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Quelle: imago/Westend61

Kurz vor Abschluss der Koalitionsgespräche

Kritik an rot-rot-grünen Plänen für Berlin

Rot-Rot-Grün will viel Geld in Berlin investieren und dafür auch Steuern erhöhen. Das stößt kurz vor Ende der Koalitionsgespräche auf viel Kritik. Von "veräppeln" und "versündigen" ist da die Rede und dass die Politik erst mal die Ausgabenseite in den Griff bekommen müsse.

Kurz vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen von SPD, Linken und Grünen in Berlin hat der Bund der Steuerzahler eindringlich vor Steuererhöhungen gewarnt. "Berlin nimmt seit Jahren Steuern in Rekordhöhe ein. Weitere Belastungen für die Bürger und Unternehmer sind das falsche Signal", erklärte Verbandschef Alexander Kraus am Montag. Die Berliner hätten ihren Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts bereits geleistet. Nun müsse die Politik "die Ausgabenseite" in den Griff bekommen, so Kraus.

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Vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen

Rot-Rot-Grün biegt in die Zielgerade ein

Seit Anfang Oktober verhandeln SPD, Linke und Grüne in Berlin. Am Mittwoch soll ein Regierungsprogramm stehen, es stehen harte Gespräche bevor. Die Verhandlungsführer kamen am Montag zunächst in kleiner Runde zusammen. Von Susanne Gugel

Koalitionsvertrag soll bis Mittwoch stehen

SPD, Linke und Grüne wollen die Zweitwohnungssteuer anheben und sprechen auch über höhere Grunderwerbs-, Gewerbe- oder Grundsteuern, um den Spielraum für Investitionen zu erhöhen. Zudem soll eine noch zu gründende landeseigene Gesellschaft am Haushalt vorbei auch Kredite aufnehmen können. Entscheidungen dazu wie auch zu anderen noch offenen Fragen sollen in den abschließenden Verhandlungen fallen, die am Montag begannen.

Bis spätestens Mittwoch wollen sich die Parteien, die seit knapp sechs Wochen über die Bildung des bundesweit ersten rot-rot-grünen Bündnisses unter SPD-Führung reden, auf einen Koalitionsvertrag verständigen. Dem Vernehmen nach summieren sich die angemeldeten Wünsche auf bis zu drei Milliarden Euro. Dem gegenüber stehen finanzielle Spielräume im Haushalt von 500 bis 700 Millionen Euro. In den Schlussrunden muss nun festgelegt werden, was finanzierbar ist und was im Zweifel keinen Eingang in den Koalitionsvertrag findet.

"Langer Wunschzettel an den Weihnachtsmann"

Die Berliner CDU monierte, Rot-Rot-Grün habe viel mehr Wünsche als Geld. Die Vorhaben seien nicht seriös mit den Finanzen der Hauptstadt in Einklang zu bringen, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Heiko Melzer. Die Abkehr von ausgeglichenen Haushalten sei zukunftsraubend und versündige sich am Spielraum künftiger Generationen.

AfD-Fraktionschef Georg Pazderski hielt den künftigen Koalitionären vor, die Bürger mit einem "langen Wunschzettel an den Weihnachtsmann" zu "veräppeln". "Doch was auf dem Papier steht, wird mangels Geld kaum Wirklichkeit werden. Und das ist auch gut so."

Wirtschaft lehnt längeres BER-Nachtflugverbot ab

Unterdessen appellierte die Wirtschaft an die neue Koalition, die Nachtflugzeiten am neuen Flughafen BER nicht anzutasten. "Berlin-Brandenburg muss als Luftfahrtstandort international konkurrenzfähig sein. Mit weiteren Beschränkungen für die Airlines werden wir das nicht schaffen", sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Christian Amsinck. Der BER habe das Zeug zum Jobmotor und Treiber für Wirtschaftswachstum. "Dazu muss er aber attraktiver sein als die direkten Wettbewerber."

In der Endphase der Verhandlungen geht es einem Bericht der "Berliner Morgenpost" vom Wochenende zufolge auch um Überlegungen, das Nachtflugverbot für den noch nicht eröffneten BER auszuweiten. Nach bisherigen Planungen soll es am neuen Hauptstadtflughafen von 00.00 Uhr bis 05.00 Uhr keine Starts und Landungen geben. Linke und Grüne fordern Ruhe zwischen 22 und 6 Uhr.

