Stichwahl um türkisches Präsidentenamt - Erdogan landet in Berlin nur knapp vor Kilicdaroglu

Mo 29.05.23 | 14:59 Uhr
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Autokorso auf dem Berliner Kudamm nach Erdogans Sieg (Bild: rbb/Ludger Smolka)
rbb/Ludger Smolka
Video: rbb|24 | 29.05.2023 | Material: Olga Patlan, rbb24 Abendschau, ARD Aktuell | Bild: rbb/Ludger Smolka

Recep Tayyip Erdogan bleibt türkischer Präsident, er hat sich bei der Stichwahl gegen Herausforderer Kilicdaroglu durchgesetzt. Während die Deutsch-Türken insgesamt deutlich für Erdogan stimmten, war es in Berlin wesentlich knapper.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bleibt weitere fünf Jahre im Amt. Der 69-Jährige entschied am Sonntag eine Stichwahl gegen Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (74) für sich. Erdogan erhielt 52,14 Prozent der Stimmen, Kilicdaroglu 47,86 Prozent, wie die Wahlbehörde in Ankara nach Auszählung von 99,43 Prozent der Stimmen mitteilte. Erdogan sei zum 13. Präsidenten der Türkei gewählt worden, sagte der Chef der Behörde Ahmet Yener.

Festnahme auf dem Breitscheidplatz

In der deutschen Hauptstadt zeigte sich ein noch knapperes Bild, als in der Türkei: Wie aus Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntagabend hervorging, kam Erdogan nach Auszählung aller Stimmen in Berlin auf 51,46 Prozent, Kilicdaroglu auf 48,54 Prozent [secim2023.hurriyet.com.tr]. In Berlin waren insgesamt 101.000 Menschen mit türkischem Pass stimmberechtigt.

Bereits am frühen Sonntagabend füllten seine Anhänger Straßen in türkischen Städten, schwenkten Fahnen und bejubelten den Wahlsieg. Auch in Berlin feierten mehrere hundert Menschen am Sonntagabend das Ergebnis. Am Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße in Charlottenburg kam es zu einem Autokorso mit bis zu 250 Fahrzeugen, wie die Polizei am Montag berichtete. Vereinzelt seien Pyrotechnik und Nebeltöpfe gezündet worden. Auf dem angrenzenden Breitscheidplatz hätten sich in der Spitze schließlich bis zu 1.000 Menschen versammelt.

Als einige der Anwesenden auf das Baugerüst an der Gedächtniskirche geklettert seien, sei die Polizei eingeschritten. Nach Angaben der Polizeisprecherin wurde eine Körperverletzung registriert. Ein Mensch sei vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. Gegen 23 Uhr habe der Veranstalter die Spontanversammlung aufgelöst. Danach hätten die Menschen den Platz nach und nach verlassen. Etwa 150 Polizistinnen und Polizisten waren laut Behörde vor Ort.

Erdogan bei Deutsch-Türken deutlich beliebter

Bei den Wahlberechtigten in ganz Deutschland ergab sich derweil eine deutliche Mehrheit der Stimmen für Erdogan. Beim Stand von rund 90 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland kam der Amtsinhaber bei dieser Gruppe auf 67,7 Prozent der Stimmen, wie aus den Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntagabend hervorging.

Erdogan schneidet bei den Wählern in Deutschland somit wohl deutlich besser ab als insgesamt. Bereits im ersten Wahlgang hatte er bei den Deutsch-Türken 65,5 Prozent der Stimmen bekommen. Offizielle Zahlen der Wahlbehörde zum Ergebnis der Stichwahl in Deutschland liegen noch nicht vor.

Laut Beobachtern gibt es mehrere Gründe für die hohe Beliebtheit Erdogans bei dieser Gruppe: So kamen viele Arbeitsmigranten mit einer religiös-konservativen Einstellung aus dem anatolischen Kernland der Türkei nach Deutschland.

