Naturschutz vs. Gewinne aus Erneuerbaren - Stadtverordnete wollen Solarpark im Wald bei Hohensaaten verhindern

Di 06.02.24 | 17:56 Uhr | Von Philipp Gerstner
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Wald bei Hohensaaten soll für Solarpark weichen
Audio: Antenne Brandenburg | 06.02.2024 | Philipp Gerstner | Bild: rbb

Kritiker wollen bereits seit Langem einen Solarpark auf einer ehemaligen Armee-Fläche verhindern. Nun schließen sich auch viele Stadtverordnete mit einem Antrag an. Es geht um den Konflikt zwischen Naturschutz und Einnahmen aus Erneuerbarer Energie.

Die Pläne für den Bau eines umstrittenen Solarparks in Hohensaaten (Märkisch-Oderland) stehen auf der Kippe. Einige Stadtverordneten wollen das Projekt jetzt komplett stoppen. Ein entsprechender Antrag wurde bereits bei der Stadtverwaltung Bad Freienwalde eingereicht.

Parteien-Bündnis gegen Solarpark

Im Mittelpunkt steht der mittlerweile zwei Jahre andauernde Streit um ein Waldgebiet. Der Großinvestor Jürgen Lindhorst aus Niedersachen plant, dort eine 250 Hektar große Photovoltaikanlage bauen zu lassen. Außerdem sollte ein Gewerbegebiet entstehen. Doch der Protest von Anwohnern und Naturschützern wurde schnell laut.

Dem schließen sich nun Stadtverordnete mit ihrem Antrag an. Einer von ihnen ist Danny Lenz. Zusammen mit seiner vierköpfigen Fraktion aus mehrerer Parteien und Wählergruppen hat er Mitte Januar das Papier vorgelegt, welches die Planungen für den Park im Wald verhindern soll. "Wir haben eine anderen Entwicklungsvorstellung für die Stadt und da passt es einfach nicht, Wald für eine Photovoltaikanlage abzuroden", sagt Lenz.

Das Vorhaben sei nicht genehmigungsfähig, heißt es in dem Antrag, denn erst im Dezember habe Umweltminister Axel Vogel (Grüne) im Landtag wiederholt, dass aus forstrechtlicher Sicht bei der Planung des Vorhabens zu berücksichtigen sei, dass eine Umwandlung von Wald für die Errichtung von Photovoltaikanlagen grundsätzlich ausgeschlossen sei. Auch die Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt bestätigt, dass dem Vorhaben mehrere Paragraphen des Bundesnaturschutzgesetz entgegenstünden.

Deshalb heißt es in dem Antrag der Stadtverordneten weiter: "Das B-Plan-Verfahren fortzuführen hieße, eine Planung in mehrere Verbotslagen hinein und wäre sowohl für die Stadt als auch für den Antragsteller mit einem weiteren hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden."

Die Meinung der Stadtverordneten hat sich geändert

Im Dezember 2021 entschieden sich die Stadtverordneten von Bad Freienwalde noch mit großer Mehrheit für die Aufstellung eines Bebauungsplans für den "Energie- und Gewerbepark Hohensaaten". Eine Entscheidung zu Gunsten des Projektes sei damit allerdings noch nicht gefallen, so der Vorsitzende der SVV Jörg Grundmann (Linke). Vielmehr sollten damit lediglich die Machbarkeit und Chancen geprüft werden. Für das Projekt sprachen vor allem Einnahmen durch Gewerbesteuer und den erzeugten Strom im Wert von bis zu 500.000 Euro jährlich.

Doch auch der Protest wurde schnell laut. Auf mehreren Bürgerversammlungen wurde teils lautstark diskutiert. Im Raum stand die Verkleinerung der Solaranlage und Windräder. Auch mussten im Rahmen des Bebauungsplans alle Träger öffentlicher Belange Ihre Einschätzung abgeben.

