Berlin-Wedding - Leopoldplatz-Initiative fordert Masterplan gegen Drogenkonsum

Mi 09.08.23 | 12:12 Uhr
  23
Symbolbild: Utensilien für den Konsum der Droge Crack (Quelle: dpa/Stefan Jaitner)
Audio: Radioeins | 09.08.2023 | Sven Dittrich | Bild: dpa/Stefan Jaitner

Die Anwohner des Leopoldplatzes im Wedding wollen nicht mehr länger zusehen, wie der Platz wegen des Drogenkonsums im Chaos versinkt. Die Forderung: mehr Polizeipräsenz, mehr Initiativen der Politik. Die Stimmung wurde zuletzt aggressiver.

Vor dem Hintergrund des Drogenkonsums am Leopoldplatz in Berlin-Wedding fordert die Initiative "Wir am Leo" einen Masterplan von Bezirk und Senat.

Der Sprecher der Initiative, Sven Dittrich, sagte Radioeins vom rbb am Mittwoch, seitdem an dem Platz auch die Droge Crack konsumiert werde, sei die Stimmung sehr aggressiv geworden. "Wir schwimmen alle im Moment wirklich und schauen einfach nur nach Minimallösungen." Vor Ort müssten auch immer wieder Spritzen aufgesammelt werden, so Dittrich.

"Nicht jeder hat das Recht, alles auf dem Platz zu tun"

Warum ausgerechnet der Leopoldplatz für die Drogenszene ein so attraktiver Ort ist, sei den Initiatoren nicht klar. Dittrich äußerte die Vermutung, die nahegelegene U-Bahn könnte ein Vorteil für die Szene sein.

Dittrich erklärte, jeder habe sein Recht, auf dem Platz zu sein. "Wir sagen dann aber, nicht jeder hat das Recht, alles hier auf dem Platz zu tun." Es müsse ein gewisses Gleichgewicht auf dem Platz herrschen, damit das Zusammenleben weiter funktioniere.

Die Initiative fordert laut Dittrich, dass die Politik beginnt, "greifende Konzepte zu entwickeln, gewisse Themen nicht mehr zu tabuisieren, einfach auch laut über dieses Problem zu sprechen, Lösungen zu suchen."

Mehr Polizeipräsenz und mehr Drogenkonsumräume gefordert

Der Bezirk Mitte drängt derweil auf mehr Polizeipräsenz und rund um die Uhr geöffnete Drogenkonsumräume am Platz. Die Polizei brauche vor Ort "mehr Personal direkt auf der Straße", sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) am Dienstag dem "Tagesspiegel" [Bezahlschranke]. "Auch das Drogenmobil und der Platzdienst müssten 24 Stunden am Tag vor Ort sein", so Remlinger.

Als erste Sofortmaßnahme will die Bezirksbürgermeisterin dem Bericht zufolge nun eine Sichtschutzwand zwischen dem Aufenthaltsbereich der Suchtkranken und einem nur wenige Meter entfernten Spielplatz aufstellen. Dadurch sollten aber keine zusätzlichen, uneinsehbaren Ecken geschaffen werden, sagte Remlinger weiter.

Wann die Sichtschutzwand gebaut wird, ist unklar. Laut "Morgenpost" [Bezahlschranke] wird zeitnah und noch in diesem Sommer "eine Zwischenlösung realisiert". Demnach soll ein 90 Zentimeter hoher Zaun zwischen Drogentreffpunkt und Spielplatz errichtet werden.

Die Anwohnenden erwarten dem Bericht zufolge einen konkreten Zeitplan vom Bezirk. Vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) wünscht man sich demnach, dass er zum Leopoldplatz kommt und sich selbst ein Bild von der Situation dort macht. Die Lage soll auch Thema auf der Sicherheitskonferenz sein, zu der Wegner für Anfang September eingeladen hat.

Weiteres Drogen-"Konsummobil" soll zum Einsatz kommen

Die Gesundheitsverwaltung teilte unterdessen mit, das ab dem vierten Quartal ein zusätzliches Fahrzeug als "Konsummobil" zur Verfügung gestellt wird. Derzeit ist ein solches Mobil vor Ort montags bis freitags von 10 bis 13:30 Uhr im Einsatz.

