Kammerjäger im Einsatz - Hat Berlin ein Problem mit seinen Ratten?

Mi 07.02.24 | 17:59 Uhr | Von Anna Bordel
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Symbolbild: Wanderratten Rattus norvegicus fressen Brot. (Quelle: IMAGO/Frank Sommariva)
Bild: IMAGO/Frank Sommariva

In Berlin leben schätzungsweise mehrere Millionen Ratten - in Parks, aber auch in Kellern und Häusern. Genau da werden sie zum Problem. Toleranz und weniger Müll können im Umgang mit den Tieren helfen - los, wird man sie aber nur mit Gift. Von Anna Bordel

  • Berlin musste 2022 mehr als 8.000 Fälle von Rattenbefall bekämpfen
  • keinen Müll rumliegen lassen, hilft, um Ratten gar nicht erst anzulocken
  • bei Rattenbefall helfen für die Beseitigung nur noch Giftköder

Er sucht nicht nach den Tieren, sein Blick gilt den schwarzen Boxen. Wenn er die öffnet, weiß er, wie viele Ratten es in diesem Hinterhof in Berlin-Mitte wirklich gibt. Kammerjäger Florian Kraft hat vor einer Woche hier mehrere Giftboxen aufgestellt und prüft jetzt, wie sehr die Köder angefressen wurden - ein Indiz für den Rattenbefall.

Die Köder, das sind lila Wachsblöcke mit Weizen versetzt. Und mit Gift. Die erste, an einer Hauswand befestigte Box öffnet er mit einem Spezialschlüssel und stellt fest: keine Köder mehr da.

Kraft meint, Berlin hat definitiv ein Problem mit Ratten. Jeden Monat hat er mehrere Einsätze, die sich um die vielerorts unerwünschten Nagetiere drehen. "Das kann man aber wahrscheinlich für jede Stadt sagen. Aber ich habe das Gefühl hier werden sie noch mehr gefüttert", so Kraft. Zum Beispiel mit Vogelfutter oder Brötchen in Parks und Gärten.

Spielplätze mussten wegen Rattenbefall gesperrt werden

Ratten leben da, wo es für sie etwas zu fressen gibt. In Berlin ist das längst nicht nur in der Kanalisation, sondern in Parks, auf den Straßen und auf Spielplätzen der Fall. In den üppig gefüllten Spielplätzen, wo auch schon mal was daneben liegt, finden sie mehr als genug zu fressen. Genaue Zahlen dazu, wie viele Ratten in Berlin leben, gibt es nicht. Die Berliner Wasserbetriebe haben aber 2015 geschätzt, dass es 2,2 Millionen sein könnten, damals waren es gut zwei Drittel der Bevölkerung.

Aktuellere Zahlen gibt es vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin darüber, wie häufig Bezirke Kammerjäger beauftragen mussten, um einen Rattenbefall zu bekämpfen. 2022 war das demnach mit 1.553 Maßnahmen am häufigsten in Marzahn-Hellersdorf der Fall, berlinweit waren es mehr als 8.000 Bekämpfungen. Am wenigsten waren es übrigens in Charlottenburg-Wilmersdorf, für Unruhe sorgen die Tiere in dem Bezirk dennoch. Im letzten Jahr musste der Bezirk bis Herbst zwei Spielplätze zeitweise sperren, weil sie mit Ratten befallen waren.

Im Haus und im Keller ist es warm, da gehen sie rein. Sie fressen Kabel an oder ich finde in irgendwelchen Kartons mit liebgewonnen Babyklamotten. Rattenkacke, da freut sich keiner drüber.

Florian Kraft, Kammerjäger

Wenn sie erstmal da sind, hilft nur noch der Kammerjäger

Wer bei sich im Hof, im Garten oder sogar im Haus Rattenbefall feststellt, ist verpflichtet dies beim jeweiligen Bezirk zu melden. Wenn es sich um öffentliches Gebiet handelt, muss der Bezirk handeln, wenn es auf privatem Boden ist, der Eigentümer selbst. Ein Befall ist übrigens ab der ersten Ratten nachgewiesen.