Erdogans Regierungspartei AKP hat zudem gute Strukturen in Deutschland. Viele Haushalte sind laut Beobachtern von türkischen Medien geprägt, von denen ein Großteil von der Regierung kontrolliert wird. Laut Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien gibt es außerdem vor allem bei den jüngeren Wählern in Deutschland eine Art Protesthaltung aufgrund von Diskriminierungserfahrungen.

Berlin sei dagegen im Vergleich zu anderen deutschen Städten ein Leuchtturm der Opposition, erklärte Kenan Kolat von der oppositionellen CHP: "Wir haben hier einen größeren Anteil an Aleviten und kurdischen Menschen als in anderen Bundesländern, die traditionell links wählen", so Kolat.

In Deutschland sind rund 1,5 Millionen Deutsch-Türken wahlberechtigt. Sie stimmten bei der Stichwahl - wie beim ersten Wahlgang - nicht am Wahltag am Sonntag, sondern bereits einige Tage vorher ab. Bis zum vergangenen Mittwoch mussten sie ihre Stimmen abgegeben haben.

Sendung: rbb24 Abendschau, 29.05.2023, 19:30 Uhr

69 Kommentare

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  1. 69.

    Genau! Wäre das nicht einmal eine Aufgabe für einen guten Journalismus?
    Ich meine, nicht wenige aus den Sozialberufen und aus dem Sektor Grundbildung geben wirklich alles für die türkischen Mitbürger/innen, und dann muss man sich sagen lassen lassen, 'Ihr beachtet uns nicht?'. Wir können/dürfen uns hier nicht beteiligen.... Ihr wollt uns nicht? Und so in diesem Ton? Wie schräg ist das denn? Und das, weil wir auch türkische oder aus den arabischsprachigen Raum Mitstreiterinnen haben.
    Echt mal, wenn das Leiden in Germany derart schlimm ist, dass man nicht einmal die Sprache richtig lernen will/möchte, dann sollte man doch ab nächstem Urlaub im Paradies bleiben (wollen). Dann gerne neue Freundschaften mit denen, die gerne hier leben wollen, sich öffnen für das Berliner Leben wollen und alle Chancen, die sich bieten, nutzen wollen.

  2. 68.

    Ich habe mal gehört, daß die Türkei gar nicht so einfach aus der eigenen Staatsbürgerschaft entläßt.

  3. 67.

    "Cem Özdemir hat sich erschüttert über die türkischen Wahlberechtigten in Deutschland gezeigt. " Özdemir ist in der Regierung von Deutschland Minister, da sollte man mehr auf seine Wortwahl achten, da er automatisch damit für Deutschland als Staat spricht.

  4. 66.

    Wie hoch ist denn der Anteil türkischer Bürgergeldempfänger? Bitte mal die Erwerbsquote, die Arbeitslosenzahl usw. angeben.

  5. 64.

    Bei den "Wahlen" ging es auch darum, ob ein Präsidialsystem abgeschafft wird. Dann wäre die Türkei wieder demokratischer geworden. Wahlen alleine machen Demokratie nicht aus. Dazu gehört z.B. auch eine unabhängige Justiz. Faire Bedingungen für die Wahl für alle Parteien. Unabhängige Medien. Meinungsfreiheit. Bisher habe ich den Eindruck, das viele Erdogan gewählt haben, weil sie eine starke Führung wollten, weil sie ihn wollten aus emotionalen Gründen. Kann sein, dass das Parteienbündnis auseinander gebrochen wäre, aber vorher hätten sie vermutlich das Präsidialsystem abgeschafft. So aber wurde aus meiner Sicht die Möglichkeit für eine Änderung des Systems nicht gewählt.

  6. 63.

    Ich begreife beim besten Willen nicht, warum die Erdogan-Fans lieber in Berlin bzw. Deutschland als in der Türkei leben. Kann das mal jemand von den Betroffenen erklären? Ich möchte es wirklich gern wissen!

  7. 62.

    Das frage ich mich auch, die doppelte Staatbürgerschaft sollte abgeschafft werden

  8. 61.

