Strukturwandel - Wie kleinere Lausitzer Firmen unter dem Abwerben von Mitarbeitern leiden

Do 26.10.23 | 16:45 Uhr
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Audio: Antenne Brandenburg | 26.10.2023

Im Lausitzer Strukturwandel sind Fachkräfte zum wertvollsten Gut geworden. Große Unternehmen werben mit Prämien um neue Mitarbeiter - kleinere Firmen haben häufig das Nachsehen. Die Wirtschaftskammern können nur zusehen. Von Aspasia Opitz

Wann immer vom Lausitzer Strukturwandel die Rede ist, ist spätestens im zweiten Satz die Rede vom Bahnwerk in Cottbus. Das modernste Werk seiner Art in Europa entsteht hier, zwei gigantische Hallen, in denen die neuesten ICE gewartet werden sollen - ein Leuchtturmprojekt für die Region, 1.200 neue Arbeitsplätze sollen hier entstehen.

Schon jetzt sucht die Bahn deshalb nach Mitarbeitern und das häufig auch in bereits bestehenden Betrieben in der Region, wie rbb-Recherchen zeigen. Weil insbesondere technisch ausgebildete Fachkräfte auch in der Lausitz heiß begehrt sind, haben kleinere Firmen oft das Nachsehen. Ihnen werden die Mitarbeiter regelrecht abgeworben, zum Teil mit hohen Prämien.

Tankgutscheine statt höherer Bezahlung

Lars Wertenauer kennt das Problem. Er führt einen Metallbaubetrieb in Kolkwitz (Spree-Neiße), unmittelbar an Cottbus angrenzend. 60 Mitarbeiter waren mal bei ihm beschäftigt, die Auftragsbücher sind voll. Allein in diesem Jahr hat er aber schon sechs Fachkräfte an große Konkurrenten, wie eben die Bahn oder auch den Tagebau- und Kraftwerksbetreiber Leag verloren, sagt er.

Er wolle das neue Bahnwerk nicht schlechtreden, so Wertenauer. Er freue sich durchaus darüber, dass Cottbus einen solchen wirtschaftlichen Anker bekomme. Doch mit den Bezahlungen, die die Bahn als Großbetrieb bieten könne, könne er als Mittelständler nicht mithalten, gibt er zu.

Mit flexiblen Arbeitszeiten und Tankgutscheinen versucht er seine Fachkräfte zu halten. Doch das reicht nicht, um das monatliche Lohndefizit auszugleichen. "Da, wo Techniker arbeiten, Ingenieure arbeiten, da ist es so, dass Mitarbeiter aktiv abgeworben werden. Das ist wirklich ein Punkt, der absolut nervt", sagt Wertenauer.

5.000 Euro für einen Kraftfahrzeugmechatroniker

Die Handwerks- (HWK) und auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) können gegen diesen Fachkräftekannibalismus nicht viel ausrichten. Man versuche, die Vorzüge familärer Betriebe zu betonen, sagt Manuela Glühmann von der IHK: kleinere Teams, direkterer Draht zum Chef. "Natürlich mahnen wir die großen Player an, fair damit umzugehen", sagt sie. Man sei auch in sehr aktiven Gesprächen, insbesondere mit der Bahn und mit der Leag. "Wir wissen auch, dass die sich deren Verantwortung bewusst sind."

Das Verantwortungsbewusstsein scheint allerdings nicht besonders ausgeprägt zu sein. Zum Teil werden hohe Ablöseprämien an Mitarbeiter kleinerer Unternehmen gezahlt. Mittlerweile zahlen beispielsweise auch einige Autohäuser in der Region Fachkräften bis zu 5.000 Euro an, wenn die in den Betrieb wechseln.

Landesregierung findet Wettbewerb positiv

In der Brandenburger Landesregierung wird das gegenseitige Abwerben von Fachkräften sogar positiv bewertet, wie Hendrik Fischer, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, dem rbb sagt. Der Arbeitsmarkt sei mittlerweile nunmal davon geprägt, dass nicht die Arbeitnehmer nach Stellen suchen, sondern die Arbeitgeber ihre Stellen besetzen müssen. "Wir finden das besser als die Situation, die wir vorher hatten", so Fischer.

Auch kleinere und mittlere Unternehmen hätten das verstanden, sagt Fischer. Das Ministerium versuche durch Moderationsprozesse zu helfen, zudem gebe es verschiedene Förderungen, etwa bei der Ausbildung junger Fachkräfte. Für entscheidend hält er den Zusammenschluss mehrerer Unternehmen, die sogenannte Verbundausbildung. "Viele unserer kleinen Unternehmen sind häufig nicht in der Lage, das Umfeld für einen einzelnen Auszubildenden zu bieten", so Fischer.