Über diese Punkte diskutieren SPD, Linke und Grüne

1) Arbeit und Soziales

Eine rot-rot-grüne Koalition soll sich nach dem Willen von SPD, Linkspartei und Grünen besonders um die soziale Gerechtigkeit in Berlin kümmern. Die Armut in Berlin soll also stärker bekämpft werden und deutlich mehr Menschen sollen den Berlin-Pass erhalten. Den Pass gibt es allerdings nur, wenn genug Geld da ist. Darüber entscheiden SPD, Linke und Grüne am Ende der Koalitionsverhandlungen. Mit dem Berlin-Pass könnten auch Wohngeld-Bezieher günstigere Nahverkehrstickets und Ermäßigungen bei Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten bekommen.

Festgelegt haben sich SPD, Linke und Grüne bereits darauf, mehr Plätze für die Kältehilfe einrichten zu wollen: 1.000 sollen es werden, bislang gibt es 800 solcher Übernachtungsplätze.

2) Gesundheit

SPD, Linke und Grüne wollen die Finanzierung der Berliner Krankenhäuser neu regeln. Die Häuser sollen mehr Geld für die Sanierung ihrer Gebäude bekommen, damit nicht am Personal gespart wird um die Krankenhäuser zu reparieren. Außerdem sollen niedergelassene Ärzte besser über die Stadt verteilt werden. Das kündigten die potenziellen Koalitionspartner am 24.10. nach fünfstündigen Verhandlungen zur Gesundheitspolitik an. Verbesserungen soll es auch beim öffentlichen Gesundheitsdienst geben, der beispielsweise Erstuntersuchungen bei der Einschulung, Impfungen und Infektionsschutz verantwortet.

3) Verkehr und Mobilität

Mehr Radwege, besserer ÖPNV, keine A100-Verlängerung - beim Thema Verkehr sind sie sich am 4.11. in vielen Punkten einig geworden. Geht es nach den Parteien, fahren auf dem Berliner Boulevard Unter den Linden ab 2019 keine normalen Autos mehr sondern Busse, Taxis und Fahrradfahrer. Fußgänger sind natürlich auch erlaubt. Auch will man alle Forderungen des Fahrrad-Volksentscheids übernehmen. Dazu gehören Radwege an allen Hauptstraßen, mehr Fahrradstraßen und entschärfte Kreuzungen.

Weiter wurde beschlossen, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auszubauen. Es soll mehr Straßenbahnlinien geben, die auch in den Westen der Stadt weiter geführt werden. Auf dem S-Bahnring sollen die Bahnen in einem dichteren Takt fahren. Und die Fahrpreise für den BVG und S-Bahn sollen eingefroren werden - wobei die Fahrpreiserhöhung zum 1. Januar kommen wird. Die war noch unter der noch amtierenden Regierung beschlossen worden.

Der Vorschlag der Fachgruppen, innerhalb des S-Bahn-Rings alle Parkplätze kostenpflichtig zu machen ist noch nicht durch. Hier soll erst einmal geprüft werden. Zudem ist die Parkraumbewirtschaftung Sache der Bezirke.

4) Umwelt, Klimaschutz und Energie

SPD, Linke und Grüne wollen alle Energienetze in Berlin in die öffentliche Hand nehmen. Dadurch soll die Energie-und Wärmeversorgung sicher und bezahlbar bleiben. In den laufenden Koalitionsverhandlungen formulierten die drei Parteien, dass sie eine Rekommunalisierung sowohl beim Stromnetz, als auch bei Gas und Fernwärme anstreben.

Außerdem soll das Berliner Stadtwerk ausgebaut werden und deutlich mehr Kompetenzen bekommen: In Zukunft soll es auch mit Strom handeln dürfen.

5) Bildung, Jugend und Wissenschaft

(Untergruppen Kita/Jugend, Bildung/Schule, Wissenschaft)

SPD, Linke und Grüne wollen den Hochschulen in Berlin künftig mehr Geld geben. Man habe sich darauf geeinigt, dass die Steuermittel, die in die Uni-Etats fließen, pro Jahr um 3,5 Prozent steigen sollen. Außerdem sollen die Unis jedes Jahr 2000 Lehrer fertig ausbilden, bislang sind es 750 im Jahr.