    Cem Özdemir hat sich erschüttert über die türkischen Wahlberechtigten in Deutschland gezeigt. Diejenigen die Recep Erdogan gewählt haben müssen für die Folgen ihrer Wahl nicht geradestehen. Geradestehen müssen die Menschen die weiterhin in der Türkei leben. Laut Cem Özdemir oft in Armut und Unfreiheit. Genau diese Menschen haben wir, gemeinsam mit dem Rest der EU, durch unser zögerliches , ablehnendes, schon heuchlerisches Verhalten im Bezug auf Aufnahme der Türkei in die EU im Stich gelassen.

  9. 60.

    Wie selbst im Osten/Südosten von Brandenburg, rechts gewählt, gedacht und gehandelt wird, kann man doch auch täglich in Deutschland erleben und nachlesen.
    Erst vor kurzem: Neonazis in den Schulen in LDS und SPN/ Stichwahl um den Landrat im Landkreis LOS- alle demokratischen Parteien besiegen die AfD nur ganz knapp !!

  10. 59.

    Auf Grundlage der Menschenrechte in der Türkei, was sie scheinbar nicht verstehen wollen. Ein Paradox dass hier lebende Türken einen Präsidenten feiern aber auch tauende vor ihn nach Berlin flüchten und Asyl beantragen.

  11. 58.

    Na ja nicht nur die Deutschen wählen rechts sondern auch die Türken und leider auch Franzosen. Schade.

  12. 57.

    Tja , ich habe auf den Beitrag #27 geantwortet, ergo bezog ich mich auf das dortige Thema.
    Bei ener Antwort ist es so üblich!

  13. 56.

    "ein Rechtsruck, wenn man Politik des Verbrauchs und Zuteilens, Wegnehmens... mittels Verbote macht." Wäre das dann nicht eine Kritik an der Politik der Grünen? Dann würde man die Grünen aber als rechte Partei bezeichnen. Klingt - sagen wir mal vorsichtig - weit hergeholt.

  14. 54.

    Warum leben dann die Türken, die Erdogan gewählt haben in Deutschland. Wahrscheinlich weils in der Türkei kein Bürgergeld gibt.

  15. 53.

    Was bei diesen Betrachtungen immer unter den Tisch fällt:

    Nur eine Minderheit der Deutsch-Türken war überhaupt wahlberechtigt. Es ist kein Geheimnis, dass die Ablehnung von Erdogans Kurs bei den anderen wesentlich größer ist. Es gibt nicht DIE Deutsch-Türken.

  16. 52.

    Der Autor wollte davor warnen was hier auch passieren könnte, ein Rechtsruck, wenn man Politik des Verbrauchs und Zuteilens, Wegnehmens... mittels Verbote macht. Es ist sehr eindeutig so geschrieben, dass es veröffentlicht werden kann.
    Übrigens, aus aktuellen Anlass der Ideen von Steuererhöhungen bestimmter Kreise.

  17. 51.

    Schön, wenn Deutsche über das Wahlverhalten anderer urteilen. Fast 20 Jahre Merkel…. da war Stabilität gut, in der Türkei darf die nicht sein nach hiesiger Meinung. Kein Deutscher hat echt Ahnung, aber viel Meinung. Das Bündnis der sechs anderen Parteien wird zerfallen. Es reicht nicht, gegen Erdogan zu sein.

  18. 50.

    Wenn die hier lebenden türkischen Mitbürger mehr vom türkischen Präsidenten begeistert sind als ihre Landleute in derTürkei,sollte einem das zu denken geben. Mit ihrer Stimme entscheiden sie hier wie und von wem die Menschen in der Türkei regiert werden,was die Mehrzahl der Türken hier dann wohl auch nur teilweise beim Besuch in den Ferien mitbekommt. Frage ich mich echt,wieso sie dann nicht dort leben und was eigentlich die türkische Bevölkerung dort davon hält. Ich finde es insgesamt problematisch,wenn Menschen weiterhin in ihrer alten Heimat wählen dürfen obwohl sie schon lange im Ausland leben.

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