Chronologie - Der Flughafen Tempelhof: Vom Exerzierplatz zum internationalen Airport
Am 8. Oktober 1923 begann in Tempelhof ein neues Kapitel: Der Flughafen "Tempelhofer Feld" nahm seinen Betrieb auf, zunächst auf denkbar kleiner Flamme. Bis zum Winter zählte der kleine Flughafen lediglich 150 Passagiere. Eine Chronologie.
Im 18. und 19. Jahrhundert diente das Tempelhofer Feld als Exerzier- und Paradeplatz für das preußische Militär. Zugleich war es ein beliebtes Naherholungsgebiet der Berliner.
Schon früh wurden hier erste Flugversuche unternommen und Flugschauen gezeigt, die Tausende von Zuschauern anzogen. Im Jahre 1909 vollbrachte Orville Wright auf dem Tempelhofer Feld einige Rekordflugvorführungen. Er brachte dort seine Flugmaschine tatsächlich zum Abheben.
Bis 1922 war das Tempelhofer Feld als Standort für neue Messeanlagen vorgesehen, allerdings entstand nach den Flugversuchen 1909 auch die Idee, dort einen Flugplatz zu bauen. Letztlich konnte der damalige Stadtbaurat Leonhard Adler die Stadtverwaltung von Berlin davon überzeugen, dass dieses Feld eher für einen Flughafen geeignet ist, da die Lage sehr zentral war.
1923 - 1933
1923 starteten die Bauarbeiten für den Flugplatz am nördlichen Rand des Tempelhofer Feldes. Zunächst starteten und landeten dort nur kleine Flugzeuge, mehr Platz gab das Gelände mit zwei Holzhallen nicht her. Ab 8. Oktober 1923 wurden Linienflüge in die Schweiz und Österreich, nach München, in den Balkan und nach Königsberg angeboten, es wurden in diesem ersten Jahr insgesamt 100 Starts und Landungen gezählt - mit 150 Passagieren und 1.300 Kilogramm Fracht. Es wurde nur bei guter Sicht geflogen und nicht während der Wintermonate.
Anfang 1925 wurde das Flughafengelände auf 1,5 Quadratkilometer ausgeweitet, es entstanden sechs große Flugzeughallen und eine Funkstation. Ab 1926 machte die neu gegründete Deutsche Lufthansa den Flughafen Tempelhof zu ihrem Heimatflughafen. 1927 war der erste Bauabschnitt des Flughafens abgeschlossen.
1928 wurden die Abfertigungshallen vergrößert, es gab Linienverbindungen nach London, Paris und Amsterdam. Die Zahl der beförderten Personen stieg von 150 im Jahr 1923 auf über 60.000 dann Mitte der 30er Jahre. Damit nahm Tempelhof unter den Flugplätzen in Europa die Spitzenposition vor London und Paris ein. Der Flughafen gehörte zur Spitze des europäischen Luftverkehrs.
Erst Naherholungsgebiet, dann Flughafen, dann wieder Freifläche
1934 - 1945
Auf Betreiben der Nationalsozialisten begannen 1934 Planungen für einen Großflughafen unter der Leitung des Architekten Ernst Sagebiel. Sagebiel, Mitglied der NSDAP und der SA, wurde in der Nazi-Zeit mit dem Entwurf mehrerer Großprojekte beauftragt, darunter auch das damalige Reichsluftfahrtministerium an der Berliner Wilhelmstraße (heute Bundesfinanzministerium).
Baubeginn für das neue Flughafengebäude war dann 1936. Der "alte" Flughafen wurde abgerissen. Bis 1941 entstand dann am Flughafen das größte zusammenhängende Flughafengebäude der Welt mit einem 1,2 Kilometer langen, durch Treppentürme gegliederten Hallenbogen, auf dessen Dach Tribünen für bis zu 65.000 Zuschauer vorgesehen waren. Als Dokument der Luftfahrt, Architektur und Bautechnik des 20. Jahrhunderts steht das gesamte Gebäude seit 1995 unter Denkmalschutz.
Im Dezember 1934 hatten die Nazis unmittelbar neben der Flughafenbaustelle das Konzentrationslager Columbia errichtet und betrieben es bis Ende 1936. Später ließ das Unternehmen "Weser-Flugzeugbau" durch Zwangsarbeiter am Flughafen Kriegsflugzeuge montieren. Seit 1994 erinnert ein Mahnmal an die Opfer.
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs kam der zivile Luftverkehr in Tempelhof weitgehend zum Erliegen.
1945 - 1951
Nach Kriegsende 1945 flogen die letzten Lufthansa-Maschinen nach München zum neuen Hauptstandort der Fluggesellschaft, das US-Militär übernahm den Flughafen Tempelhof. Bis 1947 entstand hier die "Tempelhof Air Base", die überwiegend von der US Airforce angeflogen wurde.
Zu besonderer Bedeutung für die Berliner Geschichte gelangte der Flughafen dann im Jahre 1948: Während der Berliner Blockade durch die Sowjetunion wurde der Westteil der Stadt durch Flugzeuge der Amerikaner und Briten aus der Luft mit Lebensmitteln, Medizin, Kohle und Rohstoffen für die Industrie versorgt. Für die so genannten "Rosinenbomber" der Amerikaner war von Juni 1948 bis Juli 1949 der Flughafen Tempelhof Hauptstart- und -landeplatz.
