Neue Wohnraumförderung - Wie der Senat den Sozialwohnungsbau in Berlin ankurbeln will

Do 22.06.23 | 07:45 Uhr | Von Thorsten Gabriel
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Symbolbild: Ein Wohnungsbau in Berlin (Quelle: dpa/Schoening)
Audio: rbb24 Inforadio | 22.06.2023 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/Schoening

Mit einer Milliardensumme will die schwarz-rote Koalition die private Bauwirtschaft überzeugen, mehr Sozialwohnungen zu bauen. Ein nun beschlossenes neues Förderprogramm verspricht erstmals auch Zuschüsse. Ob die Rechnung aufgeht, ist fraglich. Von Thorsten Gabriel

Eigentlich ist die Idee simpel: Der Staat bietet der Bauwirtschaft günstige Kredite an und die baut damit Wohnungen. Als Gegenleistung für die Vorzugskonditionen dürfen diese neuen Wohnungen für einige Jahrzehnte nur an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet werden – zu festgelegten, günstigen Preisen. Fertig ist der soziale Wohnungsbau – zumindest in der Theorie.

In der Praxis ist es komplizierter. Da nämlich macht die private Bauwirtschaft bislang um die staatlichen Förderprogramme einen großen Bogen. Zu niedrig waren über viele Jahre die Zinsen am Kapitalmarkt, als dass man sich Geld vom Staat leihen und damit auch noch bei den Mietpreisen binden lassen wollte. Deshalb sind es seit Jahren fast ausschließlich die landeseigenen Wohnungsunternehmen, die die Förderung nutzen und Sozialwohnungen bauen.

Immer weniger Sozialwohnungen – trotz Neubaus

So entstanden zwar durchaus Wohnungen, die sich auch Menschen mit niedrigen Einkommen leisten können – allerdings deutlich weniger als sich die aktuelle und auch schon Vorgängerregierungen zum Ziel gesetzt hatten: 5.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr lautet unverändert das Ziel. Über die 3.000er-Schwelle war man in früheren Jahren schon gekommen.

Zuletzt aber, 2022, wurde nicht einmal mehr der Bau von 2.000 Sozialwohnungen beantragt und bewilligt. Es sind kaum mehr als Tropfen auf den heißen Stein. Denn allein auf den „klassischen“ Wohnberechtigungsschein (WBS) haben in Berlin rund 530.000 Haushalte Anspruch. Ihnen stehen nur etwas weniger als 100.000 Sozialwohnungen gegenüber – Tendenz fallend, trotz Neubaus. Denn es verlieren mehr alte Sozialwohnungen nach und nach ihre Mietpreisbindung als neue Wohnungen gebaut werden.

Immer mehr Menschen haben Anrecht auf eine Sozialwohnung

Gleichzeitig erweiterte der Senat in den vergangenen Jahren kontinuierlich den Kreis derjenigen, die Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Waren es 2014 nur Haushalte mit Anrecht auf einen sogenannten WBS140 (Einkommensgrenze für Singlehaushalte: 1.400 Euro netto monatlich), für die neue Sozialwohnungen gebaut werden sollten, kamen in den Jahren danach auch Förderprogramme für Wohnungen für WBS160- und WBS180- Berechtigte hinzu.

Beim WBS180 liegt die Einkommensgrenze für Singles bei 1.800 Euro monatlich, für eine Familie mit zwei Kindern bei 2.850 Euro. Doch obwohl bei diesen geringfügig besser Verdienenden auch etwas höhere Mieten verlangt werden dürfen, zündeten die Förderprogramm bislang bei Privaten nicht. Verschärft wird die Situation nun auch noch durch die globale Baukrise mit ihren explodierenden Materialkosten und steigenden Zinsen: Die private Bauwirtschaft legt den Wohnungsbau generell weitgehend auf Eis.

Ein unwiderstehliches Angebot an die Bauwirtschaft?

