Internationaler Frauentag - Was tut der Berliner Senat gegen Frauenarmut - und was fordert die Opposition?

Fr 08.03.24 | 06:19 Uhr
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Frau sucht in einer Mülltonne in Berlin nach Pfandflaschen (Bild: imago images/Schöning)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.03.2024 | Gabor Halasz | Bild: imago images/Schöning

Frauen arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Jobs und sind stärker von Armut betroffen. Gegen Frauenarmut anzugehen, haben CDU und SPD in Berlin im Koalitionsvertrag verabredet. Die Opposition vermisst allerdings wirksame Strategien. Von Kirsten Buchmann

 

  • Frauenrat: Armutsrisiko bei Frauen weiterhin höher als bei Männern
  • CDU und SPD wollen flexiblere Arbeitsmodelle für Frauen durchsetzen
  • Führungspositionen im öffentlichen Dienst sollen häufiger mit Frauen besetzt werden
  • Grüne und Linke fordern höhere Mindestlöhne

Frauen, die obdachlos sind, Frauen, die bei der Tafel für Essen anstehen, Frauen, die beim Einkaufen jeden Cent umdrehen müssen - Frauenarmut in Berlin hat viele Gesichter. "Das Geschlecht erhöht das Risiko für Armut", sagt Susanne Maier, Vorstandsmitglied des Deutschen Frauenrats.

Besonders betroffen sind ihr zufolge weiterhin Alleinerziehende, Frauen mit Migrationsgeschichte, Frauen mit Behinderungen - sowie ältere Frauen. "Das liegt natürlich daran, dass die Rente unser Erwerbsleben spiegelt und Frauen ganz andere Erwerbsbiografien mitbringen als Männer."

Unbezahlte Arbeit, mehr Teilzeitjobs

Gerade ab dem Alter von 30 Jahren machen sich laut Susanne Maier Unterschiede zwischen den Geschlechtern bemerkbar, besonders mit der Geburt des ersten Kindes. Viele Frauen gingen danach in Elternzeit und leisten unbezahlte Arbeit, "die Männer arbeiten nach der Geburt sogar mehr als vorher."

Nach der Elternzeit kehrten Frauen oft erst mal in Teilzeit in den Beruf zurück – und blieben lange in Teilzeit, sagt Maier. Später, wenn die Kinder größer seien, müssten Frauen oft Angehörige pflegen. Die Folge sei eine "sehr zerstückelte Erwerbsbiografie mit vielen Teilzeit- und einigen Erwerbslosenphasen." Das bemerke man "ganz drastisch am Ende des Lebens bei der Rente".

Höheres Armutsrisiko

Bei Frauen über 65 Jahren ist das Armutsrisiko deutschlandweit besonders hoch. 20,3 Prozent der Frauen sind davon betroffen. Bei Männern sind es in dieser Altersgruppe 15,9 Prozent. Insgesamt über alle Altersgruppen hinweg liegt das Armutsrisiko bei Frauen bei 15,4 Prozent. Bei Männern sind es 13,9 Prozent.

Berlins Gleichstellungs- und Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sagt, das Wichtigste, um Frauenarmut zu verhindern, sei eine existenzsichernde, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: "Wir fördern zahlreiche Beratungs- und Bildungsangebote in Berlin, die sich darum kümmern, dass Frauen eine gute Ausbildung oder Weiterbildung machen". Ihr gehe es darum, dass sie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen oder sich weiterentwickeln.

CDU und SPD in Berlin wollen "Frauenarmut konsequent bekämpfen", so steht es in ihrem Koalitionsvertrag auf Landesebene, den sie im April vergangenen Jahres unterzeichneten. Ein Ziel darin lautet: "Flexiblere Arbeitszeitmodelle und Möglichkeiten zum flexiblen, mobilen Arbeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden ausgebaut." Ein weiters zentrales Ziel ist gleiches Entgelt "bei gleicher und gleichwertiger Arbeit".

Die Fakten lauten: Im Jahr 2023 bekamen Männer in Berlin für ihre Arbeit pro Stunde durchschnittlich 25,91 Euro brutto, Frauen dagegen 22,97 Euro – fast drei Euro oder elf Prozent weniger, laut Zahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg. In Berlin gingen Männer im vergangenen Jahr durchschnittlich 147 Stunden im Monat einer bezahlten Arbeit nach, Frauen nur 135 Stunden. Frauen verbrachten also acht Prozent weniger Zeit mit bezahlter Arbeit.

Zugang zu Führungspositionen

Die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Aldona Niemczyk, will mehr Chancengleichheit und Flexibilität für Frauen erreichen. Ein Ansatz: Insbesondere durch neue Modelle für Führungskräfte im öffentlichen Dienst will sie sicherstellen, "dass talentierte Fachkräfte unabhängig von ihren individuellen Lebensumständen Zugang zu Führungspositionen haben".

