Drogen-Hotspot Leopoldplatz - "Das Problem ist nicht gelöst. Es hat sich nur verlagert"
Nach dem Sicherheitsgipfel für den Weddinger Leopoldplatz 2023 sind Verbesserungen sichtbar. Eine Anwohnerinitiative verzeichnet weniger öffentlichen Drogenkonsum. Doch die nächsten Problemkieze kündigen sich schon an. Von Linh Tran
Der Leopoldplatz in Berlin-Wedding gilt als Problemzone: Seit Jahren werden hier Drogen konsumiert und verkauft. Bedenklich finden die Anwohnenden vor allem, dass direkt hinter der Nazarethkirche ein Kinderspielplatz zu finden ist. Eltern kommen mit ihren Kindern zum Spielen auf den Platz. In Sichtweite konsumieren andere Menschen Drogen. Auch das aggressive Verhalten, das mit dem Drogenkonsum einhergeht, macht den Platz zu einem Angstraum.
Vor mehr als einem Jahr schloss sich deshalb die Initiative "Wir am Leo" zusammen, um Politik und Polizei auf das Problem im Kiez aufmerksam zu machen. "Vor drei Jahren fing es an, dass die Anzahl der Leute, die den Platz zum Konsumieren und Handeln nutzen, aus den Fugen geraten ist", sagt Sven Diettrich, Sprecher der Initiative. Zudem habe sich das Suchtmittel verändert. Während vorher Alkohol und Heroin konsumiert worden sei, sei nun vermehrt Crack hinzu gekommen.
Anwohner:innen und Gewerbetreibende forderten vor allem, nicht wegzusehen und dem Leopoldplatz endlich Aufmerksamkeit zu schenken. Die Initiative wünschte sich mehr Ressourcen für die Sucht- und Kriminalitätsprävention, geschützte Räume für Konsumierende und eine auf die Situation am Leopoldplatz angepasste Polizeiarbeit.
Im September 2023 kam es dann zum Berliner Sicherheitsgipfel im Roten Rathaus, bei dem ein Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit beschlossen wurde - sowohl für den Leopoldplatz als auch für den Görlitzer Park in Kreuzberg. Teilnehmer wie der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD), Polizeipräsidentin Barbara Slowik und die Bezirksbürgermeisterinnen von Mitte, Stefanie Remlinger und Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann (beide Grüne) einigten sich auf konkrete Schritte zur Verbesserung des Platzes. Dazu gehörte zum Beispiel die Verstärkung der Einsatzkräfte vor Ort.
"Die meisten aus der Nachbarschaft atmen gerade erleichtert auf"
In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich die Situation am Leopoldplatz etwas verändert. Anwohner:innen berichten dem rbb, es seien mehr Polizist:innen auf dem Platz, die gezielt auf Menschen zu gingen, um sich auszutauschen, aber auch gezielt Drogendealer ansprächen und festnähmen. Der vorgesehene Konsumraum werde auf die unmittelbare Umgebung des Drogenmobils vom Fixpunkt beschränkt. Die Drogenszene habe sich deutlich verkleinert.
Auch Sven Diettrich von "Wir am Leo" sieht deutliche Veränderungen. "Vor einem Jahr hatte man um die 150 Menschen am Tag, die quer über den Tag aufgehalten haben, konsumiert und sich öffentlich Spritzen gesetzt haben, Hauseingänge als Toiletten genutzt haben." Aktuell seien vielleicht zehn oder 20 Konsumierende täglich auf dem Platz.
"Die meisten aus der Nachbarschaft atmen gerade erleichtert auf nach zwei, drei Jahren wirklich großer Belastung", sagt Diettrich. "Es hat viele Menschen mitgenommen, dass in Hausfluren konsumiert wurde, dass sie als Toiletten benutzt wurden."
Die effektivste Maßnahme sei die verbesserte Beleuchtung abends auf dem Platz. "Das war ein großer Angstraum. Durch das Licht fühlen sich viele einfach wieder sicherer", so Diettrich. Im 2023 hatte man bei einem Bürgertreff auch über einen Sichtzaun zwischen dem Kinderspielplatz und dem anliegenden Platz diskutiert, wie die rbb24 Abendschau berichtet hatte. Der wurde bisher nicht umgesetzt.
Auch die vermehrten Diebstähle in der Umgebung seien gefühlt weniger geworden: "Fahrraddiebstähle, Ladeneinbrüche, Briefkästen und Autos wurden aufgebrochen. Das hat sich in den letzten Wochen stark verbessert, einfach weil weniger Menschen auf dem Platz sind," sagt Diettrich.
Gleichzeitig sind solche Probleme natürlich nicht auf einmal verschwunden. Während des Interviews im An- und Verkauf von Sven Diettrich kommt eine Anwohnerin und erzählt, dass ihr vor wenigen Minuten ein Fahrrad gestohlen worden sei.
Tomaten und Kräuter: Der Maxplatz wurde erneuert
Auf dem hinteren Leopoldplatz wurde der sogenannte Maxplatz (angrenzend zur Maxstraße) umgestaltet: Hier stehen neben den vorhandenen Spiel- und Sportplätzen mehrere neue Sitzbänke, Sportgeräte sowie Kräuter- und Gemüsebeete, die von Anwohner:innen genutzt werden können. Der Platz wurde am 4. Mai eingeweiht und seitdem regelmäßig gepflegt.
