Wachsende Stadt - Mit diesen Bauprojekten will Eberswalde den Zuzug auffangen

Fr 04.08.23 | 17:02 Uhr | Von Juan F. Álvarez Moreno und Philipp Gerstner
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Symbolbild: Eberswalde, Stadzentrum (Quelle: IMAGO/F.Berger)
Audio: Antenne Brandenburg | 04.08.2023 | Phillip Gerstner | Bild: IMAGO/F.Berger

Immer mehr Menschen ziehen nach Eberswalde. Die Stadt scheint sich noch mehr Zuzug zu wünschen, mehrere Investoren planen dort große Bauprojekte mit hunderten Wohnungen. Eberswalde solle aber geordnet wachsen, sagen die Verantwortlichen. Von Juan F. Álvarez Moreno und Philipp Gerstner

Die Stadt Eberswalde bereitet sich auf einen weiteren deutlichen Zuzug vor: In der Barnimer Kreisstadt entstehen aktuell mehrere Großbauprojekte, die Wohnraum für mehrere Tausend Menschen schaffen sollen. Immer mehr Investoren werden auf die Stadt am Finowkanal aufmerksam und wollen Menschen zu Gebieten ziehen, die bisher vor sich hin rotteten.

Ihre höchste Einwohnerzahl erreichte Eberswalde kurz vor der Wende, danach sank die Zahl kontinuierlich. Vor zehn Jahren wurde der Tiefpunkt erreicht: Die Stadt hatte laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg nur noch etwa 38.000 Anwohner. Seitdem wächst Eberswalde wieder langsam, aktuell wohnen in der Kreisstadt etwa 42.000 Menschen.

"Eberswalde ist eine Pendlerstadt"

Um den Zuzug weiter zu ermöglichen, planen Stadt und Investoren gleich mehrere große Projekte in ungenutzten Industrieflächen. Dafür sei eine genaue Planung notwendig, betont Stadtplanerin Anne Feller. "Eberswalde wächst nicht einfach wild darauf los", sagt sie dem rbb. Die Stadtverordneten sollen deswegen im September eine Strategie zur Entwicklung von Wohnbauflächen beschließen. Es gehe dabei auch um die Frage, wie viel Wachstum die Stadt verträgt. "Die Stadtbevölkerung darf nicht überrollt werden durch Wachstumsprozesse."

Es gebe inzwischen mehr Menschen, die zur Arbeit nach Eberswalde fahren als von Eberswalde zur Arbeit, so Fellner. "Eberswalde ist eine Pendlerstadt." Für diese Menschen möchte man auch die Stadt als Wohnort attraktiv machen, wie sie sagt. Die Stadt brauche auch mehr Wohneigentum, um der westdeutschen Eigentumsquote näher zu kommen. Und auch die alte Industrie in Eberswalde müsse durch modernes Gewerbe ersetzt werden – was auch in den neuen Großprojekten zum Teil passieren soll.

Altes Messingswerk in EberswaldeDas ehemalige Messingwerk in Eberswalde

Große Wohnungen sind "Mangelware"

Eines dieser Bauprojekte soll auf dem Gelände des ehemaligen Messingwerks entstehen. Dort wurden bis 1945 Bleche, Drähte und Kessel produziert. Nun sieht man durch den verrosteten Zaun nur einen Weg aus Betonplatten und graue, zerfallene Gebäude, die die Natur längst zurückerobert hat. Doch auf dem 80.000 Quadratmeter großen Gelände plant ein Berliner Entwicklungsbüro bis zu 400 Wohnungen und auch Cafés, Co-Working-Spaces und eine Kita.

Historische und denkmalgeschützte Gebäude wie die Knüppelgießhalle will der Investor nach eigenen Angaben sanieren und durch Neubauten ergänzen. "Wir planen ein großes Spektrum an unterschiedlichen Wohnungen", sagt Sebastian Klatt, Geschäftsführer des Entwicklungsbüros PWR. Unter anderem seien große Wohnungen – "Mangelware", wie Klatt sagt –, Reihenhäuser und auch Eigentumswohnungen in Diskussion.

Dort sollen künftig auch jüngere Menschen eine Bleibe finden. "Studenten sind auf jeden Fall eine Zielgruppe. Das war ein Grund zu investieren, weil es ein junger Standort ist", sagt Klatt. Auf dem Gelände soll es deswegen Wohnungen mit gedämpften Mieten für junge Menschen geben. Aktuell wird an dem Rahmenplan für das Projekt gearbeitet, dann kommt ein Aufstellungsbeschluss und schließlich ein Bebauungsplanverfahren. "Frühestens in zwei bis zweieinhalb Jahren wird dort gebaut", sagt der Investor.