Das Probejahr am Gymnasium soll entgegen der Absicht von Linken und Grünen erhalten bleiben.

Die Parteien wollen zudem die unbürokratische Versorgung der Berliner Kinder mit Hort- und Kitaplätzen verbessern. Dazu sollen die Bedarfsprüfungen zu einem großen Teil abgeschafft werden. Für einen Kitaplatz müssen Eltern nur noch dann ihren Bedarf nachweisen, wenn sie ihre Kinder 9 Stunden oder länger betreuen lassen wollen. Nicht durchsetzen konnte sich die SPD mit ihrer Forderung nach gebührenfreien Hortplätzen. Dafür einigten sich die Parteien, noch mehr Geld in den Ausbau von Kitaplätzen zu stecken.

Geplant sind 1.000 zusätzliche neue Kita-Plätze. Dafür sind Investitionen in Höhe von 25 Millionen Euro vorgesehen. Die stehen aber noch unter dem Vorbehalt einer letzten Finanzrunde. Dann dürfte auch die Sanierung der maroden Schulgebäude und die Bezahlung der Lehrer noch einmal Thema werden. Über die Betreuungsqualität in den Kitas wollen die Parteien in der Schlussrunde der Verhandlungen weiter diskutieren.

6) Frauen und Emanzipation

Einen Schwerpunkt will die mögliche Koalition bei Alleinerziehenden setzen. So wie von SPD-Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig bundesweit geplant sollen zum einen alleinerziehende Elternteile den Unterhaltsvorschuss künftig bis zum 18. statt zwölften Lebensjahr ihres Kindes bekommen, zum anderen soll die Begrenzung der Bezugsdauer auf sechs Jahre gestrichen werden.

Zudem sollen zukünftig in landeseigenen Betrieben und in der Berliner Verwaltung mehr Ausbildungsplätze für Frauen reserviert werden. In technischen Berufen soll jede zweite Lehrstelle zuerst an junge Frauen vergeben werden.

Außerdem sollen die Plätze in Frauenhäusern ausgebaut und Opfer von Stalking oder auch Menschenhandel besser unterstützt werden.

7) Innovative Wirtschaft

Berlin soll bei der Digitalisierung aufrüsten, ein stadtweites WLAN soll her, der Breitband-Ausbau soll vorankommen und der Industriestandort Berlin ausgebaut werden. Das sind nur einige der Punkte, auf die sich die potenzielle Berliner Regierung am 26.10. bei ihren Koalitionsverhandlungen zur Wirtschaftspolitik geeinigt hat. Außerdem soll der Messestandort Berlin ausgebaut werden. Das ICC allerdings wird in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nicht saniert. Aber es bleibt dabei, dass der Flughafen Tegel nach seiner Schließung zum Innovationsstandort werden soll.

8) Kultur, Medien und Netzpolitik

SPD, Grüne und Linke verständigten sich darauf, den Berlinern den Zugang zur Kultur zu erleichtern. Um finanzielle Hürden abzubauen, sollen soll es künftig einen kostenlosen Tag in Berlins Museen geben. So wollen die Parteien mehr Berlinerinnen und Berliner in die Museen bekommen und möglichst auch noch für die Kunst und Kultur begeistern.

9) Integration und Flüchtlingspolitik

Die Parteien wollen die Flüchtlingspolitik komplett neu aufstellen. Großunterkünfte wie die Hangars in Tempelhof sollen schnell geschlossen werden und Flüchtlinge zügig in Wohnungen untergebracht werden. Nicht nur die Unterbringung der Geflüchteten war Thema in den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und Linken, sondern auch die Abschiebepolitik. Gerade hier strebt man einen echten Kurswechsel an. Abschiebungen sollen demnach nur noch die "Ultima Ratio" sein.