Diese Umgestaltung war keine Maßnahme im Rahmen des Maßnahmenpakets von 2023. Dennoch sei der Umbau - der seit 2019 mit Anwohner:innen sowie Kindern und Jugendlichen zusammen entworfen wurde - zum richtigen Zeitpunkt gekommen, sagt Diettrich von "Wir sind Leo".
Der Platz würde mit den neuen Angeboten positiv bespielt und dadurch nicht mehr zum Konsum oder Handel genutzt werden. Anwohnende nutzten ihn regelmäßig.
Die Meinungen zum Leopoldplatz sind gemischt
Am vorderen Leopoldplatz - direkt am Ausgang des U-Bahnhofs Leopoldplatz sind sich die Bürger:innen nicht ganz einig, ob die Veränderungen der letzten Wochen langfristige Folgen haben werden.
Harun, der täglich Kaffee direkt am U-Bahn-Ausgang verkauft, sieht die Drogenszene und die damit verbundenen Agressionen noch immer als Hauptroblem am Leopoldplatz und vergleicht sie mit dem Wetter: "Mal ist es besser, mal schlechter". Groß verändert habe es sich für ihn jedoch nicht - auch nicht mit der Polizeipräsenz. "Solange die Polizei da ist, ist alles gut, aber die können hier ja auch nicht ständig sein."
Morgens und abends sei der Konsum und Handel noch immer relativ groß, sagt Harun. Es komme immer wieder auch zu Auseinandersetzungen. "Wir geben immer unser bestes, es friedlich zu lösen, aber es ist auch nicht immer möglich, wenn die Personen aggressiv sind und unsere Kunden anpöbeln."
Andere Anwohner:innen sehen eine deutliche Verbesserung. Haider hat zum Beispiel, ähnlich wie Sven Diettrich, einen An- und Verkauf eine Straße neben dem Leopoldplatz. Er wohnt seit 20 Jahren hier und merkt die Veränderungen der letzten Monate deutlich. Sauberer sei es geworden und hätte sich in den letzten Monaten auch zum Positiveren entwickelt. "In letzter Zeit hat die Polizei gut gearbeitet und die vielen Drogendealer verjagt."
Das habe auch das Sicherheitsgefühl der Bewohner:innen wie ihn gestärkt, sagt Haider. "Früher konnten Frauen hier nachts gar nicht langlaufen." Jetzt fühlt er sich wohler, wenn seine Frau oder Schwester den Platz überquerten.
Birgit wohnt seit 42 Jahren am Leopoldplatz und fühlt sich sicher im Kiez: "Mir ist hier auch noch nie etwas passiert. Ich hab' hier keine Angst." Trotzdem: Auch sie nennt den Leopoldplatz "ein hartes Pflaster". Was ihr stark auffalle, sei das "Elend direkt vor der Tür". Bei einem Platz mit Kinderspielplatz und einer großen Kita an der Ecke frage sie sich immer: "Was macht das mit den Kindern, wenn sie das von kleinauf sehen?"
Dennoch sind auch ihr die Veränderungen der letzten Monate aufgefallen, wie sie sagt. "Im Moment hat sich die Drogenszene wieder ein bisschen relativiert, weil auch einfach viel gemacht wird." Als Beispiel nennt sie die Präsenz der Polizei und des Drogenmobils vom Fixpunkt.
Letzteres ist ein Angebot für Konsumierende auf dem Leopoldplatz. Zu den Services gehört, dass sie beispielsweise saubere Utensilien abholen können, um so Krankheiten wie Hepatitis oder HIV zu vermeiden, die beispielsweise auch durch schmutzige Nadeln verbreitet werden können. Genauso können Menschen hier aber unter medizinischer Aufsicht Drogen konsumieren und so zum Beispiel auch die Gefahr einer Überdosis verringern.
Andere U-Bahnhöfe nun im Fokus
Auch wenn die Maßnahmen der vergangenen Wochen wie die Polizeipräsenz und die Beleuchtung des Platzes zur einem besseren Sicherheitsgefühl bei den Anwohnenden geführt haben, habe sich das Problem nicht in Luft aufgelöst, sagt Sven Diettrich. "Das Problem ist nicht gelöst. Es hat sich nur verlagert."
Aktuell entwickle sich nun der nahe gelegene U-Bahnhof Osloer Straße (U8) zum neuen Hotspot. Auch der U-Bahnhof Nauener Platz (U9) werde nun wieder vermeht als Konsumraum genutzt. Die Initiative "Wir am Leo" spricht sich deshalb weiterhin auch für soziale Maßnahmen sowie einen stadtweiten Masterplan aus, um das Drogenproblem berlinweit in den Griff zu bekommen.
Die Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie Remlinger (Grüne), teilte mit, dass der Senat nun Finanzmittel für 2024 freigegeben habe. Damit sollen unter anderem weitere Maßnahmen wie Sozialarbeit, personalbesetzte Toiletten und für Ordnung sorgende Parkläufer:innen finanziert werden.
Sendung: rbb24 Abendschau 19:30 Uhr 03.07.2024