Landräte treffen Woidke in Potsdam - Brandenburg hat eine Frage: Wer zahlt den Rettungswagen?
Beim Treffen mit Ministerpräsident Woidke am Mittwoch ging es offiziell um Migration – doch der eskalierende Streit um Rettungskosten rückt in den Fokus. Die Landkreise wollen keine Rechnungen an Patienten schicken - "vorerst". Die Fronten sind verhärtet. Von Hasan Gökkaya
- In einigen Brandenburger Landkreisen könnten Zuzahlungen für Rettungseinsätze drohen
- Kommunen und Krankenkassen streiten über Berechnung der Kostenerstattung
- Rechnungsbescheide an Patienten könnten Hunderte Euro fordern
- Aktuell verschickt nur Märkisch-Oderland Bescheide
- Am Mittwoch Treffen zwischen Landräten und Ministerpräsident Woidke in Potsdam
Wenn an diesem Mittwoch die Landräte und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte Brandenburgs mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zusammenkommen, soll es eigentlich um ausreisepflichtige Menschen gehen, um Integration und um die Zusammenarbeit von Land und Kommunen beim Thema Migration. Ziemlich wahrscheinlich ist aber, dass auch über die Kosten für Rettungsfahrten gesprochen wird, denn der darüber entbrannte Streit zwischen Krankenkassen und Kommunen ist inzwischen ein Top-Thema in Brandenburg.
Müssen Patienten für den Einsatz eines Rettungswagens selbst zahlen? Diese Frage stellen sich inzwischen viele Menschen in Brandenburg. Die Unsicherheit ist so groß, dass sich weder Gesundheitsministerin Britta Müller (parteilos, für das BSW) noch der Ministerpräsident wegducken können. Wie ernst die Lage ist, machte jüngst auch der Vorsitzende des Landkreistages klar: Er schließe eine Kostenbelastung von Patienten bei Rettungsfahrten in einigen Kreisen nicht mehr aus, sagte Siegurd Heinze. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Landkreis gezwungen ist, Gebührenbescheide an die Bürger zu verschicken."
Wie sich das in der Realität anfühlt, können Menschen in Märkisch-Oderland schon jetzt erfahren. Dort wurden die ersten Rechnungen an Patienten rausgeschickt, wie Daniel Werner, Geschäftsführer des Gemeinnützigen Rettungsdienstes Märkisch-Oderland, auf Nachfrage von rbb|24 bestätigte. Andere Landkreise halten sich bisher zurück - noch. Das klingt dann oft so: "Oberhavel versendet vorerst keine Bescheide." Die Betonung liegt auf "vorerst".
Hintergrund ist, dass die Kommunen in mehreren Landkreisen nach eigenen Angaben auf den Kosten für Rettungseinsätze sitzen bleiben. Grund sind Festbeträge, die die Krankenkassen seit dem 1. Januar 2025 an die Kommunen überweisen - statt der wie bisher von den Rettungsdiensten geforderten "realen Kosten" nach erfolgten Einsätzen. Die Krankenkassen argumentieren, sie hielten die Gebühren für überzogen und nicht nachvollziehbar. Die Rettungsdienste hingegen berufen sich auf die Rettungsdienst-Gebührensatzung.
Ein Beispiel. Ein Bürger ruft einen Krankenwagen, der von den Kommunen gestellt wird. Die Kosten für den Einsatz werden anschließend von der Kommune an die Krankenkassen weitergeleitet. Diese erstatten aber nicht in voller Höhe, sondern zahlen nur einen pauschalen Satz.
Bei einem Krankenwageneinsatz kann so schnell eine Differenz von 200 Euro zusammenkommen, die nicht gedeckt ist. Weitere 250 Euro kommen dazu, wenn ein Notarzt an dem Einsatz beteiligt war. Das sind mehr als 400 Euro, die die Kommunen von den Krankenkassen nicht zurückbekommen, obwohl sie diesen Betrag fordern.
Weil dies nicht geschieht, können die Kommunen den Patienten die Differenz in Rechnung stellen. Ob es möglicherweise nur eine "Leerfahrt" war oder es einen medizinischen Einsatz gab - das spielt - anders als von vielen gedacht - in dieser Rechnung keine Rolle.
Von Consulting-Firmen und Musterkalkulationen
Die Krankenkassen sehen sich im Recht, denn es gibt eine Musterkalkulation, die zur Orientierung der Kosten - nach Sicht der Krankenkassen und des Gesundheitsministeriums - genutzt wird. Problem: Die Rechnung hat noch nie eine Landrätin oder ein Landrat wirklich in der Hand gehabt. Die von einer externen Consulting-Firma erarbeitete Kalkulation ist nämlich öffentlich nicht einsehbar - die Kommunen fordern aber Einsicht.
Ein wenig Bewegung ist inzwischen in die Sache gekommen - aber nur ein wenig. Was den Kommunen bisher vorliegt, ist eine Verschwiegenheitserklärung. Erst wenn diese unterschrieben sei, würde den Landkreisen die besagte Musterkalkulation zugeschickt werden, so Daniel Werner vom Gemeinnützigen Rettungsdienstes Märkisch-Oderland. Das Problem: Es könne nur eine Person unterschreiben, was auf großes Unverständnis stößt. "Wie soll das gehen? Das nimmt mich und mein Team aus der Einsicht raus, folglich kann außer dem Landrat niemand die Kalkulation überprüfen", kritisiert Werner weiter. Ähnlich argumentierte ein weiterer Landkreis auf Nachfrage. Laut Werner wird nun versucht, eine "erweitere Einverständniserklärung" abzugeben, sodass mehr Personen am Ende auf die Kalkulation zugreifen können. Erfolgsaussichten: unklar.
Und jetzt?
Betroffen von dem Streit sind laut Gesundheitsministerium acht Landkreise in Brandenburg. Der Verband der Ersatzkassen Berlin-Brandenburg zählt hingegen neun auf: Barnim, Märkisch-Oderland, Oder-Spree, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße, Teltow-Fläming, Oberhavel, Uckermark und Potsdam-Mittelmark.
Die Landkreise hoffen auf eine Einigung mit den Krankenkassen. Selbst wenn sich das Land in das Thema einmischt, dürfte es nicht ohne einen Kompromiss zwischen Kassen und Kommunen gehen. Sonst wird ein im Sommer anstehender Gerichtstermin wichtig: Dann will nämlich das Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg im Verfahren mit dem Landkreis Teltow-Fläming eine Entscheidung bezüglich der Anwendung der Rettungsdienst-Gebührensatzung entscheiden.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 19.03.2025, 19:30 Uhr