Wachsende Stadt - Mit diesen Bauprojekten will Eberswalde den Zuzug auffangen
Immer mehr Menschen ziehen nach Eberswalde. Die Stadt scheint sich noch mehr Zuzug zu wünschen, mehrere Investoren planen dort große Bauprojekte mit hunderten Wohnungen. Eberswalde solle aber geordnet wachsen, sagen die Verantwortlichen. Von Juan F. Álvarez Moreno und Philipp Gerstner
Die Stadt Eberswalde bereitet sich auf einen weiteren deutlichen Zuzug vor: In der Barnimer Kreisstadt entstehen aktuell mehrere Großbauprojekte, die Wohnraum für mehrere Tausend Menschen schaffen sollen. Immer mehr Investoren werden auf die Stadt am Finowkanal aufmerksam und wollen Menschen zu Gebieten ziehen, die bisher vor sich hin rotteten.
Ihre höchste Einwohnerzahl erreichte Eberswalde kurz vor der Wende, danach sank die Zahl kontinuierlich. Vor zehn Jahren wurde der Tiefpunkt erreicht: Die Stadt hatte laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg nur noch etwa 38.000 Anwohner. Seitdem wächst Eberswalde wieder langsam, aktuell wohnen in der Kreisstadt etwa 42.000 Menschen.
"Eberswalde ist eine Pendlerstadt"
Um den Zuzug weiter zu ermöglichen, planen Stadt und Investoren gleich mehrere große Projekte in ungenutzten Industrieflächen. Dafür sei eine genaue Planung notwendig, betont Stadtplanerin Anne Feller. "Eberswalde wächst nicht einfach wild darauf los", sagt sie dem rbb. Die Stadtverordneten sollen deswegen im September eine Strategie zur Entwicklung von Wohnbauflächen beschließen. Es gehe dabei auch um die Frage, wie viel Wachstum die Stadt verträgt. "Die Stadtbevölkerung darf nicht überrollt werden durch Wachstumsprozesse."
Es gebe inzwischen mehr Menschen, die zur Arbeit nach Eberswalde fahren als von Eberswalde zur Arbeit, so Fellner. "Eberswalde ist eine Pendlerstadt." Für diese Menschen möchte man auch die Stadt als Wohnort attraktiv machen, wie sie sagt. Die Stadt brauche auch mehr Wohneigentum, um der westdeutschen Eigentumsquote näher zu kommen. Und auch die alte Industrie in Eberswalde müsse durch modernes Gewerbe ersetzt werden – was auch in den neuen Großprojekten zum Teil passieren soll.
Große Wohnungen sind "Mangelware"
Eines dieser Bauprojekte soll auf dem Gelände des ehemaligen Messingwerks entstehen. Dort wurden bis 1945 Bleche, Drähte und Kessel produziert. Nun sieht man durch den verrosteten Zaun nur einen Weg aus Betonplatten und graue, zerfallene Gebäude, die die Natur längst zurückerobert hat. Doch auf dem 80.000 Quadratmeter großen Gelände plant ein Berliner Entwicklungsbüro bis zu 400 Wohnungen und auch Cafés, Co-Working-Spaces und eine Kita.
Historische und denkmalgeschützte Gebäude wie die Knüppelgießhalle will der Investor nach eigenen Angaben sanieren und durch Neubauten ergänzen. "Wir planen ein großes Spektrum an unterschiedlichen Wohnungen", sagt Sebastian Klatt, Geschäftsführer des Entwicklungsbüros PWR. Unter anderem seien große Wohnungen – "Mangelware", wie Klatt sagt –, Reihenhäuser und auch Eigentumswohnungen in Diskussion.
Dort sollen künftig auch jüngere Menschen eine Bleibe finden. "Studenten sind auf jeden Fall eine Zielgruppe. Das war ein Grund zu investieren, weil es ein junger Standort ist", sagt Klatt. Auf dem Gelände soll es deswegen Wohnungen mit gedämpften Mieten für junge Menschen geben. Aktuell wird an dem Rahmenplan für das Projekt gearbeitet, dann kommt ein Aufstellungsbeschluss und schließlich ein Bebauungsplanverfahren. "Frühestens in zwei bis zweieinhalb Jahren wird dort gebaut", sagt der Investor.
Bebauungsplan für hunderte Wohnungen fast fertig
Etwa sieben Kilometer östlich vom Messingwerk und direkt an der Stadtschleuse am Finowkanal plant das Unternehmen Meatpacking Yards GmbH drei bis vier mehrgeschossige Neubauten, die zu etwa 90 Prozent für Wohnzwecke genutzt werden sollen. Der alte Schlachthof – "ein sehr schönes denkmalgeschütztes Gebäude" – soll erhalten bleiben, sagt Stadtplanerin Fellner. Sie könne sich dort gastronomische Angebote gut vorstellen. Nach der Sommerpause wolle sie mit dem Investor über den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan reden. Die Investoren hätten glücklicherweise "einen sehr langen Atem", sagt sie.
An einer dritten Stelle in der Nähe des Bahnhofs soll das sogenannte Hufnagel-Quartier stehen. "Da gibt es eine kulturhistorische Besonderheit, nämlich einen Waggonfahrstuhl", sagt Fellner. Sie meint eine verrostete Struktur aus Metall, die zwischen groß gewachsenen Bäumen steht. Früher wurden damit Zugwaggons voll mit Hufnägeln aus Eberswalder Produktion hoch- und heruntertransportiert. Nun sollen hier zwischen 200 und 300 Wohnungen entstehen – und der Bebauungsplan sei fast fertig, so Fellner.
Heizungsgesetz als Herausforderung
Die jetzige Unklarheit über das geplante Gebäudeenergiegesetz sei für die Investoren eine Herausforderung, sagt Stadtplanerin Fellner. Die Wärmekonzepte müssten komplett neu überdacht werden. "Kann ich am Finowkanal auch Wärmegewinnung aus dem Flusswasser machen oder nicht? Kann man mit Geothermie arbeiten oder nicht? Und mit Wärmepumpen?", fragt sich Fellner.
Eberswaldes Bürgermeister Götz Herrmann (unterstützt von SPD und "Bürger für Eberswalde") begrüßt die Wohnprojekte und den damit erhofften Zuzug. Aber er warnt auch: "Wachstum muss gesund sein. Wir müssen alle mitnehmen", sagt der Politiker. Er habe auch für die Innenstadt einige Ideen: "Ich stelle mir vor, dass wir an der Stadtschleuse ein kleines gastro-kulturelles Zentrum bekommen können", sagt er. Auch schwimmende Häuser seien für ihn wichtig, die Stadt werde sie fördern. Sogar eine schwimmende Bar sei denkbar, sagt der Bürgermeister.
Sollten alle Wohnquartiere wie geplant fertig gestellt werden, rechnet Bürgermeister Götz Hermann in den kommenden Jahren mit einem Zuzug von bis zu 3.000 Menschen. Um eine Einwohnarzahl wie kurz vor der Wende zu erreichen, müssten es aber noch mehr sein.
Sendung: Antenne Brandenburg, 04.08.2023, 14:20 Uhr