Antragssteller Danny Lenz kommt nach der Sichtung jetzt zu dem Schluss: "Wir sind die ganzen Unterlagen intensiv durchgegangen und das Resultat kann dann eigentlich nur sein, diesen Beschluss aufzuheben". Auch wenn der Stadt ohne Solarpark und Gewerbegebiet hohe Einnahmen verloren gehen, fühle er sich für die nachfolgenden Generationen verantwortlich. "Es geht um eine 370 Hektar große Waldfläche. Dadurch würden sich Lebensbedingungen für die Menschen vor Ort verändern, das regionale Klima und ganze Ökosysteme würden darunter leiden. Das kann man nicht mit Geld aufwiegen", so Lenz.

Ein Artenschutzfachbeitrag lieferte letzte Überzeugungsarbeit

Der Wert des Waldes ist umstritten. Für Investor Jürgen Lindhorst ist das Gelände nur ein künstlich angelegter Fichtenwald, der im Zweiten Weltkriege zur Sprengstoffherstellung und zu NVA-Zeiten als Tanklager genutzt wurde. Außerdem ist ein Teil des Waldes bereits versiegelt. Denn auf dem Gelände gibt es Bahntrassen, ungesicherte Bunkeranlagen und Schächte. Um Gefahren für Spaziergänger zu vermeiden, ist der Wald seit Jahrzehnten umzäunt.

Doch genau darin liegt der große Wert, heißt es von Naturschützern. Da der Wald jahrelang von der Außenwelt abgeschirmt blieb, hätte sich die Natur dort ungestört entwickeln können. Ein Artenschutzfachbeitrag vom vergangenen Juli zeigt, dass in dem Wald 60 Brutvogelarten leben, von denen rund die Hälfte einen besonderen Schutz- und Gefährdungsstatus haben. Außerdem konnten 14 Fledermausarten verzeichnet werden von denen einige als stark gefährdet gelten.

Dieses einzigartige Habitat soll erhalten bleiben, meint auch die mit sechs Stimmen größte Fraktion aus "Wählervereinigung 2019", der FDP und den "Inselgemeinden". Die Fraktion möchte geschlossen für den Stopp des Solarparks abstimmen. Fraktionsvorsitzender Detlef Malchow (Wählervereinigung 2019) meint, dass sich gezeigt habe, dass gerade die Konversionsfläche mit den Bunkern das ideale Biotop für Fledermäuse sind. "Also warum sollten wir das alles durch Photovoltaik gefährden?", fragt Malchow.

Auch die vier Stimmen starke Linken-Fraktion und die dreiköpfige Fraktion der CDU möchte sich gegen den Solarpark und das Gewerbegebiet aussprechen. Paul-Eric Lipinski von der CDU glaubt nicht, dass die Vorteile einer Photovoltaikanlage überwiegen. Zwar werde Strom umweltfreundlich produziert und es würde zusätzliche Gewerbeeinnahmen geben -dies stünde jedoch den Folgen massiver Waldrodung gegenüber. "Wir machen den Vorschlag, erst bereits versiegelte und bebaute Flächen, wie Sporthallen, das Rathaus und so weiter, zu nutzen, bevor man an Waldflächen geht", so Lipinski.

Abstimmung über die Zukunft des Solarparks im März

Zum Vorteil kommt den Stadtverordneten auch, dass die Regionale Oderland-Spree den Wald bei Hohensaaten im "Teilregionalplan Erneuerbare Energien" in der vergangenen Woche nicht zum Vorranggebiet für die Windenergie ausgewiesen hat. Sonst hätte der Investor bei Ablehnung des Solarparks auch ohne Erlaubnis der Stadt Windräder in den Wald bauen können.

Die Stadtverordneten sollen nun am 14. März über den Aufhebungsantrag abstimmen. Sollte es zu einer Aufhebung des Bauplanverfahrens kommen, soll Lindhorst vorgeschlagen werden, das Gelände an das Land Brandenburg zu verkaufen. Der Wald könnte dann zukünftig in ein Wildnisgebiet umgewandelt werden. Das sei aber eine Verhandlungssache zwischen dem Investor und dem Land, meint Detlef Malchow. Lindhorst sei zwar über den Aufhebungsantrag informiert worden. Ob er das Gelände wirklich verkaufen möchte, dazu wollte sich sein Pressesprecher noch nicht äußern.

