Idee einer Magnetschwebebahn - Ist Berlin erschwebenswert?
Die CDU möchte Berlin eine Magnetschwebebahn bescheren. Ihr verkehrspolitischer Sprecher schreibt ihr eine Vorreiter-Rolle zu. Experten bezweifeln, dass die Stadt sie benötigt und Umweltschützer, dass sie zum Klimaschutz beiträgt. Von Anna Bordel
Mal ein bisschen über den Tellerrand gucken. Warum sollte Berlin nicht mal Vorreiter in irgendwas sein? Nicht immer in alten Mustern denken. Mit solchen Argumenten und Gedanken rechtfertigt Johannes Kraft, verkehrspolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, die Idee, bald eine Magnetschwebebahn durch Berlin fahren zu lassen. Die CDU hatte das zusammen mit der Vorstellung des Doppelhaushalts 2024/25 angekündigt, finanziert werden sollen die geplanten 80 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Klimaschutz.
Und warum nicht? Eine Magnetschwebebahn soll sich auf recht kurzer Strecke von einer Untergrundbahn zu einer hochgestützten Hochbahn wandeln lassen, je nach Bedarf. Ihre Züge können entweder Güter oder Fahrgäste transportieren oder sogar beides kombiniert. Sie fahren ohne Zugführer und dazu noch recht energieeffizient. Aber braucht Berlin so etwas überhaupt?
Verkehrsexperte: Magnetschwebebahn löst Probleme nicht
Nein, findet Andreas Knie, Verkehrsexperte vom Wirtschaftszentrum Berlin. "Die Magnetschwebebahn würde etwas stärken, was Berlin schon hat", sagt er. "Wir haben schon sehr gute Verkehrsmittel, die Menschen und Güter sehr effizient von A nach B tranportieren. Die moderne Welt ist über diese Struktur hinaus gewachsen". Ihm zufolge sei das aktuelle Problem des Nahverkehrs, wie Menschen und Güter zu den Bahnhöfen kommen. Das könne eine Magnetschwebebahn, die auch nur von einem Bahnhof zum nächsten fährt, auch nicht lösen.
Kraft sieht das anders. Kein herkömmliches Bahnsystem soll sich ihm zufolge so schnell und kostengünstig bauen lassen wie die Magnetschwebebahn. "Ein Hersteller sagt, sie können eine solche Strecke mit bis zu 15 Kilometer innerhalb von zwei Jahren fertig gebaut haben", so Kraft gegenüber rbb|24. 80 Millionen Euro seien zwar angedacht, aber je nachdem, wie lang die Strecke werde, könne das auch weniger kosten, sagt er. Im Haushalt seien bereits Mittel für die beginnende Planung der Strecke festgelegt.
Finanzierung aus Sondervermögen noch ungewiss
Dass die 80 Millionen Euro aus dem Sondervermögen des Klimafonds bezahlt werden könnten, ist, wenn man es genau nimmt, noch nicht sicher. Sondervermögen, für die das Land Schulden aufnimmt, müssen mit einer konkreten Notlage begründet werden. Vor einigen Tagen hatte der Landesrechnungshof Berlin Zweifel daran geäußert, dass die Klimakrise eine solche ist. Den Verdacht, die Magnetschwebebahn könnte aus der Schublade geholt worden sein, um den Zweifeln des Rechnungshofes mit einem klar umrissenen Projekt auszuräumen, weist Kraft zurück. Er arbeite schon seit Anfang des Jahres an der Idee.
Inwiefern eine Magnetschwebebahn im Nahverkehr mit Klimaschutz zu tun hat, kann auch auf anderer Ebene angezweifelt werden. Transrapid-Züge sind deshalb energieeffizient, weil weite Strecken mit weitestgehend niedriger Reibung zurückgelegt werden. Kraft räumt ein, dass die Energieeffizienz einer Magnetschwebebahn im Nahverkehr tatsächlich abhängig davon sei, wie weit die Stationen auseinander liegen. "Je länger die Abstände sind, desto effizienter wird auch dieses Transportsystem", sagt er.
Klimaschützer gegen Magnetschwebebahn
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) geht noch weiter und spricht von "einer Verhöhnung aller Menschen, die ernsthaft den Klimaschutz voranbringen wollen". Die Gelder des Sonderfonds sollten dafür eingesetzt werden, schnell Energie und Kohlenstoffdioxid zu sparen und nicht um "absurde Projekte" zu finanzieren, teilte der BUND am Montag mit.
Gefragt, inwiefern eine Magnetschwebebahn zum Klimaschutz passe, antwortet Kraft pragmatisch: "Jede Person und jede Tonne Güter, die wir von der Straße auf die Schiene bekommen, leistet selbstverständlich einen positiven Beitrag zum Klimaschutz". Im Moment liege der Fokus zwar noch auf dem Personenverkehr, aber wenn sich eine Strecke in ein Gebiet mit viel Einzelhandel finden lasse und am Ende der Strecke liege beispielsweise ein Hafen oder ein Güterbahnhof, dann könne das den Lkw-Verkehr der Stadt deutlich entlasten.
Alte Berliner Magnetschwebebahn verschrottet
Magnetbahnen fahren bislang auf der Welt nur wenige. Das berühmteste Beispiel ist der Transrapid in Shanghai, der mit bis zu 430 Stundenkilometern über eine Strecke von 30 Kilometern nagelt.
Angedacht wurde ein solches Projekt schon mehrmals für Berlin, es ist sogar schon mal für wenige Jahre eine über Westberliner Schienen gefahren. Zwischen 1984 und 1991 verkehrte die sogenannte M-Bahn unter Regie der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf einer Teststrecke zwischen dem Gleisdreieck in Kreuzberg und dem Kemperplatz in Tiergarten. Nach einer langen Testphase ohne Fahrgäste durften eine Zeitlang auch Passagiere mitfahren.
Bahnstrecke wurde nach der Wende für Ost-West-Verbindung gebraucht
So zum Beispiel Markus Jurziczek, der damals ein Schülerpraktikum bei der Magnetschwebebahn absolvierte. "Dass die Bahn geschwebt ist, hat man kaum bemerkt. Natürlich war es sehr angenehmes Fahren, aber das schafft man mit gut gefederten S-Bahnen heute auch", sagt er.
Jurziczek arbeitet mittlerweile in der Planung der Berliner S-Bahn. Eingestampft wurde die Magnetschwebebahn samt Trassen, weil die Bahnstrecke nach der Wiedervereinigung für die Ost-West-Verbindung benötigt wurde. Das Projekt von damals hinterlässt heute laut Jurziczek aber keine Spuren mehr. "Das wurde damals alles abgewickelt". Oder verschrottet, wie man wohl auch sagen kann. Für ihn zu Recht. "Berlin hat alle Nahverkehrsysteme, wieso sollte da noch etwas oben drauf?"
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.11.2023, 18:20 Uhr