Berliner Erzieher über ihren Arbeitsalltag - "Die pädagogische Arbeit kommt häufig zu kurz"

Mo 08.07.24 | 10:14 Uhr
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Symbolbild: Kinder spielen in einer Kita. (Quelle: dpa/Skolimowska)
Bild: dpa/Skolimowska

Am Montag tritt das Personal der landeseigenen Kitas in einen fünftägigen Streik. Es geht ihnen um bessere Arbeitsbedingungen. Drei Erzieherinnen und ein Erzieher erzählen aus ihrem Arbeitsalltag.

An den Berliner Kitas soll ab Montag fünf Tage lang gestreikt werden, dazu hat die Gewerkschaft Verdi aufgerufen. In den vergangenen Monaten haben die Erzieherinnen und Erzieher bereits mehrfach gestreikt. Hintergrund ist die Personalsituation in den 280 landeseigenen Kitabetrieben: Die Beschäftigten klagen seit Jahren über die enorme Belastung und Einschränkungen bei der pädagogischen Arbeit. Vier von ihnen berichten rbb24, was sie belastet.

Simone

Ich arbeite seit 36 Jahren als Erzieherin in verschiedenen Eigenbetrieben. Zusätzlich habe ich seit elf Jahren die Qualifikation als Integrationserzieherin.

In meinem Alltag erlebe ich, dass insbesondere Kinder unter der aktuellen Situation leiden. So werfen die ständigen "Zwangspausen" (verkürzte Öffnungszeiten, Gruppenschließungen) auf Grund von Personalmangel diese Kinder zurück. Sie müssen sich jedes Mal neu eingewöhnen.

Zudem kann ich meine Arbeit kaum durchführen, da ich häufig für die ganze Gruppe allein zuständig bin und sich mein Fokus verändert. Eine kontinuierliche Arbeit an und mit den Kindern, denen ich zur Seite gestellt bin, ist nicht möglich, da ich andere Aufgaben mitübernehmen muss, damit die Gruppe offenbleiben kann. Oft sind zusätzlich noch Kinder aus anderen Gruppen zu betreuen.

Viele Kinder mit Integrationsstatus bleiben zu Hause, da in Notbetreuungssituationen keine sichere und richtige Betreuung, geschweige eine Förderung durch mich möglich ist.

So stelle ich mir meinen Beruf nicht vor, da ich mit Leib und Seele Facherzieherin bin und den Kindern helfen möchte. Ich bin frustriert und enttäuscht, dass ich die Entwicklung der Kinder nicht so unterstützen kann, wie sie es dringend benötigen.

Anne

Ich arbeite seit fast zwölf Jahren beim Kitaeigenbetrieb Nord-Ost. Laut Statistik, also das, was auf dem Papier steht, ist meine Kita personell gut aufgestellt, sehr gut sogar. Trotzdem müssen wir gerade die fünfte Woche in Folge aufgrund von Personalmangel eine unserer Gruppen aufteilen - und das in der sensiblen Phase der Umgewöhnung der Nestkinder in den Elementarbereich.

Aber wie sollen sich die Kinder an ihre neue Gruppe gewöhnen, wenn diese im ganzen Haus verteilt ist? Ganz zu schweigen von der Mehrbelastung für Kinder und Pädagogen in den noch volleren Gruppenräumen. Das zeigt, dass das Papier einfach nicht die Realität abbildet.

Muss ich die Kinder mit ihren Wünschen und Erwartungen wieder vertrösten?

Gabi

Gabi

Ich arbeite beim Kitaeigenbetrieb Süd-West von Berlin als Fachkraft für Inklusion und Teilhabe. Mein Arbeitstag in der Kita beginnt mit der Frage: Sind heute genug Kolleg:innen im Haus, damit ich meinem pädagogischen Bildungsauftrag nachkommen kann, oder ist es wieder aufbewahren?

Muss ich die Kinder mit ihren Wünschen und Erwartungen wieder vertrösten? Schaffe ich es heute, mich um die Kinder mit A- und B-Status [erhöhter und wesentlich erhöhter Förderbedarf] in meiner Gruppe zu kümmern und die Dokumentation zu schreiben?

Eltern, denen ich ihre Kinder übergebe und ihnen sagen muss: Wir konnten unsere Tagesplanung leider nicht durchführen, da nicht genug Kolleg:innen im Haus waren. Traurig, aber leider die Realität.