Sendung: Antenne Brandenburg, 06.02.2024, 14:10 Uhr

Beitrag von Philipp Gerstner

19 Kommentare

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  1. 19.

    Kann mir mal jemand verraten, was den Park an einem Solarpark ist?

  2. 18.

    Ich bin immer wieder erstaunt, wie erneuerbare Energien ohne vernünftige Rahmenbedingungen durch Gesetze gedacht wird.
    Da existiert eine 370 ha (259 Fußballfelder) große CO2-Senke und man will die gegen eine vermiedene CO2-Quelle eintauschen??

    Dass das bereits emittierte CO2 in irgendeiner Form aus der Atmosphäre muss, sollte sich längst rumgesprochen haben. Es reicht längst nicht mehr nur weniger CO2 zu emittieren.
    Also wer regenerative Kraftwerke gegen bereits vorhandene natürliche CO2-Senken tauscht, hat den Knall nicht gehört. Und dazu muss man sich noch nichtmal der Totschlagskeule eines intakten Biotops bedienen.

  3. 17.

    Daumen hoch an Hohensaaten und Umgebung! Handeln mit Verstand und der Zukunft im Blick. Bereits versiegelte Flächen nutzen anstatt der Gier nachzugeben. Wirklich gut! Ich sehe dort auch eine Kiefernforst aber wenn der natürliche Waldumbau zugelassen wird oder etwas gepläntert wird um nachzuhelfen ist das ungleich besser als die Rodung von naturnahen Forstbeständen. Das gilt auch für Photovoltaik auf Agrarflächen.
    P.S.: Eingriffe zur Altlastensanierung können auch schonend durchgeführt werden.

  4. 16.

    Wenn die Auseinandersetzung dazu führt, dass das Nichtstun keine Alternative ist, dann kann die Gemeinde einen schaffenden Nutzen daraus ziehen. Denn sie wurde gezwungen sich Gedanken zu machen.

  5. 15.

    Wieder einmal wird das Ziel verkündet ohne sich Gedanken zu machen wie das erreicht werden soll.
    Autos, Heizung usw. alles nur noch mit Strom betreiben… und ups wo soll denn der herkommen.
    Naja vielleicht dreht man das Ganze mal… wir haben X-Menge an Strom damit kann man nur eins umsetzen.
    Wäre mal was neues als unrealistische Ziele zu verkünden.

  6. 14.

    Und wieder einmal Unsinn. Wald abholzen im Namen des Klimaschutzes. Dabei wäre es eine wirksame Maßnahme, endlich mal aufzuforsten. Und wenn jemand glaubt dem Investor ginge es ums Klima kann es einem nur leid tun, dem geht es nur um Profit. Lindhorst ist übrigens einer der bei vielen so verhaßten Agrar-Industriellen.

  7. 13.

    Und wieder einmal heisst es: Not in my backyard. Wenn wir jedoch saubere Energien wollen, müssen wir entsprechend Flächen nutzen!

  8. 12.

    Vielleicht könnte das abgesperrte Areal wirklich nicht bewirtschaftet werden, sondern einfach sich selbst überlassen werden

    Wo gibt's denn so was, überhaupt, in Deutschland?

  9. 11.

    Sollen sie die zellen doch einfach auf eines der tausend umliegenden Felder platzieren. Bei Tesla hätte man das gleiche machen können.

  10. 10.

    So ist das mit Investitionen, interessant wäre, zu welchem Preis das Objekt erstanden wurde. Das wird jetzt bestimmt sehr viel teurer, weil der Investor natürlich Gewinn machen möchte. Vlt sollte der Ort/Landkreis nächstes mal besser überlegen, welche Flächen er an wen abstößt! Erst verkaufen und dann eine Nutzung verweigern, ist schon fies!
    Ansonsten kann ich den Anwohnern nur viel Erfolg wünschen! Die Rodung dieses Habitats wäre ein massiver Eingriff und definitiv destruktiv. Es gibt hier in der Region so viele Flächen die frei sind, relativ preiswert, wenn verfügbar und nach Windkarte vorteilhafter! Unsere Wälder sind unsere Schätze!
    Das Argument von Heidekind sollte jedoch auch nicht vergessen werden! Wenn es eine Kontamination mit Gefahrenstoffen gibt, so sollten diese entfernt werden!
    Am besten vom letzten noch erreichbaren Verursacher!
    Endlich ein sinnvoller Einsatz des BW Sondervermögens!

