Strukturwandel - Wie kleinere Lausitzer Firmen unter dem Abwerben von Mitarbeitern leiden
Im Lausitzer Strukturwandel sind Fachkräfte zum wertvollsten Gut geworden. Große Unternehmen werben mit Prämien um neue Mitarbeiter - kleinere Firmen haben häufig das Nachsehen. Die Wirtschaftskammern können nur zusehen. Von Aspasia Opitz
Wann immer vom Lausitzer Strukturwandel die Rede ist, ist spätestens im zweiten Satz die Rede vom Bahnwerk in Cottbus. Das modernste Werk seiner Art in Europa entsteht hier, zwei gigantische Hallen, in denen die neuesten ICE gewartet werden sollen - ein Leuchtturmprojekt für die Region, 1.200 neue Arbeitsplätze sollen hier entstehen.
Schon jetzt sucht die Bahn deshalb nach Mitarbeitern und das häufig auch in bereits bestehenden Betrieben in der Region, wie rbb-Recherchen zeigen. Weil insbesondere technisch ausgebildete Fachkräfte auch in der Lausitz heiß begehrt sind, haben kleinere Firmen oft das Nachsehen. Ihnen werden die Mitarbeiter regelrecht abgeworben, zum Teil mit hohen Prämien.
Tankgutscheine statt höherer Bezahlung
Lars Wertenauer kennt das Problem. Er führt einen Metallbaubetrieb in Kolkwitz (Spree-Neiße), unmittelbar an Cottbus angrenzend. 60 Mitarbeiter waren mal bei ihm beschäftigt, die Auftragsbücher sind voll. Allein in diesem Jahr hat er aber schon sechs Fachkräfte an große Konkurrenten, wie eben die Bahn oder auch den Tagebau- und Kraftwerksbetreiber Leag verloren, sagt er.
Er wolle das neue Bahnwerk nicht schlechtreden, so Wertenauer. Er freue sich durchaus darüber, dass Cottbus einen solchen wirtschaftlichen Anker bekomme. Doch mit den Bezahlungen, die die Bahn als Großbetrieb bieten könne, könne er als Mittelständler nicht mithalten, gibt er zu.
Mit flexiblen Arbeitszeiten und Tankgutscheinen versucht er seine Fachkräfte zu halten. Doch das reicht nicht, um das monatliche Lohndefizit auszugleichen. "Da, wo Techniker arbeiten, Ingenieure arbeiten, da ist es so, dass Mitarbeiter aktiv abgeworben werden. Das ist wirklich ein Punkt, der absolut nervt", sagt Wertenauer.
5.000 Euro für einen Kraftfahrzeugmechatroniker
Die Handwerks- (HWK) und auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) können gegen diesen Fachkräftekannibalismus nicht viel ausrichten. Man versuche, die Vorzüge familärer Betriebe zu betonen, sagt Manuela Glühmann von der IHK: kleinere Teams, direkterer Draht zum Chef. "Natürlich mahnen wir die großen Player an, fair damit umzugehen", sagt sie. Man sei auch in sehr aktiven Gesprächen, insbesondere mit der Bahn und mit der Leag. "Wir wissen auch, dass die sich deren Verantwortung bewusst sind."
Das Verantwortungsbewusstsein scheint allerdings nicht besonders ausgeprägt zu sein. Zum Teil werden hohe Ablöseprämien an Mitarbeiter kleinerer Unternehmen gezahlt. Mittlerweile zahlen beispielsweise auch einige Autohäuser in der Region Fachkräften bis zu 5.000 Euro an, wenn die in den Betrieb wechseln.
Landesregierung findet Wettbewerb positiv
In der Brandenburger Landesregierung wird das gegenseitige Abwerben von Fachkräften sogar positiv bewertet, wie Hendrik Fischer, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, dem rbb sagt. Der Arbeitsmarkt sei mittlerweile nunmal davon geprägt, dass nicht die Arbeitnehmer nach Stellen suchen, sondern die Arbeitgeber ihre Stellen besetzen müssen. "Wir finden das besser als die Situation, die wir vorher hatten", so Fischer.
Auch kleinere und mittlere Unternehmen hätten das verstanden, sagt Fischer. Das Ministerium versuche durch Moderationsprozesse zu helfen, zudem gebe es verschiedene Förderungen, etwa bei der Ausbildung junger Fachkräfte. Für entscheidend hält er den Zusammenschluss mehrerer Unternehmen, die sogenannte Verbundausbildung. "Viele unserer kleinen Unternehmen sind häufig nicht in der Lage, das Umfeld für einen einzelnen Auszubildenden zu bieten", so Fischer.
Der Fachkräftemangel im Lausitzer Strukturwandel wird ein Problem bleiben. In den kommenden Jahren sollen rund 3.800 neue Jobs in der Region entstehen - die müssen besetzt werden.
Sendung: Antenne Brandenburg, 26.10.2023, 16:40 Uhr