Tabellenletzter - Welchen Anteil hat Oliver Ruhnert an der Union-Misere?

Mo 13.11.23 | 14:27 Uhr | Von Till Oppermann
  14
Oliver Ruhnert sitzt traurig auf der Trainerbank in Leverkusen. (Quelle: imago/Matthias Koch)
imago/Matthias Koch
Video: Hauptstadtderby | Folge 157 | Axel Kruse, Christian Beeck & Dirk Walsdorff | Bild: imago/Matthias Koch

Nach einem Drittel der Saison ist Union Berlin Tabellenletzter. Von den hochveranlagten Neuzugängen ist bisher keiner eine Verstärkung. Sport-Geschäftsführer Oliver Ruhnert ist für die Kaderplanung verantwortlich. Von Till Oppermann

Geht man nach den Fotos der Bildatenbank "Imago", ist Oliver Ruhnert ein sehr einsamer Mann. Auf den meisten Bildern aus den letzten Wochen sitzt Unions Sport-Geschäftsführer nach einer Niederlage alleine auf einer Auswechselbank und starrt ins Leere. Gründe, um nachdenklich zu sein, hat er genug.

Nach der 0:4-Schlappe in Leverkusen sind die Champions-League-Teilnehmer aus Köpenick nach neun Niederlagen in Serie auf dem letzten Platz der Bundesliga angekommen. Und weil das im Fußball eben so läuft, wird schon längst über die Zukunft von Trainer Urs Fischer diskutiert. Sein Chef Ruhnert steht weniger im Fokus. Dabei fallen einige der Ursachen für die Union-Misere in seinen Aufgabenbereich.

Qualität reicht nicht einmal für Punkte in der Liga

Mit Stars wie Ex-Nationalspieler Kevin Volland, Europameister Leonardo Bonucci und Rekordeinkauf Robin Gosens wollte Ruhnert den Kader im Sommer für die Champions League rüsten. Das ist misslungen. Aktuell reicht Unions Qualität noch nicht einmal für Punkte in der Bundesliga. "Leverkusen war einfach eine Klasse zu stark für uns, in allen Belangen", sagte Christopher Trimmel nach dem Spiel am vergangenen Sonntag.

Selbstvertrauen und Kampfgeist hören sich anders an. Dabei wirkte die Transferperiode im Sommer wie Ruhnerts Meisterstück. Nachdem der Manager in den Jahren zuvor regelmäßig Leistungsträger ersetzen musste, hielten die Eisernen diesmal alle wichtigen Spieler. Dazu kamen potenzielle neue Leistungsträger. Noch nach dem 4:2-Sieg in Darmstadt am zweiten Spieltag titelte die Süddeutsche Zeitung: "Union fliegt einfach weiter."

Verpatzte Transferphase

Dass daraus seitdem wenn nicht gleich eine Bruchlandung bestenfalls ein Tiefflug wurde, hängt insbesondere mit den Neuzugängen zusammen. Keiner von ihnen konnte bisher wirklich überzeugen. In Leverkusen musste sogar Nationalspieler Gosens auf der Bank platznehmen - zum zweiten Mal in Folge. Auf dem Platz standen dafür die Neuen Leonardo Bonucci - nach 23 Minuten verletzt raus, Alex Kral - mit einem Fehlpass Schuld am ersten Gegentor, und Stürmer David Datro Fofana - kein Torschuss bis zu seiner Auswechselung in der 78. Minute.

Ein Geheimnis der Union-Erfolge der vergangenen Jahre war die Arbeitsteilung zwischen Präsident Dirk Zingler, Trainer Fischer und Ruhnert: Bei Union konzentriert sich jeder nur auf seinen Aufgabenbereich und redet dem Kollegen nicht rein. Für die Kaderplanung ist eben Ruhnert verantwortlich. Im Erfolg, aber eben auch im Misserfolg.

Strategie nicht geändert

Weil Unions Aufstieg aus der zweiten Liga bis zur dreimaligen Europacupteilnahme stets auch davon geprägt war, dass Spieler über sich hinauswuchsen, verdiente sich Ruhnert den Ruf, ein gutes Auge für versteckte Talente von Fußballern zu haben, die bisher unter dem Radar spielten. Spieler wie Niko Gießelmann und Kevin Behrens reiften bei Union von soliden Zweitligakickern zu zuverlässigen Scorern in der Bundesliga.

Und Ruhnert konnte noch mehr. Schon immer war es Teil seiner Transferstrategie, sich auch an auf den ersten Blick unrealistische Personalien zu wagen. Bonucci, Volland und Gosens hießen früher Neven Subotic, Robin Knoche und Max Kruse, das Prinzip war ähnlich: Mit ihrer Klasse und Erfahrung sollten sie das Kollektiv auf eine neue Ebene heben. Bei seiner Strategie ist sich Ruhnert also auch in diesem Sommer treu geblieben. Nur der Erfolg hat ihn verlassen.