In einem gemeinsamen Antrag fordert die schwarz-rote Koalition den Senat konkret auf, Jobsharing-Modelle für Führungskräfte zu entwickeln. Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Mirjam Golm will, dass der öffentliche Dienst Vorreiter ist, was familienfreundlichere Arbeitsbedingungen angeht, auch durch "Führen in Teilzeit." Das heißt, etwa einen Führungsposten zu teilen, sodass ihn zwei Personen ausfüllen können, die dort "entsprechend ihrer Qualifikation arbeiten können". Bis Ende des Jahres soll ein Plan vorliegen, wie der Senat das umsetzen will.

Grüne sehen keine Strategien

Bahar Haghanipour, die frauenpolitische Sprecherin der oppositionellen Grünen, wirft der Koalition dagegen vor, keine wirksamen Strategien gegen Frauenarmut zu haben, "beispielsweise bräuchten wir hier in Berlin einen Mindestlohn von über 14 Euro". Das sei nötig, damit Frauen von ihrem Lohn leben könnten.

Die Linken-Abgeordnete Ines Schmidt pocht ebenfalls darauf, den Mindestlohn anzuheben. Dass Frauen besser bezahlt würden, sei schließlich auch für ihre Zukunft wichtig, rechnet sie mit Bezug auf eine Anfrage der Linken im Bundestag vor: "Fast 40 Prozent der Frauen, die in Vollzeit arbeiten, werden eine Rente von unter 1.000 Euro bekommen."

Gleichstellungssenatorin Cansel Kiziltepe hat angekündigt, den Mindestlohn "schon bald" substanziell anzuheben. Weil Frauen häufig in "prekären, niedrig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen" arbeiteten, so die Senatorin, kämen gesetzliche wie auch Branchen-Mindestlöhne "überproportional Frauen zugute". Wie hoch der neue Mindestlohn ausfallen soll, beziffert sie zunächst nicht.

Am Monatsende wenig übrig

Susanne Maier vom Deutschen Frauenrat mahnt, in den letzten Jahren sei die Situation von Frauen nicht bedeutend besser geworden, wenn man auf einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren schaue, "sogar eher schlimmer".

Sie spielt dabei auf Rahmenbedingungen wie die Wirtschafts- und Energiekrise, die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine an: "Gerade alleinerziehende Frauen, Migrantinnen oder ältere Frauen leiden unter den gestiegenen Lebensmittelpreisen oder den schlicht nicht mehr bezahlbaren Mieten." Bei einem kleinen Gehalt bleibe am Ende des Monats noch viel weniger übrig.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.03.2024, 10:20 Uhr

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40 Kommentare

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  1. 40.

    Dies stimmt nicht. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. 2022 z.B. flossen ca. 109 Milliarden an Zuschüssen in die Rentenkasse. Damit wird die Rente zwar nicht subventioniert, aber andere Leistungen finanziert.

  2. 39.

    Wer ist der Stast und wie bedient er sich? Erklären Sie einfach mal anhand von seriösen Quellen und Fakten.

  3. 38.

    Das deutschen Rentensystem ist ein Umlagesystem. Die aktuell arbeitende Generation zahl die Renten der aktuellen Renter. Der Rentenanspruch in Form von Rentenpunkten beschreibt den Ihnen zustehenden Anteil am jeweils aktuell zu verteilenden Kuchen, mehr nicht.

  4. 37.

    Äh?
    Liegt mein Geld - nach Ihrer Meinung - seit Jahrzehnten im Tresor, wird monatlich aufgefüllt und ich bekomme es dann im Rentenalter jeden Monat zurück?
    Verstehe Ihren Kommentar nicht!

  5. 36.

    Aha, das ist ja einfach, Frauen sind arm, weil sich genau wer an den Rentenkassen bedient? Warum ist da noch keiner darauf gekommen. Sicher haben Sie eine Quelle? Bin gespannt.
    Und ich Schelm dachte immer, die niedrigen Löhnen führen zum schlechten Rentenniveau.
    Wussten Sie, dass die AfD gegen die Erhöhung des Mindestlohnes ist?

  6. 35.

    Wenn sich der Stast nicht immer aus der Rentenkasse bedienen würde, um kassenfremde Leistungen zu finanzieren gäbe es keine Rentenarmut. Weder bei Frauen noch bei Männern und diese Diskussion und Berichterstattung wäre überflüssig. Aber da stellt sich die Politik ja taub und blind.

  7. 34.

    Liebe Claudia, ein großer Irrtum den sie hier schreiben. Die Kinder bezahlen nicht die Rente, weder für ihre Eltern noch für andere Menschen. Alle Menschen die einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen, erwirtschaften daraus selbst ihren Rentenanspruch. Ihr jährliches brutto Einkommen ist Grundlage dafür. Davon werden durch ihren Arbeitgeber die Beiträge zur Kranken, Pflege und Rentenversicherung in die Systeme abgeführt.

  8. 33.

