Zwischen Schildow und S-Bahnhof Tegel - 16-Jähriger plant neue Buslinie X26
Der Umstieg vom Auto auf den ÖPNV ist vielerorts nicht einfach: Im Speckgürtel oder auf dem Land fehlen oft die geeigneten Verbindungen. Ein 16-jähriger Schüler aus Berlin-Frohnau nimmt die Sache nun selbst in die Hand. Von Karsten Zummack
Applaus brandet auf, als der extra angemietete gelbe Doppeldeckerbus aus der Wendeschleife Richtung Haltestelle abbiegt. Etwa 200 Menschen sind zur privat organisierten Probefahrt des X26 zur Schildower Dorfkirche gekommen. Viele schießen Erinnerungsfotos. Menschenmassen drängen in den Bus. Organisiert hat die Tour von Schildow (Gemeinde Mühlenbecker Land) über Glienicke/Nordbahn bis zum S-Bahnhof Berlin-Tegel Ben Hennig.
16-Jähriger aus Frohnau hatte Idee für Buslinie X26
"Es ist unglaublich, wie viele Leute gekommen sind", staunt der 16-jährige Gymnasiast. Er ist aufgeregt wie vor einer wichtigen Klausur und steht heute im Rampenlicht. Immer wieder muss er gemeinsam vor dem Traditionsbus für Selfies parat stehen, Hände werden geschüttelt. Der Schüler selbst hatte den Bus organisiert und zur Probefahrt geladen.
Zwei Jahre lang tüftelte der Schüler aus Berlin-Frohnau an dieser Linie. Zu Hause am Computer jonglierte er mit Landkarten, Fahrplänen, Tabellen und Uhrzeiten — ein außergewöhnliches Hobby für einen gerade erst 16-Jährigen.
Neue Expresslinie zwischen Schildow und Tegel geplant
"Viele Freunde haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass es Probleme gibt, wenn man in die Stadt will“, erklärt Hennig den Impuls für das Engagement. Er wollte nicht nur klagen, sondern selbst auch etwas bewegen für den ÖPNV. Aus einer "anfänglichen Spielerei" wurde Ernst. Der junge Mann nahm Kontakt mit Fachleuten auf, spielte Verbindungen wieder und wieder durch.
Und so entwickelte er eine Expressbuslinie dies- und jenseits der nördlichen Berliner Stadtgrenze. Die Idee:
- Der X26, so der Arbeitstitel, startet in Schildow auf der Route des bestehenden 806er-Busses — mit leicht veränderter Linienführung.
- Anstatt wie bisher am S-Bahnhof Hermsdorf zu enden, würde er weiterrollen über die Station U-Bahnhof Alt-Tegel bis zum S-Bahnhof Tegel.
- "Es wäre kein großer Mehraufwand, sondern eine Verschiebung der bisherigen Fahrzeuge", wirbt der 16-Jährige für sein Konzept.
Rappelvoller Bus zur Premiere im Mühlenbecker Land
Mit den zuständigen Verkehrsbetrieben BVG und OVG in Oberhavel hat er bereits Kontakt aufgenommen, zudem Kommunalpolitikern sein Projekt vorgestellt. Vor allem im Infrastruktur-Ausschuss von Glienicke/Nordbahn konnte er überzeugen.
Die Gemeinde finanzierte daraufhin die Anmietung eines Traditionsbusses für die Probefahrt. Wochenlang hatte Ben Hennig für die Tour geworben - mit Erfolg. Schon nach dem Einstieg in Schildow ist der Bus rappelvoll, die 180 Sitz- und Stehplätze sind sofort belegt. "Ich weiß gar nicht, was ich machen soll an den Haltestellen, wo die ganzen Leute stehen", sagt Fahrer Frank Woschczytzky. Tatsächlich muss Organisator Ben Hennig die vielen Interessierten immer wieder abweisen, es passt niemand mehr rein.
Trotzdem erntet er an den Stationen immer wieder Beifall für seine Idee. Am Straßenrand stehen überall Hobby-Fotografen, um Bilder von dem alten Doppeldeckerbus mit der Nummer X26 zu schießen.
Offenbar kommt die Idee des Schülers gut an — auch bei den Kommunalpolitikern aus den Orten, wo der geplante Bus halten könnte. "Das ist eine Riesen-Leistung für einen 16-jährigen jungen Mann", lobt die Vizebürgermeisterin von Glienicke/Nordbahn, Jana Klättke (parteilos). Und der Gemeindechef von Mühlenbecker Land, Filippo Smaldino (SPD), zollt dem ehrenamtlichen ÖPNV-Planer ebenfalls "Respekt und große Anerkennung". Auch die Fahrgäste der Probetour sind begeistert, obwohl die Luft in dem überfüllten Bus recht dünn ist an diesem Mittag. "Gerade dass die Jugend sich für so was einsetzt, finde ich schon mal gut", sagt Gabi Bauermeister aus Schildow. Von einer "tollen Idee" spricht ihr Banknachbar Jürgen Vogt aus Berlin-Lübars.
Neue mögliche Buslinie X26 - Politik und Verkehrsbetriebe gefragt
Nun muss die Idee geprüft werden, heißt es von der Oberhavel Verkehrsgesellschaft (OVG). Sie müsste das Projekt gemeinsam mit der BVG in Berlin auf die Straße bringen. Dort verweisen sie allerdings an das Land Berlin sowie den Kreis Oberhavel. Denn am Ende müssen die solche ÖPNV-Angebote finanzieren und in Auftrag geben. Und das Geld ist natürlich knapp und die Begehrlichkeiten sind auch in anderen Regionen immens.
Der Bürgermeister von Mühlenbecker Land zeigt sich daher durchaus skeptisch, was die schnelle Umsetzung der Buslinie angeht. Aber "das darf man nicht nur einfach so liegen lassen, damit muss man sich beschäftigten", so Smaldino. Mit der Probefahrt hat der 16-jährige Ben Hennig aber zumindest kräftig getrommelt für seinen X26. Für den Herbst hat er bereits ein Treffen mit BVG und OVG verabredet.
Sendung: rbb24 Abendschau, 22.06.2024, 19:50 Uhr
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