Individuelle Erklärungen wie die verpassten Saisonvorbereitungen von Bonucci und Lucas Tousart können nicht darüber hinwegtäuschen, dass bisher kein Neuzugang Union verstärkt. Noch schlimmer: Während der Verletzungspausen von Knoche und Rani Khedira stellten Neuzugänge wie Bonucci und Kral eine Verschlechterung dar. Wer also Urs Fischer für die schlechten Leistungen kritisiert, sollte nicht vergessen, dass er mit dem arbeiten muss, was ihm Oliver Ruhnert gegeben hat.

Ruhnert hätte handeln können

Nach der leblosen Leistung in Leverkusen sagte Fischer: "Wenn du Abstiegskampf spielst, dann braucht es eine andere Körpersprache, eine andere Mentalität." Eine Schwäche, die Kaderplaner Ruhnert schon während der Transferphase bewusst gewesen war, als er im August zugegeben hatte, dass der Mannschaft "noch ein bisschen Mentalität und Leben" fehle. Vielleicht denkt Ruhnert auch daran, wenn er nach den Spielen einsam durch das Stadion guckt. Er hätte diese Lücke schließen können.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.11.2023, 14:15 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

14 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 14.

    Hab mir gerade mal die 4 Gegentore angeschaut und finde, abgesehen von der Mannschaft, dass der Torwart bei allen Gegentreffern nicht sehr gut aussah...

  2. 13.

    Wissen Sie überhaupt wovon Sie reden, welche Erinnerungen sind Ihnen entgange?
    Ich erinnere nur an Spezialisten welche mit Buschzulage hergelockt wurden und oft das Gegenteil von Leistungsbereitschaft zeigten.

  3. 12.

    Solche Sprüche lieben die Menschen im Osten.Danke dafür. Unglaublich.

  4. 11.

    Die 1. Mannschaft des von Ihnen genannten Köpenicker FC schlägt sich in Staffel 1 der Berliner Landesliga gerade mit 5 Siegen nach 11 Spieltagen ganz ordentlich und wird wohl tatsächlich nicht in die Berliner Bezirksliga absteigen.

    Was, 6 Ligen höher, diese Saison aus den Mannen um U. Fischer wird - das ist doch etwas ungewisser.

  5. 10.

    Na ja, sag ich doch. Da kommt die leistungsscheue DDR-Mentalität wieder durch.

    Lieber ein Verlierer sein als für den Klassenerhalt zu kämpfen. Typisch DDR.

  6. 9.

    Urs Fischer ist Bundesliga Trainer des Jahres geworden - der wird hier nicht entlassen ; ))

  7. 8.

    So sieht's mal aus, Robert. Der FCU hatte gute und sehr gute sowie schlechte und sehr schlechte Zeiten, das hat uns nicht ausflippen lassen oder umgehauen. Der Verein hat aktuell ca. 63.000 Mitglieder und liegt in der Ewigen-BL-Tabelle nach nicht mal viereinhalb Spielzeiten immerhin auf Platz 34, was ja schonmal nicht schlecht ist. Wir werden ewig leben!

  8. 7.

    Ich finde es immer schade, dass häufig Vergleiche zu diesen Vereinen gezogen werden.
    Mich interessieren die nicht und auch nicht die Meinungen zu unserem Verein.

    Vielmehr sollten wir geschlossen hinter Union stehen, auch wenn es am Ende nicht reichen sollte. Denn wie schon gesagt, wir haben schon andere Zeiten erlebt!
    Eisern

  9. 6.

    Der Köpenicker FC steigt natürlich nicht ab. Dieser größte Kultklub dieser Erde geht nur zurück zu den Wurzeln.

  10. 5.

    Mein Gott - was haben wir UNIONER alles erlebt - wir haben gerade den 11. Spieltag spielen Bundesliga und Königsklasse.
    Urs Fischer ist der Beste Trainer, 2. Liga, 1. Bundesliga, Conference L, Europapokal, CL - seid ihr völlig irre - seht mal wo Hertha ist oder die 08er.


  11. 3.

    Besser ,lieber absteigen,ohne Worte.Als absteigen mit ner großen Klappe und ohne Leistung. Andere Verein,andere Farben.

  12. 2.

    Herrlich, diese Verlierer-Mentalität. Lieber absteigen, ohne Worte. Das Leistungsprinzip ist in Köpenick noch nicht angekommen.

  13. 1.

    Wenn man sich noch einmal alle Kommentare der vergangenen Spielzeit und auch die positiven Kommentare der ersten beiden Spiele der neuen Saison vor Augen führt, in den auch viel über das tolle Umfeld und den einzigartigen Charakter dieses Vereins berichtet worden ist, dann sollte man jetzt in diesen spielerisch schlechten Zeiten nicht nach Verantwortlichen im Umfeld und den Spielern suchen, sondern wiederum Charakter zeigen, und sportlich absteigen, wenn es dann so kommen sollte.

Nächster Artikel