Das Lageso empfiehlt, darauf zu achten den Ratten kein Fressangebot zu machen, dann würden sich die Tiere auch nicht derart stark vermehren oder überhaupt an bestimmten Orten ansiedeln. Liegengelassene Lebensmittel in Parks sind demnach die Hauptnahrungsmittel der Tiere an öffentlichen Plätzen. Ratten sind deshalb vielerorts unerwünscht, weil sie über ihre Exkremente oder ihren Speichel Krankheiten an Menschen übertragen können. Außerdem nagen sie viele Gegenstände an und beschädigen sie dadurch.

Wenn Ratten irgendwo auftauchen, hilft laut Kammerjäger Kraft auch wirklich nur eine Bekämpfung mit Gift. Fallen nutzt er in der Regel nicht. Damit lasse sich lediglich gegen einzelne Tiere vorgehen, nicht aber gegen viele Tiere. Das Gift, das Kammerjäger für die Rattenbekämpfung nutzen, wirkt bei den Ratten nach zwei bis sieben Tagen, dann verbluten sie innerlich. Wenn irgendwo Giftboxen aufgestellt werden, müssen Kammerjäger mit Hinweisschildern darauf aufmerksam machen, erklärt Kraft. Die Köder befestigen sie in fest verschlossenen Boxen, damit Haustiere oder Kinder nicht an sie herangelangen.

Keine Köder mehr in den Boxen

Kraft prüft auch die anderen Boxen im Hinterhof. Eine hat er im Gebüsch, direkt neben sichtbaren Rattenbauten aufgestellt. "Hier sieht man es schön: da liegt der Müll, die Zwiebeln, die alten Taschentücher. Das liegt hier alles in der Gegend rum, für Ratten das Paradies". Bevor er diese Box öffnet, klopft er vorher an, inflagranti erwischen möchte er niemanden. Wenn ihm beim Öffnen einen Ratte entgegenspringt, erschrickt er sich jedes Mal, wie er sagt.

Die Box ist leer. Das ist kein gutes Zeichen, sondern spricht für viele Tiere, meint er. Und da, wo viele Ratten sind, bleiben sie in der Regel nicht im Hof, so Kraft.

"Im Haus und im Keller ist es warm, da gehen sie rein. Sie fressen Kabel an oder ich finde in irgendwelchen Kartons mit liebgewonnen Babyklamotten Rattenkacke, da freut sich keiner drüber". Geschweige denn, wenn sie in den eigenen vier Wänden landen. Auch das hat Kraft schon mal erlebt. Einmal hatte er einen Einsatz bei einer älteren Frau, die der Meinung war, die Ratten seien ihre Haustiere, erzählt er. Das sei einer seiner schwersten Einsätze gewesen, weil er nicht nur die Ratten beseitigen musste, sondern auch die Frau davon überzeugen musste, dass sie nicht weiter mit ihnen zusammen leben kann.

Kammerjäger Florian Kraft (Quelle: rbb|24)
Kammerjäger Florian Kraft | Bild: rbb|24

Zum Sterben verstecken Ratten sich

Auch wenn sie im Haus natürlich nichts verloren haben, gibt es doch zumindest einen Berliner, der meint, Ratten gehören zu uns Menschen dazu, und haben ihre Daseinsberechtigung. "Die Stadt ist groß, da ist auch Platz für Ratten und Menschen da", meint Wildtierexperte Derk Ehlert vom Berliner Senat. Deswegen ist er auch nicht der Meinung, dass Berlin ein Problem mit Ratten hat. Ihm zufolge sei es zumindest draußen sehr unwahrscheinlich sich durch eine Ratte mit einer Krankheit zu infizieren. Sie würden eben dort leben, wo wir Menschen sind, als sogenannte Kulturfolger. Ehlert meint, ein wenig Toleranz den Tieren gegenüber, wäre nicht schlecht, zum Beispiel wenn sie sich in Gebüschen oder Beeten tummeln.