    Ja Bernd, auch am Frauentag müssen Sie uns bewusst erklären, wie wichtig Sie als Mann in der Beurteilung der Frau zu sein scheinen. Ein recht altmodisches Gehabe, aber damals war das wohl so und Sie wissen es nicht besser.
    Vielleicht war man erst ein Mann, wenn man Frauen erklären konnte, dass es ihnen doch gut zu gehen scheint, weil Männer das so erzählen.


  9. 32.

    Während Sie einen Kommentar nach dem anderen schreiben, sollten Sie Ihre wertvolle Zeit einfach Ihrer Frau widmen, gerade heute. Diese Wertschätzung, die Sie hier darlegen, ist unvergleichlich und sicher freut sie sich besonders über Ihr Urteil über ein anderes Geschlecht.
    Frauen sind das stärkere Geschlecht, die müssen ein anderes Geschlecht weder beurteilen, noch bevormunden, noch Maßregeln, um sich besser zu fühlen.
    Alles Gute zum Ehrentag der Frau.

  10. 31.

    "Vielen Dank für Ihre Möglichkeiten, hier Ihre Wertschätzung Frauen gegenüber zu demonstrieren." Bitte. Ich arbeit hier mit Frauen in Führungspositionen zusammen und sehe da keinen Unterschied zu Männern. Der Artikel jammert leider eher, als er wirklich handfeste Lösungen aufzeigt.

  11. 30.

    Kennen Sie das auch? Wenn Männer am Tag der Frauen Feiertag haben und darüber diskutieren, warum es angeblich Frauen schlechter geht, die sind wahrscheinlich alle selbst schuld, kann ja gar nicht anders sein. Weil nämlich Männer das wissen und bestimmen, schließlich sind sie Männer.
    Wir haben viel zu tun, denn männliches schwächelndes Selbstbewusstsein baut sich so gern an Frauen wieder auf.

  12. 29.

    "Im Jahr 2023 bekamen Männer in Berlin für ihre Arbeit pro Stunde durchschnittlich 25,91 Euro brutto, Frauen dagegen 22,97 Euro – fast drei Euro oder elf Prozent weniger, laut Zahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg." Wenn man das nicht nach Beschäftigungsbereichen, Lebensarbeitszeiten und Unterbrechungen im Arbeitslebenslauf (und damit späteren Bevörderungen bzw. Gehaltsstufen) differenziert, bringen solche Mittelwertsvergleiche wenig.

  13. 28.

    Vielen Dank für Ihre Möglichkeiten, hier Ihre Wertschätzung Frauen gegenüber zu demonstrieren.

  14. 27.

    "Das heißt, etwa einen Führungsposten zu teilen, sodass ihn zwei Personen ausfüllen können" Damit fördert man aber doch gerade das Teilzeitarbeiten von Frauen wieder und damit ein geringeres Monatseinkommen und damit auch weniger Rentenpunkte. Vollzeitstellen werden gebraucht, wenn man Armut und insbesondere Alterarmut entgegenwirken will.

  15. 26.

    "Jobsharing-Modelle für Führungskräfte zu entwickeln." Das kann man vielleicht im öffentlichen Dienst machen - obwohl Sharing dann ja auch wieder Teilzeitstelle heißt - in der freien Wirtschaft kommt das meist nicht in Frage. Könnte es auch sein, daß ein Managerjob bei vielen Frauen einfach nicht zu den Vorstellungen der Lebensplanung paßt und sie diesen deshalb gar nicht anstreben? Es wird mir zu viel pauschalisiert dabei - es gibt ja schließlich auch Frauen im Management.

  16. 25.

    "Weil Frauen häufig in "prekären, niedrig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen" arbeiteten, so die Senatorin" Aber warum? Es wird eigentlich keiner gezwungen ein Arbeit anzunehmen und die Chancen in Schule und Ausbildung sind doch eigentlich unabhägig vom Geschlecht? Warum nehmen denn diese Frauen im Gegensatz wohl zu Männern diese Jobs an? Irgendwie hinterfragt mir das die Senatorin zu wenig. Möchte Sie Gleichheit im Ergebnis oder Gleichheit in den Möglichkeiten?

  17. 24.

    "So lange im öffentlichen Dienst, frisch ausgebildete Pfleger mehr Gehalt erhalten als Pflegerinnen die schon Jahre im Beruf tätig sind," Das ist überraschend, da eigentlich der Stundenlohn mindestens gleich sein sollte bzw. nach TVÖD in Stufen über die Jahre steigen sollte. Hätten Sie da ein konkretes Beispiel als Beleg?

  18. 23.

    Und am Reformationstag kommen die Brandenburger nach Berlin zum Einkaufen. Also wieder alles gerecht.

  19. 22.

    Dieser Tag ist der Ausgleich für den 31.10. Da fallen die Brandenburger über Berlin her. Nicht immer nur meckern. Heute sollten wir uns einfach mal selbst feiern.

  20. 21.

    Der Einzelhandel in Brandenburg hat das garnicht nötig.
    Die Berliner sind geizig, darf alles nichts kosten. Und belegen sämtliche Parkplätze.
    Was ebend bei Pflanzenkölle nur Berliner mit ganzer Familie.

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