Sondierungs- und Koalitionsgespräche in Berlin - Was SPD, Linke und Grüne verbindet - und was sie trennt
SPD, Linke und Grüne sind auf bestem Wege zu einer Koalition. Zwar gibt es einige Gemeinsamkeiten - zugleich aber auch eine Reihe strittiger Punkte, zum Beispiel die künftige Finanzpolitik. Linke und Grüne haben bereits klar gemacht: Es muss einen Neuanfang geben.
Berlin steuert auf einen rot-rot-grünen Senat zu. Am Montag sprachen sich die Spitzen von SPD, Grünen und Linken für Koalitionsverhandlungen aus. Doch wie könnte eine rot-rot-grüne Politik aussehen? Wie groß sind die Schnittmengen?
Finanzpolitik: Investitionen contra Schuldentilgung
Bei einigen Themen, zum Beispiel bezahlbarem Wohnraum, Armutsbekämpfung und Bildung, gibt es relativ große Gemeinsamkeiten, doch die Zahl der strittigen Fragen ist deutlich größer - zum Beispiel in der Finanzpolitik.
Während die SPD den Zweiklang aus Investitionen und Schuldentilgung beibehalten will, setzt die Linke angesichts niedriger Zinsen vor allem auf Investitionen. Der Abbau des immer noch hohen Berliner Schuldenbergs (59 Milliarden Euro) hat für die Linken keine Priorität - anders als für den noch amtierenden Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), der in Steglitz per Direktmandat ins Abgeordnetenhaus eingezogen ist und sich vor allem die Konsolidierung der Hauptstadt-Finanzen auf die Fahnen gschrieben hat. "Es ist aber klar, dass wir die Stadt nicht harakirimäßig neu verschulden", betonte Lederer nach dem ersten Gespräch mit Müller. Auch die Grünen wollen Schulden lieber abbauen und setzen auf eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Investieren wollen sie vor allem in Bildung, Wissenschaft und Forschung. Einig sind sich SPD, Linke und Grüne darin, die Grunderwerbssteuer für Investoren zu erhöhen, die Immobilien allein aus spekulativen Gründen kaufen.
Kulturpolitik: Wer wird neuer Kultursenator?
Strittig ist auch, wie es mit der Berliner Kulturpolitik weitergehen soll. Während Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) bereits signalisiert hat, dass er auch in den kommenden fünf Jahren weitermachen will, ist völlig offen, wie es um die eigentliche Ressort-Verantwortung bestellt ist - denn bislang liegt diese noch beim Regierenden Bürgermeister. Während Müllers Vorgänger Klaus Wowereit einen besonders engen Kontakt zur Kulturszene pflegte, gilt Michael Müller nicht als Idealbesetzung.
Linke und Grüne würden das Ressort daher gerne wieder in eigener Zuständigkeit sehen - vor allem nach den zuletzt getroffenen Personalentscheidungen am Berliner Ensemble, an der Volksbühne wie auch beim Staatsballett. Als möglicher Kandidat für das Kulturressort gilt Linken-Chef Klaus Lederer, aber auch die Grünen dürften Interesse anmelden. Ihnen liegt vor allem die Förderung der freien Szene am Herzen. Streitpunkt dürfte dabei auch die Verwendung der City-Tax sein. Während die "Bettensteuer" unter der großen Koalition auch in andere Bereiche geflossen ist, fordern Grüne und Linke, diese zu 100 Prozent für die Kulturförderung zu verwenden.
Innere Sicherheit: Mehr Polizei, aber weniger Kameras
Besonders umtritten dürfte auch das Innen-Ressort sein. Der bisherige Innenenator Frank Henkel (CDU) habe vor allem eine "Law and Order"-Politik betrieben - darin sind sich Linke und Grüne einig. An sozialen Brennpunkten wie der Rigaer Straße oder im Görlitzer Park habe Henkel eher zur Eskalation beigetragen. Allerdings hat der Regierende Bürgermeister die Politik Henkels bis zuletzt mitgetragen. Außerdem bekannte sich Müller auch zu Henkels Vorhaben, den Alexanderplatz und andere Orte mit Videokameras auszustatten, um potenzielle Straftäter abzuschrecken. Linke und Grüne dagegen wollen die Überwachung öffentlicher Plätze zurückfahren. Einig sind sich die drei Parteien in der Forderung, dass die Polizei personell aufgestockt werden muss.
Drogenpolitik: Zwischen "null Toleranz" und Legalisierung
Ein weiterer Streitpunkt dürfte die künftige Drogenpolitik des Berliner Senats sein. Während sich die SPD-Basis Ende 2015 gegen eine Freigabe weicher Drogen ausgesprochen hat, fordern Linke und Grüne eine komplette Umkehr im Umgang mit Drogen und Süchtigen. Vor allem das harte Durchgreifen des bisherigen Innensenators im Görlitzer Park halten Linke und Grüne für übertrieben. Beide haben sich dafür ausgesprochen, die dort betriebene (und weitgehend gescheiterte) "Nulltoleranzpolitik" zu beenden. Die Linken wollen über eine Bundesratsinitiative erreichen, dass Cannabis künftig in geregelten Mengen an Erwachsense verkauft werden darf. Die Grünen haben signalisiert, dieses Vorhaben zu unterstützen.
Verkehr: Fahrrad-Initiative contra Auto-Lobby
Auch von außen werden bereits Forderungen an die mögliche Dreier-Koalition herangetragen. Am konkretesten hat sich dazu die Berliner Fahrrad-Initiative geäußert. Er erwarte, dass eine rot-rot-grüne Koalition den Gesetzentwurf der Initiative in den Koalitionsvertrag aufnimmt, sagte der Initiator des Volksbegehrens, Heinrich Strößenreuther, der Nachrichtenagentur dpa. Auch ein Datum, bis wann das Gesetz durchgesetzt werden soll, müsse idealerweise auftauchen. Noch sei ihr Gesetzentwurf noch nicht einmal geprüft, werfen die Fahrrad-Aktivisten dem bisher amtierenden Sendat vor.
Die Grünen, als klassische Fahrradfahrer-Partei, unterstützen die Initiatve für eine bessere Zweirad-Infrastruktur. Unterstützend dazu wollen Linke und Grüne auch den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) attraktiver machen. Statt der bisher üblichen Tickets solle die BVG eine Art "Flatrate" einführen, bei der die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel solidarisch von allen Bürgern finanziert werden soll, fordern die beiden potenziellen Koalitionspartner der SPD.
Die SPD will zwar den Radverkehr ausbauen, setzt aber weiterhin auch aufs Auto und den Weiterbau der Stadtautobahn A100. Linke und Grüne lehnen die Verlängerung der A100 zwar kategorisch ab, doch daran sollen die Verhandlungen diesmal nicht scheitern. So sieht Grünen-Spitzenkandidat Daniel Wesener im Weiterbau der A100 wenig Konfliktstoff: "Das wird eh auf Bundes- und nicht auf Landesebene entschieden", sagte Wesener in der vergangenen Woche. Inzwischen sind auch etliche SPD-Genossen nicht mehr vom Weiterbau überzeugt.