Müncheberg (Märkisch-Oderland) - Brandenburg baut neues Kompetenzzentrum für Erhalt von Alleen auf

Di 24.10.23 | 15:33 Uhr
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Kompetenzzentrum für Straßenbäume und Alleen in Müncheberg
Audio: Antenne Brandenburg | 24.10.2023 | Sabine Tzitschke | Bild: Sabine Tzitzschke/rbb

Alleen gelten als ökologisch wertvoll. Doch viele Baumreihen am Straßenrand sind verschwunden. Sind angesichts des Klimawandels andere Baumarten nötig? Ein neues Kompetenzzentrum im alleenreichen Brandenburg soll solche Fragen untersuchen.

Ein besonders dichtes Alleennetz säumt in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die Straßen. Allein in der Mark wachsen auf rund 1.740 Kilometern Länge an den Rändern von Bundes- und Landesstraßen unter anderem Eichen, Linden und Ahorn-Bäume. Das entspricht etwa der Entfernung von Potsdam nach Madrid.

Jedoch sind inzwischen hunderte Kilometer Alleen verloren gegangen - vor 20 Jahren waren es noch 600 Kilometer mehr. Dabei gelten die Baumreihen als ökologisch wertvoll, jedoch sind sie auch als tödliche Hindernisse im Straßenverkehr gefürchtet.

Die meist 100 Jahre alten Bäume wurden aus "Gründen der Verkehrssicherheit" gefällt, heißt es aus dem Verkehrsministerium des Landes. Hinzu kommen Vorgaben, wie beispielsweise, dass der Fahrbahnrand nun circa fünf Meter entfernt sein muss.

Das wohl größte Problem aber ist die Frage, welche Baumarten angesichts von veränderten klimatischen Bedingungen überhaupt noch für die Bepflanzung von Alleen geeignet sind. Bereits die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Bäume mit Wetter-Extremen wie Trockenheit und Stürmen konfrontiert sind. Dies könnte Wissenschaftlern zufolge in der Zukunft noch zunehmen.

Neues Kompetenzzentrum wird mit 500.000 Euro gefördert

Lösungen sollen nun in einem neuen "Kompetenzzentrum für Straßenbäume und Alleen" entwickelt werden. Das soll bis Ende 2024 entstehen und wird laut Verkehrsministerium zunächst mit 500.000 Euro gefördert. Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) übergab am Mittwoch in Müncheberg (Märkisch-Oderland) den Förderbescheid an den Träger, die "Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Arboristik".

Die Einrichtung solle künftig von den Ländern Berlin und Brandenburg getragen werden, teilte das brandenburgische Verkehrsministerium mit.

Die Einrichtung soll sich unter anderem mit den Folgen des Klimawandels etwa bei der Auswahl von Baumarten befassen. Zudem soll es als aktives Netzwerk sowie beratende Institution für den Schutz der Alleen tätig sein und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umsetzen.

Deutschlandweit ist das Projekt einzigartig, so Minister Beermann. "Es ist gut, dass wir dieses Thema gemeinsam aufgreifen und uns auch gemeinsam Gedanken machen, wie wir Strategien entwickeln, Ressourcen bündeln und Wissen sammeln", sagte Beermann.

Baumschule testet heimische und exotische Arten

Die Arbeit in Müncheberg hat dabei auf einer ungewöhnlichen Baumschule bereits begonnen. 200 junge Bäume, quasi zusammengekauft in der ganzen Welt, stehen in auf einem kargen Acker. Einige Exemplare sind mit Sensoren verkabelt, bei anderen endet eine Wasserleitung.

"Die wurden in diesem Jahr gepflanzt, haben aber schon ein Alter von sechs bis sieben Jahren - manche sind aber auch älter", erklärte Caroline Lenz, die wissenschaftliche Leiterin für das Projekt "Alleen im Klimawandel".

Neben Robinien und Elsbeeren steht in Müncheberg auch die chinesische Gummiulme neben Apfelbäumen und Sequoias-Zypressen aus der Unterfamilie der Mammutbäume. Diese stammen von den Küsten Kaliforniens.

Die größten Bäume der Erde als Alleebaum in Brandenburg? Reinhold Dellmann vom Förderverein Baukultur sagt dazu: "Nein, das ist kein Scherz. Der Klimawandel führt einfach dazu, dass bestimmte Baumarten nicht mehr geeignet sind. Das kann man auch bei den Linden sehen. Wir werden darüber nachdenken müssen, ob wir andere Linden pflanzen, die zum Beispiel im südeuropäischen Raum möglich sind."

Dies solle im Kompetenzzentrum ausprobiert werden, damit in den kommenden Jahren Bäume an den Alleen gepflanzt werden, die mindestens 60 bis 80 Jahre alt werden können.