Max

Ich arbeite seit fünf Jahren in einem Berliner Eigenbetrieb, wo ich auch meine Ausbildung gemacht habe. Vor einigen Wochen habe ich die Qualifikation als Integrationserzieher erfolgreich abgeschlossen. In unserer Gruppe betreuen wir 26 Kinder, einige ohne und einige mit erhöhtem Förderbedarf.

Im Alltag erlebe ich häufig frustrierende Momente. Ausflüge oder Feste fallen aufgrund von Personalabwesenheiten aus oder müssen stark verkürzt werden. Auch die pädagogische Arbeit, die elementar für die frühkindliche Entwicklung ist, kommt häufig zu kurz. Wenn anstelle von vier Mitarbeitern nur zwei dauerhaft da sind, verwundert das kaum.

In meiner Gruppe ist ein Kind mit frühkindlichem Autismus, das stets besonders betreut werden muss. Da das aufgrund der dauerhaft angespannten Personalsituation nicht immer möglich ist, entsteht ein enormes Gefahrenpotenzial. So ist es auch dazu gekommen, dass das Kind Dinge wie Kleber, Knete oder Farbe in den Mund nehmen wollte.

Wenn das Kind mit Autismus eine Eins-zu-eins-Betreuung benötigt, steht meine Kollegin mit 25 Kindern allein da. Das ist ein absolut fürchterliches Gefühl, denn ich kann mich leider nicht zweiteilen. Auf der einen Seite steht das besondere Kind und auf der anderen Seite 25 teilweise sehr herausfordernde Kinder, die ebenfalls ein Recht auf Bildung und Gesundheit haben.

So stelle ich mir meinen Beruf nicht vor. Ich bin mehr als enttäuscht und frustriert darüber, dass ich die Entwicklung der Kinder nicht dort unterstützen kann, wo sie es benötigen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.07.2024, 19:30 Uhr

42 Kommentare

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  1. 42.

    Und nicht die Sprache lernen wollen und sich dann über manche Töne wie wenn ihr eh kein Deutsch lernen wollt wundern. Hast erst mal nix mit Rechts zu tun. Fehlt bloß noch, dass das in den Kindergärten auch noch zum Problem wird. Ich kenne bis jetzt nur Kitakinder/Schulkinder, die besser Deutsch als es Ihre Eltern können. Kommt anscheinend drauf an auf welchem Wege Sie sich integriert haben und es sollte machbar sein Kindern und Erwachseben Deutsch beizubringen. Egal wie der Aufenthaltsstatus ist. Je früher desto besser. Denn wenn danach geht wer eigentlich hier sein dürfte. Ein Land alleine schaft es nicht, aber Koordination innerhalb Europas Fehlanzeige.

  2. 41.

    Hallo Wolfram,
    Während der Streiks kann nicht pädagogisch gearbeitet werden. Das ist klar und haben Sie richtig verstanden. Aber leider ist es mehr und mehr die Regel als die Ausnahme, dass während des Kitajahres eigentlich nur geschaut wird, wie jedes Kind sauber und unverletzt den Eltern übergeben werden kann. Und damit meine ich nicht, die normale Erwartung. Ich meine, dass es absolute Krisen gibt, wo nicht mehr jedes Kind im Blick war. Es kleinere Unfälle mit Beulen gab oder man es schlicht weg nicht geschafft hat, die Windel vor dem Auslaufen des Urins und Kots zu wechseln.

    Sie mögen die Streiks als solches nicht Befürworten. Das ist ihr Recht. Die Lebensrealität von Kindern und Erzieher:innen ist in den letzten Jahren untragbarer geworden. Meine Bemühungen als Elternvertreter:in sind mit den Erzieher:innen ins leere gelaufen. Deswegen haben andere Menschen das Recht, die Streiks gut zu finden und zu machen.
    Lg

  3. 40.

    Danke für die vielen Stimmen der Fachkräfte, die natürlich zeigen, dass wir erhebliche Probleme in den Kitas haben... Nicht in den Brennpunkten, wie zuletzt im Abgeordnetenhaus zu hören, sondern überall in der Stadt. Traurig stimmt mich, wie rückwärtsgewandt hier einige Argumentieren/Schreiben und weil man eh schon immer was gegen Gewerkschaften hatte, sind dann eben auch die Forderungen, die AUCH den Kindern zu Gute käme, nicht unterstützenswert... Verrückt. Mein Kind geht jetzt in die Kita und es ist jetzt sein Recht gebildet und liebevoll und vor allem sicher betreut zu werden. Da muss ich kein Gewerkschaftsfan sein, Verdi bzw die Fachkräfte fordern etwas, was meinem Kind zu gute käme - ALLE anderen Akteure machen genau gar kein Angebot für eine Lösung! Das ist inakzeptabel und deswegen sind die Streiks das richtige Mittel.