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist Crack Kokain, das durch einen chemischen Prozess eine intensivere, aber auch kürzere Wirkung bekommt. Durch das Rauchen der weiß-gelblichen Kristalle gelangt der Wirkstoff innerhalb weniger Sekunden in die Blutbahn und löst nach kurzer Zeit einen sehr starken Rausch und starke Euphorie aus. Die Wirkung lasse aber schon nach zehn Minuten nach, heißt es.

Die Gefahr einer schweren psychischen Abhängigkeit ist bei Crack laut Bundeszentrale sehr groß. Crack könne zu Atem- und Herzstillstand und auch zum Tod führen. Darüber hinaus werde die Lunge geschädigt (Cracklunge). Crack verursache auch depressive oder wahnhafte Psychosen.

Sendung: Radioeins, 09.08.2023, 5 Uhr

23 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 23.

    Ok, Sie wünschen sich einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen - kann ich mitgehen. Und bis Sie das geschafft haben, bauen Sie dann doch eine Sichtschutzwand?

  2. 22.

    Sorry, aber weder eignet sich die Meta-Ebene 'wir als Gesellschaft', noch der Hinweis auf die weitere Droge Alkohol zur Diskussion einer hier gegenständlich punktuellen Problematik. Ansonsten muss bei der Gelegenheit auf die Volksdrogen Zucker, Fett, Nikotin, THC, Glücksspiel, Internet und was noch immer hingewiesen werden. Mag sein, dass auch die Gemengelage aller daraus resultierender Trigger dazu beiträgt, dass wir als Gesellschaft nicht mehr befähigt sind, der latent steigenden Zahl von Partikularinteressen den Stellenwert zuzuordnen, den sie jeweils für sich selbst reklamieren. Das ist dann aber Teil des Problems und nicht der Korridor für irgendwelche Lösungen.

  3. 21.

    Genau! Flasche auf und Spritze rein. Nur so kann man diese soziale Kälte ertragen. Das bekommen schon die Kinder in den 830 Schulen in Berlin beigebracht. In Ruinen lernen heißt ein ruiniertes Leben zu führen.
    Diese frei gewählte, böse, selbstsüchtige Regierung ist auch schuld, dass ich nicht mehr mein eigens Glückes Schmid bin und diese furchtbaren Zustände nur mit Drogen zu ertragen sind.
    Was ein Glück, dass es Drogendealer gibt. Die sind auf eine blühende Zukunft aus und nicht auf das "Kleingeld"

  4. 20.

    Vielleicht sollten wir die zahlreichen Dealer bekämpfen. Die Mehrzahl sind Menschen aus den afrikanischen Ländern, die damit ihren Lebensunterhalt erwirtschaften.

  5. 18.

    Falsche Denkrichtung möchte ich meinen. Wir haben nicht darüber nachzudenken, dass unser Gesundheitssystem überlastet ist, sondern warum es so teuer ist, obwohl doch die Planwirtschaft als die mit dem schlechtesten Ergebnis für gemessen Budget und Arbeitskraftaufwand galt.
    Nun lernen wir seit Jahrzehnten ohne offenbar die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen: Eines der budget-reichsten Gesundheitssysteme der Welt, liefert vergleichsweise am Zweck der Anstrengung gemessen schlechte Ergebnisse.
    Schon geil wenn die wirtschaftliche Leitung einer Klinik sagt: Geburtsstation lohnt nicht...
    Klingt überzeugend für ein Gesundheitssystem. Und auch vorausschauend. In einem Land mit Überalterungsproblem.

    Aber seis drum. Nochmal: Akzeptierende, rationale Drogenpolitik ist in jeder Hinsicht billiger. Wo sie Sozial- Gesundheitspersonal bindet, zusätzlich erfordert, macht sie an anderer Stelle Ressourcen frei. Man muss es zusammenhängend verstehen (wollen) Bessere Wetten auf die Zukunft machen.

  6. 17.

    Trotzdem weichen Sie aus. Wie wollen wir als Gesellschaft jetzt und in der Zukunft mit der gefährlichsten Volksdroge/dem Wirtschaftsfaktor Alkohol umgehen? Die Strasse ist nur die unterste Sprosse der Leiter nach unten.

