Kommentar | Koalitionsvertrag in Berlin - "Das Beste für Berlin" - mal wieder
CDU und SPD versprechen in ihrem Koalitionsvertrag ziemlich viel: Die Stadt soll wieder funktionieren. Eine Aufgabe, an der schon viele Landesregierungen gescheitert sind. Diesmal also soll es gelingen? Zweifel sind angebracht, kommentiert Thorsten Gabriel.
Kleiner hatten sie es nicht: Nicht weniger als "das Beste für Berlin" versprechen CDU und SPD der Stadt. Das Titelblatt des Koalitionsvertrags strotzt nur so vor Marketing-Sprech: "Aufbruch", "Erneuerung", ein Regierungsprogramm "für alle", das Ganze "sozial, innovativ, verlässlich" und - natürlich! - "nachhaltig". Müssten sie für jedes Wortgeklingel Geld ins Phrasenschwein stecken, der Haushalt wäre schon so gut wie saniert. Aber, ach, geschenkt. So ist das nun mal mit Koalitionsverträgen. Sie sind keine Unterhaltungsliteratur, sondern bestenfalls Bedienungsanleitungen für ein Regierungsteam.
Das, was beide Parteien auf 135 Seiten zusammengeschrieben haben, ist wie so oft in diesen Verträgen: viel versprechend und wenig revolutionär zugleich. Das meiste davon hätte die SPD auch mit Grünen und Linken so vereinbart oder auch die CDU mit den Grünen. Die Unterschiede stecken oft im Detail: Wo hat welche Partei ihre Reizwörter für die eigene Basis unterbringen können? Bei der SPD sind das etwa die fairen Löhne oder auch die kostenlosen Bildungsangebote, für die CDU das Existenzrecht des Autos oder die Rückenstärkung für die Polizei.
Vieles kommt auf den neuen Regierungschef an
Über allem aber steht: Die Stadt soll wieder funktionieren. Eine Aufgabe, die banal klingt - an der sich aber doch schon viele Landesregierungen die Zähne ausgebissen haben. Wie oft wurde schon versucht, das Zuständigkeits-Pingpong zwischen Land und Bezirken zu beenden? Wie oft schon sollten Verwaltungsprozesse beschleunigt werden? Wie oft ist uns schon versprochen worden, dass man die meisten Behördengänge online erledigen können soll? Man muss kein Pessimist sein, um auch von dieser möglichen Koalition keine großen Würfe zu erwarten.
Viel wird einerseits davon abhängen, ob CDU-Chef Kai Wegner das Amt des Regierungschefs gut ausfüllen kann. Politisches Gespür bringt er zwar mit, Verwaltungserfahrung allerdings: null. Und andererseits wird es darauf ankommen, wie viele Anfängerfehler ihm die SPD durchgehen lassen wird, bevor sie sich Schwächen zunutze macht.
"Das Beste für die Stadt" versichern beide Parteien zwar einmütig - aber klar ist auch: So sicher wie die CDU das Rote Rathaus so schnell nicht wieder hergeben will, so schnell will die SPD es ihr wieder abjagen. Will heißen: Der Wahlkampf könnte auch bei dieser Koalition ziemlich schnell wieder eröffnet sein – jedenfalls noch bevor die Stadt wieder "funktioniert".
Sendung: rbb24 Abendschau, 03.04.2023, 19:30 Uhr