  4. 39.

    Herr Falko Liecke sorgen sie lieber dafür das die Erzieherinnen in den Kitas mindestens nach Tarif bezahlt werden ! Berlin : 80 % der Kitas wurden vom Senat ausgesondert und in sogenannte Freie Träger gegeben ! Fast alle dieser Erzieherinnen in den Freien Trägern verdienen weit aus weniger als ihre Kolleginnen beim Senat ! ( Laut Gewerkschaft GEW ) ! Das macht bei den meisten Erzieherinnen mehre Tausend Euro im Jahr aus ! Urlaubsgeld , Weihnachtsgeld , oder das 13. Monatsgehalt ist bei den Freien Trägern oft ein Fremdwort ! Übrigens fehlen viele tausend Erzieherinnen in Berlin auf dem Arbeitsmarkt ! Bei solchen Verhältnissen braucht man sich wohl darüber nicht wundern !

  5. 38.

    Ich finde den Streik berechtigt und sinnvoll für die zu betreuenden Kinder. Und um den Forderungen zu mehr Nachdruck zu verhelfen, sollte sich Verdi ein paar Trecker ausleihen. Das hat bei den Bauern auch geholfen.

  6. 37.

    Warum bietet man so eine Betreung an, wenn sie für Kinder mit Beeinträchtigungen nicht gewährleistet werden kann? Dann müsste man noch jemanden für die anderen Kinder einstellen. Wie läuft die Betreuung in diesen Kindergärten ab, die sich nur um solche Kinder kümmern? Für jedes Kind ein Erzieher haben die bestimmt auch nicht. Fällt mir noch ein da gab's auch Begleiter die sich in der Schule bzw Kita um solche Kinder kümmern können oder möchte man mit dieser Weiterbildung Kosten sparen und extra Betreuer für Kinder mit Behinderung bzw Beeinträchtigung wieder abschaffen? Hab jetzt aber keine Ahnung an welcher Stelle die Kita die Kraft anfordern kann, weiß nut das es sowas gibt.

  7. 36.

    Würden die (Er) Zeuger der Kinder mehr Wert auf Qualität legen, dann hätten wir diese Probleme heute nicht !

    Kinder als Funktionsorgan der eigenen Daseinsvorsorge zu betrachten, als so gewünschtes Vermittlungshindernis... als Alimentierung des eigenen Lebensstandards bereits heute. DAS ist die URSACHE !

    Der Mangel an Erziehern/Ergänzungskräften ist hier nur ein Sympthom !

  8. 35.

    Wenn die Einrichtungen wert auf Qualität legen würden, würden sie insgesamt weniger Kinder aufnehmen und insgesamt auch kleinere Einrichtungen bauen…

    Jede Einrichtung mit mehr als 40 Kindern ist bereits zu groß und kommt eher einer Fabrik gleich.. als einer Einrichtung der Frühkindlichen Bildung … Es geht nur um Geld, Nicht um die Kinder !!! Traurig…

  9. 34.

    Eine Alternative wäre:
    Alle Eltern, die Kinder Kitas haben und beim Senat oder in den Bezirksämtern angestellt sind,sollten im Sinne ihrer Kinder streiken und damit Teile der Verwaltung lahmlegen. Dann wäre der Senator vielleicht eher bereit, Gespräche zu führen und zu Lösungen zu suchen. Die Eltern würden die Forderungen der Erzieher übernehmen, denn schließlich sind sie doch diejenigen, die das größte Interesse an der Bildung ihrer Kinder haben. Die Kitas könnten weiter geöffnet bleiben.

  10. 33.

    .......Sie brauchen sich bei mir keine Mühe zu geben, ich kann jede Schreibweise akzeptieren. Mir fällt das nicht schwer. Sie stört es anscheinend.

  11. 32.

    Also auch ein Plädoyer für die gemeinnützige Arbeit ?

    Als was anderes ist dieser Streik ja wohl nicht zu verstehen.

    Da werden ja nun selbst bei 6 Monaten Streik kaum 100 000 fertige Erzieher aus Bangladesch oder sonstwo eingeflogen, um den Mangel an Erziehern zu kompensieren (dann gäbe es ja auch zudem noch weniger Geld).

    Ich finde, man sollte das mal ausprobieren. Eltern die keiner Tätigkeit nachgehen können sicher nach Anleitung auch mal nen bio-FrüchteTee aufbrühen, stühle und Tische ordnen, oder ne Hose wechseln.