  11. 9.

    Es gibt immer noch genug Brachland, wo Solaranlagen durchaus hinpassen. Einen Wald dafür zu roden, ... Wenn das in Brasilien passiert, regen sich alle zurecht auf.

  12. 8.

    Heidekind sie haben ja so recht, Umweltfrevler sind unersättlich, nicht einmal ein mit Munitionsresten belastetes, ehemaliges Militärgelände noch Verdichtungs-, Tank-, Treib- und Schmierstofflager schützen unsere heimische Kiefer und die mit ihr vergesellschaftete Floren- und Faunengemeinschaft vor Zugriffen von profitgierigen Finanzhyänen. Ein zwielichtiger, sogenannter Investor beabsichtigt in Hohensaaten das über viele Jahrzehnte gewachsene Ökosystem plattzumachen, um seine profane Geldgier zu befriedigen. Die Natur hat keine Möglichkeit dem Zugriff auszuweichen und sich zurückzuziehen. Deshalb sollte dem Übeltäter, der 250 bis über 400 ha Wald mit Solarkollektoren überziehen will, eine gehörige Abfuhr erteilt werden. Schon allein der Gedanke solch eine Anlage an der anvisierten Stelle errichten zu wollen ist als verwerflich einzustufen und sollte deshalb geächtet werden.

  13. 7.

    Man darf Naturschutz und Umweltschutz nicht durcheinanderwürfeln. Die Flache war sich selbst über lassen, die Natur hat sie sich zurückgeholt. Wenn man das jetzt bewahren will ist das Naturschutz. Selbstverständlich.

  14. 5.

    Ergänzung: ich hoffe, dass der Meinungsumschwung der Politiker nichts mit Desinformationskampagne von Vereinen wie "Gegenwind" oder Medien wie NIUs zu tun haben....

  15. 4.

    Schön zu lesen, dass man Brachfläche mal Brachfläche sein lassen kann. Hoffe, dass Areal kann man dauerhaft vor (erneuten) menschlichen Eingriffen schützen. Optimal wäre es, wenn man dem Investor Ausgleichflächen anbieten kann. Gibt's die vielleicht bei bestehenden Gewerbegebieten? Günstige Energie ist schließlich im Interesse der (regionalen) Wirtschaft.

    PS: kenne das Rathaus nicht, aber kann man da wirklich Solarpanel in entsprechender Anzahl / Größe anbringen?

  16. 3.

    Ein belastetes Militärgelände mit "explosiver Vergangenheit", später Treib- und Schmierstofflager der NVA, danach durch die BW als Verdichtungslager(also salopp Schrottplatz) genutzt, zugleich auch Tanklager. Die Möglichkeit der Grundwasserkontermination besteht. Das garniert mit super brennbarer Kiefer und Munitionsresten im Boden - wie war das mit den "Wäldern" bei Jüterbog 2023?
    Für die Öffentlichkeit nicht nutzbar, Sperrgebiet, eingezäunt, weiter gammeln lassen. Eine seltsame Auffassung von Naturschutz.

  17. 2.

    Ich wünsche Allen Durchstehvermögen, bei dem zu erwartenden Shitstorm, der jetzt losbrechen wird.

  18. 1.

    Der Artikel zeigt eindrücklich, dass es nur ums Geld geht, bei der Überlegung volatile Erzeugungsanlagen in quasi Naturhabitate zu betonieren. Es ist tröstlich zu sehen, dass ein kleiner Funke an Realitätsbewusstsein noch leuchtet, in wenigen Köpfen. Danke.

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