Da, wo Kammerjäger Kraft auftaucht gibt es schon mal keine Toleranz. Er befüllt im Hinterhof alle leeren Boxen mit neuen Giftködern. Die kontrolliert er regelmäßig alle paar Tage. Das macht er solange, bis sie nicht mehr abgefressen werden, dann gibt es nämlich keine Ratten mehr, die die Köder abfressen können. Tote Ratten findet er übrigens selten, wie er erzählt. Zum Sterben würden sie sich meist in Nischen oder dunkle Ecken zurückziehen. Entsorgen muss er die toten Tiere also fast nie.

Beitrag von Anna Bordel

24 Kommentare

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  1. 24.

    Am Lausitzer Platz werden täglich Tauben zu Hunderten mit Fladenbrot gefüttert, das schließlich da liegen bleibt. Unter der Hochbahn liegt mittags an jedem Pfeiler zwischen Mariannenstraße und Kottbusser Tor ein Haufen gekochter Hirse "für die armen Tauben". Abends sind diese Haufen verschwunden, aufgefuttert von Tauben - und Ratten. Beim bezirklichen Gesundheitsamt beschied mir eine schneidende weibliche Stimme, dass diese Fütterung in Kreuzberg legal sei. Das Problem ist hausgemacht!

  2. 23.

    Den Mieter direkt mit Namen ansprechen. Wenn er das nicht einstellt muss er Reinigungskosten und den Kammerjäger,in diesem Fall Hof- oder Straßenjäget selbst bezahlen. Ich vermute Mal daß das so ähnlich funktioniert wie beim Sperrmüll.

  3. 22.

    Und wie verhindert das die Verbreitung von Ungeziefer?
    Ihre grünpopulistische Denkweise wäre passend für den Bundestag aber nicht die Realität.

  4. 21.

    Wenn ich die Bio-Tonne öffne, kommen mir 100 Millionen Fliegen entgegen.
    Muss ich nicht haben.
    Die Bio-Tonne bleibt zu!

  5. 20.

    Ich habe einen Kompost, also KEINE Biotonne. Die Fliegen und Maden am Haus möchte ich nicht. Das ist bei vielen so. Dann muss man wissen: Kompost für Gartenabfälle. Essensreste in die schwarze Tonne. Ich würde auch nie auf die Idee kommen, Reste vom Teller über dem Kompost abzuwischen... Oder vom Fleisch abgeschnittenes Fett auf dem Kompost zu entsorgen... Aber es gibt solche Leute, die da alles drauf packen, um Abholungen der Mülltonnen zu sparen. Örgs.

  6. 19.

    Schön mal die Biotonne angeschaut?
    Die Dinger leben im wahrsten Sinne des Wortes!

    Nein, die benutze ich nicht.

  7. 18.

    Laut BSR gehören Essensreste und alte Lebensmittel in die Bio-Tonne, nicht die schwarze Tonne.

  8. 17.

    In vielen Grünanlagen , wie z.B. am Oranienplatz ist gut zu beobachten, wie sich Ratten und Krähen aus den Mülleimern bedienen. Ein antirassistisches Denkmal abzureissen war dem Grünflächenamt aber offenbar wichtiger als die kaputten Mülleimer mit rattensicheren Modellen zu ersetzen. Wenige Meter weiter, im Bezirk Mitte geht das :) Da klappt auch die Pflege besser.
    Leider gibt es aber immer noch viele, die meinen es sei eine gute Idee, Wildtiere in Grünanlage und auf Spielplätzen zu füttern. Macht das doch lieber auf eurer Fensterbank oder eurem Balkon.

  9. 16.

    Gestern erst der Hausverwaltung gemeldet, dass im Nachbarhaus täglich Essenreste über den Balkon entsorgt wird. Seit Jahren das gleiche und Ratten werden immer mehr. Die Hausverwaltung ( GEWOBAG) Verweist auf den Hauswart der nie erreichbar ist. Die Mieterin wird nicht zur Rechenschaft gezogen und das Ordnungsamt ist nicht zuständig .

