 2024er Bestenliste gewählt.

Auch die Berliner Band Shirley Holmes, die mit gleich zwei Frontfrauen bei ihren Konzerten eine starke Rockshow abliefert, hat es geschafft und es zu einer gewissen Bekanntheit gebracht. Aber weibliche Bands, die nicht ganz so übertalentiert sind, haben im Gegensatz zu ihren durchschnittlichen männlichen Kollegen fast keine Chance.

Nur ganz oben immer mehr Frauen

Kleiner Exkurs: Flinta* steht für Frauen/Lesben/inter/nicht-binäre, trans und agender Personen. Viele Bands aus der Szene bevorzugen diesen Begriff gegenüber "Frauenbands", weil er klar macht, dass ein großes Spektrum an Personen gemeint ist, das eben nicht die Privilegien genießt, die Männer in der Gesellschaft und vor allem in der Musik immer noch haben.

Zwar gehören zu den Topstars und Großverdiener:innen immer mehr Frauen, siehe Taylor Swift oder Helene Fischer, aber in den zweiten und dritten Reihen, hinter den Kulissen und vor allem in allen Genres mit Gitarren, ist die Männerdominanz weiterhin erschlagend.

Im Hip Hop ist die Situation auch nicht besser als im Punk, Rock und Metal. Männer haben die dicken Hosen an. Frauen an den Mics bleiben die Ausnahme. Aber nach und nach verändert sich was. Rapperinnen wie Sxtn oder Sokee haben den Weg bereitet, haben geholfen Frauen aus der Rolle von Anhängseln und reinen Sexobjekten zu befreien und ihnen eine eigene Stimme und viel mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.

Auch die Berliner Underground-Rapperin Lena Stoehrfaktor ist ein wichtiger Teil dieser Szene. Sie füllt mittlerweile mit ihren straighten deutschen Lyrics, die zwischen Politik und Poesie pendeln, auch Clubs wie das SO36. "Pretty World" heißt ihr neues Album, das sie Ende Januar ebendort vorstellt.

Archivbild: Lena Stöhrfaktor, bei Fritz unsigned. (Quelle: Dokfilm)
Lena Stoerfaktor bei Fritz unsigned | Bild: Dokfilm

Mehr Rücksicht, gleiche Power

Und die starken weiblichen Acts wachsen und spielen nicht nur in Berlin. Aus Potsdam zum Beispiel kommt das Protopunk-Duo Mackermassaker. Zwei Frauen an Drums und Gitarre oder manchmal sogar ganz ohne Gitarre, die sich auf Musik komplett ohne Schnörkel konzentrieren und mit einer ähnlichen Message wie Deutsche Laichen oder Lena Stoehrfaktor auf die Bühne gehen.

Dass bei allen offensiv feministischen Texten auch gelacht werden darf, sagt vielleicht auch schon der überspitzte Name: Mackermassaker. Muss man ja erst mal drauf kommen.

Bei den Live-Auftritten viele dieser Bands und Künstlerinnen fällt auf: Es sind mehr Frauen im Publikum als sonst. Es herrscht ein ganz anderer Vibe. Weniger aggressiv, rücksichtsvoller, angenehmer und trotzdem geht es genau so feierwütig zur Sache. Wenn man das berücksichtigt, sind Konzerte von weiblich besetzten Bands eigentlich sogar oft besser als die ihrer männlichen Kollegen.

Beitrag von Hendrik Schröder

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