Alter Waggonaufzug in EberswaldeAlter Waggonaufzug

Bebauungsplan für hunderte Wohnungen fast fertig

Etwa sieben Kilometer östlich vom Messingwerk und direkt an der Stadtschleuse am Finowkanal plant das Unternehmen Meatpacking Yards GmbH drei bis vier mehrgeschossige Neubauten, die zu etwa 90 Prozent für Wohnzwecke genutzt werden sollen. Der alte Schlachthof – "ein sehr schönes denkmalgeschütztes Gebäude" – soll erhalten bleiben, sagt Stadtplanerin Fellner. Sie könne sich dort gastronomische Angebote gut vorstellen. Nach der Sommerpause wolle sie mit dem Investor über den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan reden. Die Investoren hätten glücklicherweise "einen sehr langen Atem", sagt sie.

An einer dritten Stelle in der Nähe des Bahnhofs soll das sogenannte Hufnagel-Quartier stehen. "Da gibt es eine kulturhistorische Besonderheit, nämlich einen Waggonfahrstuhl", sagt Fellner. Sie meint eine verrostete Struktur aus Metall, die zwischen groß gewachsenen Bäumen steht. Früher wurden damit Zugwaggons voll mit Hufnägeln aus Eberswalder Produktion hoch- und heruntertransportiert. Nun sollen hier zwischen 200 und 300 Wohnungen entstehen – und der Bebauungsplan sei fast fertig, so Fellner.

Heizungsgesetz als Herausforderung

Die jetzige Unklarheit über das geplante Gebäudeenergiegesetz sei für die Investoren eine Herausforderung, sagt Stadtplanerin Fellner. Die Wärmekonzepte müssten komplett neu überdacht werden. "Kann ich am Finowkanal auch Wärmegewinnung aus dem Flusswasser machen oder nicht? Kann man mit Geothermie arbeiten oder nicht? Und mit Wärmepumpen?", fragt sich Fellner.

Alter Schlachthof in EberswaldeAlter Schlachthof in Eberswalde

Eberswaldes Bürgermeister Götz Herrmann (unterstützt von SPD und "Bürger für Eberswalde") begrüßt die Wohnprojekte und den damit erhofften Zuzug. Aber er warnt auch: "Wachstum muss gesund sein. Wir müssen alle mitnehmen", sagt der Politiker. Er habe auch für die Innenstadt einige Ideen: "Ich stelle mir vor, dass wir an der Stadtschleuse ein kleines gastro-kulturelles Zentrum bekommen können", sagt er. Auch schwimmende Häuser seien für ihn wichtig, die Stadt werde sie fördern. Sogar eine schwimmende Bar sei denkbar, sagt der Bürgermeister.

Sollten alle Wohnquartiere wie geplant fertig gestellt werden, rechnet Bürgermeister Götz Hermann in den kommenden Jahren mit einem Zuzug von bis zu 3.000 Menschen. Um eine Einwohnarzahl wie kurz vor der Wende zu erreichen, müssten es aber noch mehr sein.

Sendung: Antenne Brandenburg, 04.08.2023, 14:20 Uhr

Beitrag von Juan F. Álvarez Moreno und Philipp Gerstner

6 Kommentare

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  1. 6.

    Die Ökologisch Demokratische Partei hat befunden: "Sämtliche Pläne zur beschleunigten Bebauung des Siedlungsaußenbereichs ohne Umweltprüfung sind in Brandenburg rechtswidrig." Das betrifft unter anderem Projekte in Bestensee, Borkheide oder Beelitz und zwar für Wohnungsbau.
    Noch Fragen? Wird wohl nix mit Wohnungsbau, ökologisch ist dann wohl ein Fledermausquartier im Bunker? Die Ökos und die Grünen werden den Wohnungsbau verhindern mit der Folge, dass dann noch mehr Wähler ohne Alkohol blau machen und nicht schwarz rot, grün. Der Kandidat hat 0 Punkte.

  2. 5.

    " Wenn Menschen nach Brandenburg ziehen möchte, sollte man das unterstützen und genügend Wohnraum schaffen. "

    Das eine muss das andere deshalb ja nicht ausschließen !! Zu neuen Wohnraum gehört auch eine vernünftige Infrastruktur und da sollte gerade in unseren heutigen Zeiten ein guter ÖPNV ganz weit vorne stehen !!

  3. 4.

    Was nützt genügend Wohnraum, wenn man auf den Bus angewiesen ist? Gerade am WE fährt je nach Lage der Bus jede Std.
    Oder 2-3 Std. Oder auch gar nicht.

  4. 3.

    Eberswalde ist eine sehr schone Stadt. Die bisherige Bahnanbindung nach Berlin ist aber am Limit, da es sich um die RE an die Ostsee handelt, die häufig überfüllt sind. Die RB 24 müsste daher verdichtet werden.

  5. 2.

    Viele Städte in Brandenburg, darunter auch Eberswalde, haben noch lange nicht die Einwohnerzahlen wie vor der Wende.
    Wenn Menschen nach Brandenburg ziehen möchte, sollte man das unterstützen und genügend Wohnraum schaffen.

  6. 1.

    Die Stadt sollte hier erst einmal um die Verkehrsplanung kümmern. Den Verkehr nachhaltig gestalten –
    mehr Bahn & Bus und kürzeren Taktzeiten auch am Wochenende.

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