Doch gerade diese Krise versucht die schwarz-rote Koalition nun als Chance zu sehen: Wo Banken den Unternehmen kein Geld mehr hinterherwerfen, könnten staatliche Kreditangebote wieder attraktiv wirken, lautet das Kalkül. Aus Sicht des Senats ist die neue Wohnungsbauförderung, die der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwochabend zur Kenntnis genommen hat, deshalb quasi ein unwiderstehliches Angebot an die Bauwirtschaft:

  • Die Kreditsumme pro Quadratmeter erhöht sich deutlich. Wurde bislang damit kalkuliert, dass im Schnitt pro Sozialwohnung rund 170.000 Euro Fördergelder fließen, so wird in der neuen Förderrichtlinie nun mit durchschnittlich 300.000 Euro pro Wohnung kalkuliert.
  • Erstmals gibt es zusätzlich zum Kredit einen Zuschuss an Bauunternehmen, der nicht zurückgezahlt werden muss: 1.800 Euro pro Quadratmeter.
  • Unterm Strich soll es privaten Unternehmen möglich werden, neue Sozialwohnungen zwar mit obligatorisch 20 Prozent Eigenkapitalanteil, aber ohne weitere Bankkredite zu bauen. Das ist aus Sicht der Bauverwaltung deshalb wichtig, weil sich Sozialwohnungsbauten bei Banken nicht gut beleihen lassen wegen ihrer nur geringen Mieterwartungen.

Neue Zielgruppe im Fokus: die Mittelschicht

Die Einstiegsmieten, die verlangt werden dürfen, wurden angehoben. Für WBS140-Haushalte liegt sie nun bei 7 Euro netto kalt pro Quadratmeter (in den bisherigen Förderprogrammen lag sie seit 2014 bei 6,50 Euro), Für WBS180-Berechtigte bei 9,50 Euro (zuvor: 9 Euro). Außerdem gibt es nun einen weiteren Förderweg für eine zusätzliche Zielgruppe: Investoren können jetzt auch geförderte Wohnungen bauen für Haushalte, die Anrecht auf einen "WBS220" haben. Damit haben auch Single-Haushalte mit bis zu 2.200 Euro Nettoeinkommen oder Familien mit zwei Kindern mit maximal 3.465 Euro monatlichem Einkommen Anrecht auf eine Sozialwohnung – aber eben auf eine, die erst noch gebaut werden muss.

Die Einstiegsmiete für diese Einkommensgruppe liegt bei 11,50 Euro. Besonders dieses neue Segment ist der schwarz-roten Koalition wichtig: Bezahlbare Wohnungen für die Mittelschicht, für Busfahrerinnen und Erzieher etwa – also für jene, deren Einkommen zu hoch ist, um Anrecht auf eine klassische Sozialwohnung zu haben, und die gleichzeitig aber auch nicht in der Lage sind, mit sehr viel vermögenderen Wohnungssuchenden auf dem Markt zu konkurrieren. Doch solange es grundsätzlich zu wenige Sozialwohnungen gibt und für diese neue Zielgruppe noch gar keine, ist das vorerst nur eine Hilfe auf dem Papier.

Verhaltenes Echo aus der Bauwirtschaft

Hört man sich in der Bauwirtschaft um, ist das Echo auf die neue Förderrichtlinie bislang verhalten. Die angebotenen Summen seien mit Blick auf die Marktlage zwar einigermaßen realistisch, aber das allein mache in der derzeitigen angespannten Lage das Bauen noch nicht attraktiver, ist da zu hören. Zu unsicher sei die Lage insgesamt. Erst Ende Januar hatte beispielsweise der größte deutsche Wohnungskonzern, Vonovia, verkündet, er habe alle für dieses Jahr geplanten Neubauprojekte gestoppt. Dass er wegen neuer Förderrichtlinien im Land Berlin eine Kehrtwende vollziehen könnte, erscheint eher unwahrscheinlich.

Auch im Hauptausschuss wusste Baustaatssekretär Alexander Slotty (SPD) auf Nachfrage von Grünen und Linken nichts von Zusicherungen aus der Bauwirtschaft zu berichten. "Der internationale Kapitalmarkt ist in Wallung, Investoren verändern ihre Strategien", übte er sich in Optimismus. Wie die Laune der privaten Investoren konkret ist, kann der Senat schon in wenigen Wochen herausfinden: Mitte Juli soll es eine weitere Runde des noch von der vormaligen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) initiierten Wohnungsbündnisses mit der Privatwirtschaft geben. Es könnte der erste Stimmungstest für die neuen Förderprogramme werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.06.2023, 07:00 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel

80 Kommentare

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  1. 80.