  7. 16.

    Touché. Leider kann ich auch keine Handlungsempfehlung geben, wie die jetzigen Innen- und Justizsenatorinnen die seit 22 Jahren unerledigten Hausaufgaben ihrer jeweiligen VorgängerInnen erledigen können. Unstreitig dürfte sein, dass es für notige Therapieangebote Plätze und Therapeuten braucht, die weder jetzt noch mittelbar zur Verfügung stehen. Auch schließt hierbei das Eine nicht das Andere aus. Ebenfalls unstreitig wäre, dass mit eine Schutzwand gesichert niemandem hilft.

  8. 15.

    Wie wollen Sie die Verfügbarbeit einschränken - Hauptproblem auch am Leopoldplatz bleibt die Droge Nr 1 - der Alkohol.

  9. 14.

    Sie glauben ernsthaft das Problem damit zu lösen,dass man die Verfügbarkeit von Drogen einschränkt?
    Damit verschieben sie nur das Problem und lösen es nicht.

  10. 13.

    Zu Ihrer zutreffenden Analyse gehört aber auch, dass es nicht ansatzweise hinreichende Therapieplätze, geschweige denn Therapeuten gibt sowie soziale Dienste und das gesamte Gesundheitswesen schon am Rande des Zusammenbruchs stehen. Es wird allein deshalb darum gehen müssen, wie die Verfügbarkeit von Drogen effektiv eingeschränkt wird.

  11. 12.

    Das teilt der Drogensuchtkranke mit vielen Kranken und Krankheiten. Gibt immer Anteil die Krankheit bestreiten, oder sich nicht helfen lassen wollen.
    Zudem gilt: Es ist nicht das erste Ziel die Drogensucht zu beenden. Das ist ein Langzeitziel und braucht akzeptierende
    Sozialarbeit und Infrastruktur, Also die Schaffung von Umständen, aus denen der Ausstieg möglich ist und ermöglicht wird.
    Aber das ist nicht die Haltung mit der man einem Drogensüchtigen gegenübertritt: Er hat sofort clean zu sein.

    Aber wie gesagt. Wen rationale Drogenpolitik interessiert - Portugal ist ein gutes Beispiel, wie das gesellschaftliche Verhältnis zu Drogenkonsumenten aller Art zunächst geändert werden muss. Statt Kriminalisierung, Repression, Stigmatisierung.

  12. 10.

    Drogensicht ist längst als Krankheit anerkannt. Was kann der Staat aber tun, wenn der Drogenkranke sich nicht helfen lassen will?

  13. 8.

    Fach- und Sachpolitik Thema Drogen: In Portugal informieren.
    Deutschland hat eine rückständige Drogenpolitik die sich im Kreise dreht und teuer ist.
    Masterplan zunächst schlicht: Drogensucht /Konsum als Krankheit definieren.
    Darauf kann alles rational-sachlich aufbauen. Budget sinnvoll Wirkung entfalten.

  14. 7.

    So groß ist der Platz doch nicht.
    Da kann die Polizei regelmäßig vorbeisehen.

  15. 6.

    Eine Sichtschutzwand?! Hätte Frau Bürgermeisterin doch mal bei ihrer Kollegin aus F'hain/K'berg nachgefragt, wie wirkungsvoll die aufgemalten 'Dealzonen' im Görli waren. Es ist grausam, welchen Stellenwert einfache Bürgerinteressen im Wertesystem der selbsterklärten, wahren Menschheitsretter haben. Zugestanden, wirklich einladend waren Kotti, Hermannplatz, Görli, Leopoldplatz noch nie. Doch in den letzten 22 Jahren haben sie sich zum Spiegelbild einer immer schneller drehenden Abwärtsspirale entwickelt.

  16. 5.

    Endlich sehen die Grünen ein, dass den Auswüchsen der Drogensucht ohne einen starken Staat nicht beigekommen werden kann. Aber auch in Kreuzberg muss endlich stärker durchgegriffen werden. Nur immer mehr Sozialarbeiter haben bisher das Gegenteil bewirkt.

Nächster Artikel