Der Fachkräftemangel im Lausitzer Strukturwandel wird ein Problem bleiben. In den kommenden Jahren sollen rund 3.800 neue Jobs in der Region entstehen - die müssen besetzt werden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.10.2023, 16:40 Uhr

15 Kommentare

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  1. 15.

    Welche Ausländer wollen wohl in einer Gegend mit so starker rechter Szene arbeiten?

  2. 14.

    Ja, so ist es halt mit der "Marktmacht". Schade nur, dass diese das anständige Miteinander verdrängt hat. Den Effekt sieht man überall in der Gesellschaft.

    Und die im "Niedriglohnsektor" fordern Lohnabstand, aber nicht durch anständigen Lohn, sondern man möge die Erwerbslosen noch tiefer drücken. Dabei erhalten diese bereits das absolute Existenz-Minimum.

  3. 13.

    "Flüchtlinge etwas herzlicher empfangen" – wie darf man das verstehen? Damit diese die zu niedrigen Löhne dankbar weiter ermöglichen? Oder … wie?

  4. 12.

    "Wettbewerb" – Staatskonzern gegen KuM? Fair, sozial und die regionale Zukunft sichernd. Bravo, Politik!

  5. 10.

    Schafft mehr günstigen Wohnraum in der Lausitz und bewerbt es bei jedem Jobcenter auch z.B. in Berlin. Lasst dann auch die Geflüchteten schneller arbeiten. Schon klappt es auch mit den Fachkräften in der Lausitz.

  6. 8.

    Genau richtig diese Arroganz der Arbeitgeber hat sich gedreht die kommen von ihrem hohen Ross herunter gut so.

  7. 7.

    In meiner Branche ist es üblich alle zwei bis vier Jahre den Arbeitgeber zu wechseln und 10-20% mehr Gehalt zu bekommen. Fachkräftemangel heißt halt, dass man mehr zahlen muss um seine Mitarbeiter zu halten. Mein derzeitiger Arbeitgeber hält mich mit einem wirklich fürstlichen Gehalt jetzt im fünften Jahr, aber ich überlege zu wechseln um eine Beförderung zu bekommen.

  8. 6.

    Ich arbeite seit nunmehr 15 Jahren im Ausland und lebe nur noch in Brandenburg. Leider kann ich mich noch sehr gut an die Bewerbungen und Bewerbungsgespräche in den frühen 2000er Jahren erinnern. Mit welchem Hochmut und Frechheit die von der Arbeitgeberseite, vor allem bei den Handwerksbetrieben, geführt wurden.
    Es wurden lächerliche Löhne geboten, während vor der Tür die Parade der BMWs und Mercedes Karossen der leitenden Angestellten stand.
    Tja, jetzt hat sich der Wind gedreht. Gut so!!!

  9. 5.

    Kein Wunder. Es gibt Handwerksbetriebe in der Lausitz, die schon großes Geld machen und ihre Angestellten nicht daran teilhaben lassen. Nach 20 Jahren Arbeit dann einen Rentenbescheid zu bekommen, wonach man sich bis jetzt 250 Euro Rente erarbeitet hat, lässt einen nicht lange überlegen diesen Betrieben den Rücken zu kehren. Handwerk ist in der Lausitz nichts wert!

  10. 4.

    Die Sorge der Handwerksbetriebe kann ich verstehen. Aber, die Lausitz war eher bekannt als Niedriglohnregion. Viele Handwerksbetriebe mussten Aufträge in Berlin annehmen. Jetzt ändert es sich. Welches Vielen zu Gute kommt. Ggf. Sollten die Unternehmen mal nach Wolfsburg schauen, wo in den letzten 50 Jahren auch viele Handwerksbetriebe betroffen waren. Alternativ: Flüchtlinge etwas herzlicher empfangen.

  11. 3.

    Nach der Wende nach staatlicher Hilfe gerufen, kaum noch jemand ausgebildet, 3 Jahrzehnte Fachkräfte wie Bittsteller behandelt. Wer wundert sich da noch, das die noch vorhandenen Fachkräfte abwandern, um ihre junge Familie, würdig in die Zukunft zu leiten.

  12. 2.

    „Auch kleinere und mittlere Unternehmen hätten das verstanden, sagt Fischer.“
    Die verstehen schneller als Herr Fischer! Dort kann er „Moderationsprozess“ lernen...
    Und , mittlere und kleine Unternehmen können Standortauswahl.

  13. 1.

    Hier passiert das, was seit Jahrzehnten üblich ist. Die großen, tarifgebundenen Unternehmen ziehen die Mitarbeiter zu sich und der Kleinbetrieb hat das Nachsehen. Marktwirtschaft eben.
    Das war in Brandenburg nur nicht so auffällig, weil es hier nur wenige starke Industriebetriebe gibt.

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