10) Bauen, Wohnen und Mieten

SPD, Linken und Grüne wollen die Mieten in Berlin bezahlbar halten. Dafür will Rot-Rot-Grün in den nächsten fünf Jahren 55.000 neue landeseigenene Wohnungen schaffen. Jedes Jahr sollen 6.000 Wohnungen gebaut und zusätzlich welche gekauft werden. Die Hälfte davon soll an einkommensschwache Mieter mit Wohnberechtigungsschein vergeben werden. Mieterhöhungen, auch durch Modernisierungen, sollen in den landeseigenen Wohnungen stark begrenzt, die Mieten für Sozialwohnungen gesenkt und nach Einkommen gestaffelt werden. Einig sind sich die drei Parteien auch darin, die Wohnungsgenossenschaften zu stärken, etwa mit günstigen landeseigenen Grundstücken.

Die Diskussion über Großprojekte wie das geplante neue Stadtquartier auf der Elisabeth-Aue in Pankow wurde zunächst vertagt.

11) Öffentliche Sicherheit und Bürgerrechte

(Untergruppen Inneres, Recht/Verbraucherschutz, Sport)

Hier gab es viele strittige inhaltliche Punkte zwischen SPD, Linken und Grünen, bei der Videoüberwachung, dem Verfassungsschutz oder in der Drogenpolitik. In allen drei Bereichen einigten sich die Parteien und kippten dabei einige Projekte der ehemaligen Großen Koalition.

So soll es keine Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen geben. Der Modellversuch am Alexanderplatz, den die SPD eigentlich fortführen wollte, soll beendet werden. Dafür ist geplant, dass mehr Polizei präsent sein wird -  am Alexanderplatz mit einer neuen Wache und möglicherweise in Kooperation mit der Bundespolizei.

Die Zahl der Polizisten soll von derzeit rund 22.000 bis 2021 um etwa 1.400 aufgestockt werden. Rund 800 davon sollen zügig eingestellt werden. Der Landesverfassungsschutz bleibt bestehen. V-Leute sollen künftig nur noch in begründeten Fällen eingesetzt werden, jeder von ihnen muss einzeln genehmigt werden.

Ein wissenschaftliches Konzept zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene soll erarbeitet werden. Ziel ist auch, bereits bestehende Möglichkeiten zur Behandlung von Schmerzpatienten mit Cannabis auszuweiten. Die sogenannte Null-Toleranz-Zone im Görlitzer Park wird aufgehoben.

12) Personal und Verwaltung

Berliner sollen schneller Termine in den Bürgerämtern bekommen. Darauf haben sich SPD, Linke und Grüne in ihren Koalitionsverhandlungen am 10. November geeinigt. Alle Bürger sollen ihre Anliegen innerhalb von zwei Wochen erledigen können. Das ist ein Ziel für das Jahr 2017. Bürger sollen auch die Möglichkeit bekommen, mehr Anliegen von zu Hause abzuwickeln, ohne selbst im Bürgeramt zu erscheinen. Die Idee ist ein persönliches Online-Servicekonto.

Offen blieb in der Koalitionsverhandlungsrunde, wie die Arbeit im öffentlichen Dienst durch eine bessere Bezahlung attraktiver werden soll. Darüber wollen die Parteien weiter verhandeln.

13) Haushalt und Finanzen

Ab 2018 will Rot-Rot-Grün mindestens 2 Milliarden Euro jährlich in die Sanierung von Schulen, Krankenhäusern, Straßen, in den Radverkehr und weitere Bereiche der öffentlichen Infrastruktur investieren. Das sind rund 400 Millionen Euro mehr als bisher. Ein Teil des Geldes soll über Kredite aufgenommen werden. In die Schuldentilgung sollen mindestens 80 Millionen Euro fließen, um die Sonderzuschüsse des Bundes für finanzschwache Länder nicht zu verlieren. Beschlossen ist eine Erhöhung der Zweitwohnungssteuer.

14) Verbraucherschutz

In öffentlichen Einrichtungen soll in Zukunft mehr Bio-Essen angeboten werden. Der Anteil an ökologischer Kost in Kitas, Schulen oder Kantinen solle bis 2022 deutlich erhöht werden.

Ein neuer Anlauf soll bei der Kennzeichnung von Gaststätten mit Smileys im Hinblick auf deren Qualität bei der Hygiene genommen werden. Die geplante Koalition will sich nach dpa-Informationen für eine bundesweite Regelung einsetzen. Sollte diese bis Ende 2018 nicht zustande kommen, soll ein Landesgesetz her.  

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