    Das klingt zu gut um wahr zu sein. Dann kauf ich mir eine Eigentumswohnung nehme eine Kredit mit sehr hoher Raten auf und der Mieter zahlt mir die dann Rate zurück.

    Bei der Instandhaltungsrücklage, sind keine Kosten für größere Reparaturen am Haus oder Renovierungsarbeiten der Wohnung mit inbegriffen sind. Wie will man diese risikobehafteten Kosten des Vermieters auf die Miete umlegen.

    Sie kommen immer auf Ideen!

  2. 79.

    Da können einem die armen Vermieter ja regelrecht leid tun. Mir stehen die Tränen in den Augen. Vielleicht sollte die Umwandlung in Eigentumswohnungen endlich gestoppt werden, damit nicht noch mehr Menschen in die Vermieterfalle tappen. Man könnte in seiner Eigentumswohnung aber auch einfach selbst wohnen und Immobilien nicht als Renditeobjekt betrachten.

  3. 78.

    Damit die bestehenden Wild-West Methoden so richtig Fahrt aufnehmen können? Die Gier der privaten Vermieter ist grenzenlos und dem muß endlich Einhalt geboten werden.

  4. 77.

    Und das spricht dafür, dass man alle Verträge von Anfang an befristen müsste. Ist bei allen Verbraucherverträgen der Fall, ausser aktuell noch beim Mietrecht. Da bleibt der Mieter lieber in der Wohnung und verklagt dann zum Dank auch noch einen Vermieter. Es wäre besser für beide, wenn Mieter und Vermieter in solchen Fällen getrennter Wege gehen könnten.

  5. 76.

    Das ist aber ganz schön Blech, was Sie hier absondern. Bei einer Eigentumswohnung wird die Instandhaltungsrücklage über die WEG aufgebaut. Die wenigsten Mieter bekommen mit, was man laufend investiert. Und ein Danke bekommt man sowieso nicht. Daher muss man einen Indexmietvertrag schließen, um von Zeit zu Zeit die Mieter erhöhen zu können. Alles steigt, nur die Mieten mit 5,4% zu gering, nicht mal Inflationsausgleich. Nur bei der Neuvermietung oder möblierten Vermietung hat man überhaupt noch die Chance auf einen realistischen Mietzins.

  6. 75.

    Staatliche Vermieter können schon mit Verlusten vermieten.
    Verluste und Schulden, gleichen Wir Steuerzahler:innen aus.

  7. 74.

    „Die wenigsten Mieter trauen sich nur nicht zu klagen. Einige Vermieter nutzen hier Notlagen aus und der Gesetzgeber guckt zu.“

    Selten so gelacht. Der Mieterverein geht vor Mietersachen unter!

    Kostet auch nur 6 Euro im Minat.

    Mieter sind klagewütig, Hartz-IV-Empfänger kriegen den Anwalt sogar kostenlos bezahlt. Die klagen auch oft.

  8. 73.

    Generell gehört die Instandhaltung der vermieteten Immobilie, der sogenannten Mietsache, zu den Pflichten des Vermieters, so wie der Mieter zur Mietzahlung und zur pfleglichen Behandlung der Mietsache verpflichtet ist. Nicht instandzuhalten, aber dennoch regelmäßig die Miete zu erhöhen, ist schlichtweg dreist. Die wenigsten Mieter trauen sich nur nicht zu klagen. Einige Vermieter nutzen hier Notlagen aus und der Gesetzgeber guckt zu.

  9. 72.

    Mieterhöhung setzt nicht Instandhaltung voraus. Ich vermiete grundsätzlich nur noch per Index.

  10. 71.

    Enteignung funktioniert nur zum Ankauf zum Marktpreis.

    Ich denke, dass Sie weder rechnen können noch Ahnung von Finanzierung bzw Vermietung haben.

    Natürlich müssen die Mieteinnahmen die Kosten decken. Anders funktioniert es nicht. Kein Vermieter kann mit Verlusten vermieten

  11. 70.