34 Baumarten in der engeren Auswahl

Insgesamt 170 Baumarten als mögliche Anwärter für Alleen hatten Deutschlands Experten anfangs im Portfolio. Letztendlich sind 34 in die engere Auswahl gekommen. So liegt die Hoffnung auch auf der ungarischen Eiche und der spanischen Platane.

Brandenburg versuche damit auch einen Spagat, denn das Umweltministerium habe sich bislang gegen fremdländische Gehölze gesperrt, sagt Frank Reichel als Abteilungsleiter Naturschutz. "Ob dass zu Exoten führen muss, wird man sehen. Aber ich will nicht ausschließen, dass man angesichts der Rahmenbedingungen den Blick für die Zukunft öffnen muss." Dennoch solle der Fokus vorrangig auf den heimischen Arten bleiben, so Reichel.

Höhere Ansprüche an das Straßen-Grün

In den vergangen 30 Jahren habe Brandenburg in Sachen Allee-Umbau vieles falsch gemacht, heißt es von einigen der Beteiligten auf dem Acker bei Müncheberg. Mit den Folgen des Klimawandels habe man so nicht gerechnet. Hinzu kommt, dass eine Allee früher lediglich Pferdekutschen leiten musste, heute aber 40-Tonner auf die Wurzeln der Straßenbäume drücken.

Deshalb müssten Alleen inzwischen ganz anders geplant werden, so Reinhold Dellmann. "Wir müssen heute zum Beispiel darüber nachdenken, ob wir Alleen nicht lieber an Radwegen als an stark befahrenen Bundesstraßen pflanzen. Wir brauchen also neue Antworten, und deshalb ist es richtig, darüber nachzudenken, was man richtig gemacht hat, aber auch welche neuen Antworten man braucht."

Umbau braucht jahrelangen Vorlauf

Oliver Hoch, der Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Garten- und Landschaftsbau Berlin-Brandenburg, ergänzt, dass in Sachen Alleen vor allem langfristig geplant werden müsse. Da viele Bäume geschädigt worden sind, sei auch die Nachfrage nach neuen Bäumen deutlich angewachsen.

Die Baumschulen kämen da kaum hinterher. "Das braucht Vorläufe. Die Dinge, die heute nachgefragt werden, sind einfach noch nicht da", so Hoch. Zudem brauche es ihm zufolge klare Aussagen durch das Land, wie viele Pflanzen und welche Arten in Zukunft benötigt werden. "Nur dann kann sich die Produktion darauf einstellen. Nur dann kann man davon ausgehen, dass in sechs oder acht Jahren genügend verfügbar ist."

Alleen-Konzept 2030 wird festgelegt

Das brandenburgische Kabinett will noch in diesem Jahr über eine neue "Alleenkonzeption 2030" entscheiden, um den Alleenbestand zu erhalten. Darin heißt es unter anderem, dass erstmal eine Definition dafür erarbeitet werden soll, was als Allee gilt. So soll die Alleen-Länge künftig einheitlich auf eine Mindestlänge von 100 Meter festgelegt werden. Außerdem sollen auch Verkehrswege über Bundes- und Landesstraßen hinaus betrachtet werden. Dazu zählen laut Ministerium etwa Durchfahrten und Plätze in Ortschaften.

Die deutsche Alleenstraße, die durch Brandenburg verläuft, soll gezielt mit neuen Baumreihen versehen werden. Der Landesbetrieb Straßenwesen baut zudem ein digitales Baumkataster auf, in dem jeder einzelne der 420.000 Straßen- und Alleebäume aufgenommen werden soll.

Sendung: Antenne Brandenburg, 24.10.2023, 16:10 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    "Ein Baum am Rande einer Allee/Landstraße ist kein Verkehrshindernis, wird nur gerne zu einem gemacht. ... danach müssten alle Bäume weg"
    Stimmt. Nach der Logik dürfte es keinen einzigen Alleebaum geben.
    Entweder sind die Bäume für Autofahrer lebensgefährlich, dann müssen sie alle weg - oder sie sind es nicht, dann können sie bleiben und viele neue dazukommen.

  2. 10.

    "Brandenburg baut neues Kompetenzzentrum für Erhalt von Alleen auf"
    Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen.
    Hätten wir diese Kompetenz nur schon viel früher gehabt!!!!
    Man fragt sich ja, wie unüberlegt Alleen wohl früher angelegt wurden, einfach so, ohne Kompetenzzentrum...

  3. 9.

