Koalitionsverhandlungen zu Integration und Flüchtlingen - Abschiebung soll in Berlin zur Ultima Ratio werden
SPD, Linke und Grünen wollen die Flüchtlingspolitik komplett neu aufstellen. Nicht nur die Unterbringung der Geflüchteten war Thema in den Koalitionsverhandlungen, sondern auch die Abschiebepolitik. Gerade hier strebt man einen echten Kurswechsel an. Von Nina Amin
Bei der Versorgung von Geflüchteten lief einiges schief in Berlin, nicht zuletzt durch die chaotische Unterbringung vor gut einem Jahr. Noch immer leben Menschen in Turnhallen oder ehemaligen Flugzeughangars. SPD, Linke und Grünen wollen die Flüchtlingspolitik jetzt komplett neu aufstellen.
Bei ihren Koalitionsverhandlungen legten sie in dieser Woche bis spät in die Nacht dafür die Eckpunkte fest.
Enge Zusammenarbeit ist unerlässlich
Mit ein Grund für das Chaos am Lageso und der immer noch schleppenden Integration der Geflüchteten sei die fehlende Zusammenarbeit der verschiedenen Senatsverwaltungen. Das soll sich unter Rot-Rot-Grün ändern, sagte Katina Schubert, Landesgeschäftsführerin der Linken. "Die Parteien sind sich einig, dass wir zu einer anderen Arbeitsweise kommen müssen, als es der vergangene Senat getan hat. Wo der eine neben dem anderen sitzt und guckt, wie die Leichen vorübertreiben."
Konkret heißt das, enger zusammenarbeiten bei Top 1 der Rot-Rot-Grünen Prioritätenliste. Große Notunterkünfte wie die Hangars am Tempelhofer Feld oder das ICC sollen so schnell wie möglich geschlossen, die mehr als 20.000 in Notunterkünften lebenden Menschen in Wohnungen untergebracht werden. Dazu sollen leerstehende Landes- und Bundesimmobilien ertüchtigt und zu bezahlbarem Wohnraum werden. Eine Idee, die der CDU-Sozialsenator Mario Czaja vor einigen Jahren auch schon hatte. Damals hieß es allerdings, die Ertüchtigung würde zu lange dauern. Auch bei den vom rot-schwarzen Senat geplanten Fertighäusern soll es eine Kurskorrektur geben. "Wir wollen, dass die MUFs, die gebaut werden und noch nicht ausgeplant sind, umstrukturiert werden. Sodass tatsächlich Wohnungen gebaut werden", so Schubert.
Das Thema Abschiebung soll anders angegangen werden
Verabredet haben die künftigen Koalitionspartner auch, dass sie das Thema Abschiebung anders angehen wollen. Die Grünen-Vorsitzende Bettina Jarasch sprach von einem Paradigmenwechsel. "Auch diese Koalition wird am Ende in Fällen, wo es nicht anders geht, abschieben müssen. Aber wir werden die Priorität auf freiwillige Rückführungen, auf unterstützte Rückkehr, setzen. Das heißt, Abschiebung ist dann eben nur noch Ultima Ratio".
Außerdem, so Jarasch, werde es - wie unter Rot-Schwarz geschehen - keine Direktabschiebungen mehr aus Schulen, Jugendeinrichtungen oder Krankenhäusern geben. Familien sollen nicht mehr getrennt werden. Auch auf Bundesebene wollen sich SPD, Linke und Grüne für eine humanitäre Flüchtlingspolitik einsetzen. Laut Jarasch werde sich Berlin im Bundesrat für einen leichteren Familiennachzug einsetzen.