  10. 15.

    Da sind die Verursacher wohl nur nachlässig, was im Ergebnis der Rattenplage kaum einen Unterschied macht.

  11. 14.

    Und wieder schaffen einige Menschen ein weiteres Problem selbst, weil sie sich nicht ordentlich benehmen können und ihren Müll einfach in die Gegend werfen. Bezahlen müssen wir alle das!

  12. 13.

    Ach je, Knoblauch soll ja auch gegen Vampire schützen. Hungrige Ratten lassen sich davon jedenfalls nicht abschrecken.

  13. 12.

    Mittlerweile liegen an vielen Plätzen, Haltestellen und auf Gehwegen Fleischabfälle offen rum.
    Leicht begehbar für Ratten.
    Die müssen nicht mal mehr hochspringen.
    Hier muss man teilweise schon von Vorsatz ausgehen.
    Entweder sind die Täter völlig dumm ohne jegliche natürliche Allgemeinbildung oder es sind Saboteure.
    Einfach mal Rattenplage auf Youtube suchen.

  14. 11.

    Ich glaube, er bezog sich auf sein Zuhause.
    Aber davon mal abgesehen würde ich meinen Müll trotzdem nicht daneben stellen, weil irgendjemand muss den ja dann wegmachen.

  15. 10.

    Das mit Tauben regelmäßig auch Ratten mitgefüttert werden, lässt sich rund ums Ostkreuz sehr gut beobachten. Schön ist was anderes.

  16. 9.

    Was für eine Frage. In ganz Berlin wimmelt es vor Ratten. Manche sind so fett, dass sie kaum laufen können. Und überalle liegen die schwarzen Köderboxen mit den orangenen Aufklebern. Die meisten dürften zu schlau sein, da rein zu kriechen. Und es liegt überall genügend Müll und täglich frisches Taubenfutter herum.

  17. 8.

    Soviel ich weiß kann man Ratten und Mäuse mit Zwiebeln und Knoblauch etwas fernhalten, sie mögen den Geruch nicht. Deshalb pflanzt man bei jungen Bäumen Zwiebeln mit, um die Wurzeln zu schützen! Das mögen Ratten nicht: Kalk, Essigessenz, Nelkenöl, Pfeffer, Chilipulver, ggf. laute Beschallung, Wind (Ventilator), und natürlich altes Katzenstreu... für den Kompost.
    Ich denke nicht diese Hausmittel sind wirkungslos. Die Ratten gehen dann zum Nachbar.Wenn dort nicht der Fuchs wohnt...

  18. 7.

    Wanderratten stellen ein großes Problem dar. Nach wie vor sind sie Überträger verschiedener Krankheiten. Auch aus Naturschutzgesichtspunkten sind sie problematisch, da sie z.B. Eier und Jungvögel fressen. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass es sich bei der Wanderratte um ein invasives Neozoon handelt, das weltweit schon zum Aussterben vieler Arten beigetragen hat.

  19. 6.

    Also wenn ich keinen Mülleimer finde, nehme ich meinen Abfall mit nach Hause und werfe ihn in meine Mülltonne. Wo ist das Problem?

  20. 5.

    Das ist wie mit den Wildschweinen in Kleinmachnow. Ein vernünftiges Nebeneinander ist möglich! Man füttert keine Wildtiere, übrigens auch keine Tauben. Den possierlichen Waschbären lässt man im Schuppen, nicht im Wohnzimmer. Essensreste gehören in die schwarze Tonne, nicht auf den Kompost. Die Katze wird im Haus gefüttert.

    Derk Ehlert war mal hier in KLM in den Kammerspielen und hat ganz vielen Einwohnern haarklein erklärt, wie das geht mit Schweinen, Ratten, Waschbären und co. Aber auch hier scheint es niemand zu beherzigen.... wie soll das in Berlin klappen??

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