Erinnert an ein riesiges aufgestelltes Luftschacht-Gitter, vielleicht ein "Vier gewinnt" für Riesen - oder eben an den zeitlosen Quader im Stil der Moderne, der sie ist: Die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz in Kreuzberg. Nun feiert sie 70. Geburtstag.

Nach dem Ende der Berlin-Blockade machen die USA der Berliner Bevölkerung ein Geschenk: die erste deutsche "Public Library" nach amerikanischem Vorbild, sie soll Bildung so niedrigschwellig und für so viele Menschen wie möglich anbieten. Am 29. Juni 1952 legt der US-Außenminister Dean Acheson den Grundstein.

Im Mai 1954 werden die ersten Bücher in Holzkisten geliefert, die Packer müssen dafür über Bretter tappen, der Vorplatz ist noch nicht mehr als Sand. Natürlich ist auch die Amerika-Gedenkbibliothek nicht ohne politische Hintergedanken im Kalten Krieg ersonnen worden: Sie soll ein Symbol für Bildungs- und Meinungsfreiheit im geteilten Berlin darstellen. Das Geld dafür stammt aus dem Marshall-Plan.

Die deutschen Architekten Willy Kreuer und Fritz Bornemann entwerfen den eleganten Bau, mit beratender Unterstützung amerikanischer Kollegen. Das Konzept sieht einen offenen Freihandbereich vor, im Gegensatz zu den damals üblichen geschlossenen "Thekenbüchereien", die auf viele abweisend wirken: Bücherburgen als Hüterinnen von Herrschaftswissen.

Die Amerika-Gedenkbibliothek dagegen wird bald "Schaufenster des Westens" genannt, die modernste Bibliothek in der Bundesrepublik. Am 20. September 1954 öffnet sie zum ersten Mal - und bald drängen sich Menschen an der Theke, um Leseausweise zu beantragen. "Die Gründung beruht auf der unbegrenzten Freiheit des menschlichen Geistes. Denn hier scheuen wir uns nicht, der Wahrheit auf allen Wegen zu folgen und selbst den Irrtum zu dulden, solange Vernunft ihn frei und unbehindert bekämpfen kann", steht in eine der Wände gemeißelt.

Nicht einmal ein Jahr später begrüßt der Gründungsdirektor Fritz Moser die 500.000. Besucherin der Bibliothek - und beschenkt sie mit Schiller. Für den promovierten Berliner Bibliothekar ist die Leitung des Hauses mehr als nur ein Job. Die Nazis hatten ihn wegen seiner politischen Einstellung und Herkunft verfolgt und schikaniert.

Dem Stumpfsinn, der Brutalität und Wissenschaftsferne der überstandenen Diktatur will Moser Bildung für jedermann entgegensetzen - die die Leserinnen und Leser frei auswählen können. Unter seiner Leitung spielt die Bibliothek eine zentrale Rolle für die Literatur- und Informationsversorgung West-Berlins, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die meisten großen Bibliotheken im Ostteil der Stadt liegen.

Neben den gut abgehangenen Magazin-Bücherwänden im Neonlicht gibt es eine riesige Filmauswahl, kostenlose Streamingangebote und einen eigenen Klavierraum, in dem man in die Tasten hauen kann - auch an Sonntagen. Inzwischen nutzen etwa 1,1 Millionen Menschen jährlich die Bibliothek.

2014 wird die Bibliothek umfassend renoviert, um die ursprüngliche Offenheit und Großzügigkeit wiederherzustellen. Heute wird sie auch für moderne Veranstaltungen genutzt: Diese Begegnungsstätten aus Holz gehören zu der "Next Library Conference", einer internationalen Zukunftskonferenz für die Entwicklung öffentlicher Bibliotheken, die 2018 auf dem Blücherplatz stattfindet.

Im September 2023 eröffnen der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU, links) und Volker Heller, Direktor der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), das "AGB PopUp". Das so schick betitelte, 800 Quadratmeter große Häuschen ist zum einen kurzfristige Entlastung für das zu eng werdende Haupthaus. Zum anderen aber auch Spielfläche für Neues, mit Workshop-Räumen, einer Medienwerkstatt und einen großen Saal, der als Leseraum und Veranstaltungsort dient.

Inzwischen ist der Bücherschatz am Blücherplatz zu voll geworden - ein Neubau oder ein Umzug sind seit Jahren in der Diskussion. Ein neues Zuhause könnte das Gebäude der ehemaligen Galeries Lafayette in der Friedrichstraße werden. Nach dem Auszug des Kaufhauses plant der neue Eigentümer Tishman Speyer eine Modernisierung des Gebäudes. Ob der Senat sich dieses dann als neuen Standort für die Berliner Zentral- und Landesbibliothek leisten kann, ist noch offen. | Weitere Bildergalerien