1948 stürzten über Berlin zwei Luftbrückenflugzeuge ab. Insgesamt starben 39 Briten, 31 US-Amerikaner und mindestens sechs Deutsche.
Am 9. Juli 1951 wurde Tempelhof dann von der amerikanischen Besatzungsverwaltung an den Senat übergeben und damit für den zivilen Flug- und Frachtverkehr freigegeben.
1950er bis 1990er Jahre
Der Flughafen Tempelhof bediente nach 1951 von Jahr zu Jahr mehr Passagiere, bis in den 60er Jahren die Kapazitätsgrenzen erreicht wurden. Das höchste Passagieraufkommen erzielte Tempelhof im Jahr 1973 mit knapp 4,8 Mio. Flugreisenden. 1975, im Jahr nach dem Bau des Flughafens Tegel, wurde der Betrieb in Tempelhof eingestellt.
Erst 1990, im Jahr nach dem Mauerfall, wurde Tempelhof als Flughafen - hauptsächlich für Inlandsflüge - wieder geöffnet.
Mit dem gemeinsamen Beschluss des Bundes, Berlins und Brandenburgs vom 28. Mai 1996, Schönefeld zum Flughafen Berlin Brandenburg auszubauen, waren die Tage des Tempelhofer Flughafens gezählt.
2008 bis 2014
Der Volksentscheid im April 2008, bei dem die Mehrheit der abgegebenen Stimmen gegen eine Schließung votierte, änderte an den Schließungsplänen des Berliner Senats nichts, zumal insgesamt nicht genügend Stimmen zusammenkamen und somit das notwendige Quorum nicht erreicht wurde. So wurde am 31. Oktober 2008 der Flughafen Tempelhof offiziell geschlossen und der Flugbetrieb eingestellt.
Der Park wurde am 8. Mai 2010 eröffnet. Am ersten Wochenende kamen rund 235.000 Besucherinnen und Besucher
Im September 2011 gründete sich im östlich an die Parkfläche angrenzenden Schillerkiez unter dem Titel "100 % Tempelhofer Feld" eine Bürgerinitiative mit dem Ziel, die Nachnutzungspläne des Senats im Wege eines Volksbegehrens zu kippen und eine Bebauung des Geländes zu verhindern.
Die äußerst erfolgreiche Unterschriftensammlung führte letztlich zu einem Volksentscheid, der am 25. Mai 2014 stattfand und eine deutliche Mehrheit erringen konnte. Das Volksgesetz ("ThF-Gesetz") trat nach seiner Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt am 25. Juni 2014 in Kraft.
2015 bis heute
Angesichts des Zuzugs von Flüchtlingen nach Berlin 2015/2016 wurden zunächst bis Ende 2019 Geflüchtete in den Hangars des ehemaligen Flughafen Tempelhof untergebracht. Während der Corona-Krise wurde in den Hangars eines der sechs Corona-Impfzentren Berlins betrieben. Seit Dezember 2022 werden zwei Hangars des ehemaligen Flughafens erneut als Flüchtlingsunterkünfte genutzt.
Seit Anfang 2016 gibt es derweil neue Diskussionen über eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes. Am 28. Januar 2016 stimmte das Berliner Abgeordnetenhaus mit Stimmen der SPD und der CDU für eine Teilbebauung. Der damalige Umwelt-Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) betonte, dass das Bauverbot dadurch "nicht aufgehoben" werde und die Bebauung nur auf drei Jahre beschränkt sei. Realisiert wurde dieser Mehrheitsbeschluss aber nicht.
2018 lebten die Pläne für eine moderate Randbebauung mit Wohnhäusern wieder auf. Der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte damals: "Tempelhof ist ein riesiges Gebiet, das man nicht für die Stadtentwicklung aufgeben kann. […] Im nächsten Wahlkampf oder der nächsten Legislatur wird das Thema bestimmt eine Rolle spielen."
Und so kam es auch. Der seit Frühjahr 2023 amtierende schwarz-rote Senat hat in seinem Koalitionsvertrag festgelegt, dass "die Möglichkeiten einer behutsamen Randbebauung in begrenzten Teilen der Fläche" ausgelotet werden sollen. Eine "Neubewertung durch die Berlinerinnen und Berliner" sei maßgeblich. Rein rechtlich könnte das Berliner Abgeordnetenhaus das Tempelhofer-Feld-Gesetz von 2014 ändern und Wohnungsbau ermöglichen. Doch ob das so kommt, ist noch völlig unklar.
Zuletzt hatte sich auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) für eine Bebauung des Tempelhofer Felds ausgesprochen. Ihr scheine es "als Brandenburgerin eher logischer, dass man eine Randbebauung macht. Dann kann man mit derselben Menge Geld zusätzliche Wohnungen bauen", sagte Geywitz Ende September 2023 in der ARD-Sendung "Maischberger".
Hinweis der Redaktion: Eine Version dieses Beitrag erschien erstmals am 9. Juli 2021, dem 70. Jahrestag der Übergabe des Flughafens an die Stadt Berlin.
Sendung: rbb24 Abendschau, 08.10.2023, 19:30 Uhr