    Das ist unbenommen, daß ein Vermieter Interessenten, welche die von Ihnen genannte Mentalität an den Tag legen, außen vor lassen kann. Das ist auch nicht die Frage. Es wurde ja allgemein die Erwartungshaltung angeführt. Und die hätte ich gerne mal erklärt, wie es zu verstehen ist. Mich stört einfach, daß immer nur „Schlagwörter“ rausgehauen werden, aber nie erklärt werden. Deswegen auch die Frage von Kosten gewisser Baumaßnahmen. Würde zumindest bei mir ein gewisses Verständnis bzw.Nachvollziehbarkeit bringen. Wie z.b.in guten Kfz-Werkstätten es üblich ist.

  12. 69.

    Dem stimme ich zu. Ich überlege bei manchen Mietern nun Hotelpreise zu nehmen. Pro Nacht 100 Euro.

  13. 68.

    Genauso kann es gesellschaftlich eben funktionieren. Hohe Gewinne, risikomindernd abgepuffert durch öffentliche Mittel, ein nahezu leistungslos erworbenes Einkommen ... das erodiert, was wir gesellschaftlichen Zusammenhalt nennen. Wird aber schizophrener Weise von den Verfechtern der "Leistungsgerechtigkeit" immer weiter gepampert.

    @rbb24: Was hat sich aus den Nachforschungen zur Großspende aus der Immobilienwirtschaft an die CDU ergeben? Gab es bereits die angekündigte eidesstattlich Erklärung des Gönners?

  14. 67.

    Hinterfragen sie es besser mit dem Wort „EGO“. Manchmal sind sich Personen einfach auch unsympathisch. Vermieter sind keine Hoteliers (denken viele Mieter mit Anspruch an ein Hoteldasein).

  15. 66.

    Genauso funktioniert es. Niemand vermietet um Verluste zu machen

  16. 65.

    Ein weiterer Grund warum private Vermieter unbedingt zu enteignen sind. Die Gier ist unendlich und das Rechenvermögen endlich.

  17. 64.

    Also brauch ich mich erst gar nicht um eine Ihrer Wohnungen bewerben/interessieren? Oder wie definieren Sie „Erwartungshaltung/Ansprüche f.Summe X“? Erklären Sie doch an konkreten Beispielen z.b. der Dämmung, was es Sie kostet und wie soch auf die Miete auswirkt. Es ist eine ernsthafte Anfrage, weil ich da überhaupt keine Vorstellung habe. Danke.

  18. 63.

    Und das ist ein Naturgesetz oder wie darf ich Ihre Auslassung verstehen? Ich wohnte mehr als 30 Jahre in einem Haus, das 1984 mit Fördermitteln saniert wurde, was eine Staffelmiete zur Folge hatte. Auch danach stiegen die Mieten regelmäßig, aber es wurden bis heute nur die allernötigsten Reparaturen durchgeführt. Der Putz fällt von den Wänden, Hausflur sieht aus wie eine Tropfsteinhöhle, die Rohre sind komplett verkalkt und die Fenster sind morsch. Nun erklären Sie mir mal, was die regelmäßigen Mieterhöhungen berechtigt? Das Haus gehört einer Investorengemeinschaft. Ich wohne inzwischen (seit 2018) in einer energetisch sanierten Genossenschaftswohnung in einer gepflegten Wohnanlage zu einem moderaten Mietpreis (539 warm für 65 qm). Reparaturen werden hier übrigens umgehend durchgeführt und wir haben sogar einen Hausmeisterdienst und Leute für die Gartenpflege. Also erzählen Sie mir nicht, dass die Mieten ständig steigen müssen und es kein Instrument gibt, hohe Mieten zu vermeiden.

  19. 62.

    Kostendeckend derart, dass der Mieter Ihre Kreditraten sowie IH-Rücklage vollständig begleicht ?

  20. 61.

    Zukünftig werden die Wohnungen kleiner werden müssen. Ebenso werden immer mehr Mieter pendeln müssen.

    Mehrere Kinder können sich ein Zimmer teilen. Ging früher auch. Die Eltern können auch im Wohnzimmer schlafen. Ging früher auch.

    Letztlich gibt es kein Instrument um den Anstieg der Mieten zu verhindern oder abzufangen.

    Ich vermiete selbst mehrere Wohnungen und nehme zwischen 11,50 und 13,50 Eur netto kalt. Das ist gerade kostendeckend.

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