    Und wenn einer von 100 dann zum Erzieher taugt dann ist das auf 100 gesehen einer mehr als bisher !

  12. 31.

    „Eine andere Sichtweise akzeptieren zu können, würde ich als tolerant bezeichnen. Immer wieder auf der eigenen herumzureiten eher als dogmatisch.“
    Der richtige Plural ist nie dogmatisch. Er ist wunderbar einfach. Sagen die Profis (Sprachwissenschaftler und Lyriker).
    Aber es gibt auch einen Zeitgeits, der den richtigen Plural NICHT aushebelt:
    Besuchergruppe – Gäste; Ansprechpartner – Kontakt; Expertentagung – Fachtagung; Nutzerordnung – Nutzungsordnung; Teilnehmerliste – Anwesenheitsliste usw.

  13. 30.

    „Eine andere Sichtweise akzeptieren zu können, würde ich als tolerant bezeichnen. Immer wieder auf der eigenen herumzureiten eher als dogmatisch.“
    Der richtige Plural ist nie dogmatisch. Er ist wunderbar einfach. Sagen die Profis (Sprachwissenschaftler und Lyriker).
    Aber es gibt auch einen Zeitgeits, der den richtigen Plural NICHT aushebelt:
    Besuchergruppe – Gäste; Ansprechpartner – Kontakt; Expertentagung – Fachtagung; Nutzerordnung – Nutzungsordnung; Teilnehmerliste – Anwesenheitsliste usw.

  14. 29.

    Ich kann die Berichte nur bestätigen. Da ist man an zu vielen Tagen einfach nur froh Nachmittags alle Kinder (halbwegs) heile wieder an die Eltern übergeben zu können.
    Sprachförderung - wenn man in der Woche es schafft mal mit jedem Kind nen Satz gewechselt zu haben, hat man ja schon Glück. Zeit für vorlesen oder Bastelangebote oder Singspiele fehlt einfach, weil man gleichzeitig immer noch weitere parallele Aufgaben hat. Und das ist frustrierend und mehr Erzieher gibt es nicht...

  15. 28.

    .....Sie haben hier aber keinen Erziehungsauftrag oder doch? Ich habe jedenfalls das Gefühl, Sie suchen nur nach dem ersten Wort in jedem Artikel, was gegendert geschrieben steht und schon geht es bei Ihnen los. Anscheinend tun Sie sich schwer damit, andere Sichtweisen als Ihre eigene einfach mal zu akzeptieren. Eine andere Sichtweise akzeptieren zu können, würde ich als tolerant bezeichnen. Immer wieder auf der eigenen herumzureiten eher als dogmatisch.

  16. 27.

    Er bringt doch absichtlich immer solche absurden Wortkreationen, damit so viele wie nur irgend möglich darauf einsteigen ;)

  17. 26.

    Ich habe nicht damit angefangen. Im Artikel ist das falsche Deutsch ausgerechnet im Zusammenhang mit einer Bildungseinrichtung (!) verwendet worden. Fas passt nun gar nicht. Finden auch die Eltern. Sie kennen die Umfragen? Auch das ZDF weiß davon...

  18. 25.

    .........Gendern ist hier doch überhaupt nicht das Thema. Warum machen Sie es dennoch zu einem? Ich bin der Meinung, Sie machen hier einen vollkommen unnötigen Nebenschauplatz auf.

  19. 24.

    Stellen Sie sich vor, meine Kinder benutzen die von Ihnen so verabscheute Sprache. Denen ist nämlich klar, dass ein Fahrradständer im Gegensatz zum Menschen kein Bewusstsein hat, insofern auch keinen Wert darauf legt. Daher könnte ihr Beispiel nicht dämlicher sein und zeigt, wie wenig sie dieses Thema reflektiert haben, welches sie hier so hochhalten. Nun, bei Menschen ist das anders. Es gibt, glauben sie es oder nicht, Menschen, denen es wichtig ist, dass nicht nur die männliche Form genannt wird. Darauf zu achten erfordert nicht viel, dass haben selbst meine Kinder schon begriffen, ohne mein zutun. Sie gehen vlt. jeden Tag zur Arbeit und sprechen alle Mitarbeitenden mit einem freundlichen: "Tach, Kollege!" an, oder wie ist das? Ansonsten ist der Doppelpunkt, den sie hier bemängeln, nur eine Vereinfachung für "Kolleginnen und/oder Kollege". Die Abkürzung beinhaltet beides. Mehr ist hier nicht gemeint, und das ist eigentlich auch gar nicht so kompliziert, oder?

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