    Die 100 Jahre sind natürlich Quatsch in Anbetracht vieler Napoleoneichen.
    Thema Nachpflanzungen wäre mal eine Recherche wert. Wo und wann erfolgt.
    Ersatzpflanzungen für die Eichen an der B167 vor dem Bahnübergang Gusow plant der LS an ganz anderen Orten. Warum das Fällen als auch die Ersatzpflanzungen anderen Orts genehmigt werden?
    5m?
    Wahrscheinlich aus der „konkurrierenden“ Sicht der Straßenbaudenker.
    Einfachere Baustellen, Grünpflege…
    Die bessere Verschattung dürfte dem Asphalt aber eigentlich gut tun.
    Gibt ja nicht allzu viele Baustoffe, die Hitze durch Sonne mögen.
    Ob jemand dabei an die Auto und Radfahrenden denkt?

  4. 8.

    Björn, die Antwort wissen Sie.
    Weil Wissenschaft prinzipiell über vorhandene regulatorische Grenzen hinweg denken darf und muss. Deshalb testet man das ja auch nur, bevor man die Grenzen neu definiert.
    „Brandenburg versuche damit auch einen Spagat, denn das Umweltministerium habe sich bislang gegen fremdländische Gehölze gesperrt, sagt Frank Reichel als Abteilungsleiter Naturschutz. "Ob dass zu Exoten führen muss, wird man sehen. Aber ich will nicht ausschließen, dass man angesichts der Rahmenbedingungen den Blick für die Zukunft öffnen muss." Dennoch solle der Fokus vorrangig auf den heimischen Arten bleiben, so Reichel.“
    Noch steht gar nix fest. Deshalb soll dort ja unter simulierten der Realität nahen Bedingungen probiert werden, welche Bäume unter welchen vorhandenen Standortbedingungen am geeignetsten sein dürften.

  5. 7.

    "ob wir Alleen nicht lieber an Radwegen als an stark befahrenen Bundesstraßen pflanzen." Dann verlieren wir aber gerade den angenehmen Schatteneffekt im Sommer und es wird auch mehr zu Blendungen durch die Sonne kommen. Alleen dämpfen auch wirkungsvoll Windböen, welche für den Straßenverkehr sonst gefählich werden können.

  6. 6.

    "Baumschule testet heimische und exotische Arten" Sollte man nicht vermeiden, fremde Arten auf diese Weise einzutragen? Bei jeder Aufforstung wird doch gefordert, daß einheimische Arten zu verwenden sind, möglichst sogar aus einer Aufzucht in Standortnähe (auch wenn es eigentlich Klone sind). Warum sollte diese Regel für Alleen nicht gelten? Und wenn es für Alleen nicht gelten sollte, darf ich in Zukunft auch eine Aufforstung mit exotischen Arten durchführen?

  7. 5.

    "Die meist 100 Jahre alten Bäume wurden aus "Gründen der Verkehrssicherheit" gefällt, heißt es aus dem Verkehrsministerium des Landes." Die verwendeten Baumarten können aber wesentlich älter als 100 Jahre werden. Und warum wurden nicht gleich an Ort und Stelle nach der Fällung Nachpflanzungen immer vorgenommen?
    "Hinzu kommen Vorgaben, wie beispielsweise, dass der Fahrbahnrand nun circa fünf Meter entfernt sein muss." Wie genau begründen sich diese 5m? Das sind ja fast 2 Fahrspuren Abstand vom Fahrbandrand, wann soll dann ein schattiges Blätterdach einer Allee entstehen?

  8. 4.

    Wenn dein Chef nicht weiter weiß, bilde einen Arbeitskreis.
    Musste noch schnell Fördergeld ausgegeben werden?
    Gibt es in den Ministerien und Ämtern nicht genug Kompetenzen?
    Schönen Abend

  9. 3.

    Ein Baum am Rande einer Allee/Landstraße ist kein Verkehrshindernis, wird nur gerne zu einem gemacht. Und es gibt Menschen, die stolpern auch über zu lange Grashalme und verklagen ob dessen (noch nur in den USA),danach müssten alle Bäume weg oder eben, heute modern alle Autos, da m/w aber auch bei 10 km/h u. einem Lastenelektrofahtrrad sich trotz Helm also doch die Bäume weg - und Kompetenzzentrum, jaja die Ausschussbildung und Stadt/Land/Staatspostenvergabe - pflanzt Gummibäume - obwohl, wenn die zurückschwingen .....also die Ölindustrie wär dafür irgenwohin muss ja das russische Öl aus Kasachstan ;-)

  10. 2.

    Gute Sache, zeigt sich immer häufiger dass Forschung und Wissenschaft in unserem Lande gute Voraussetzungen und viel Arbeit finden.
    Wenn konservative Verkehrsminister dahinter stehen, sicher auch ein gutes Zeichen das auch Straßenbetriebe die wissenschaftlichen Erkenntnisse "freiwillig" in ihre alltägliche Arbeit übernehmen bzw. dahingehend wirken entsprechende Richtlinien anzupassen.
    Aus eigener Erfahrung immer wieder erlebt, was wissenschaftliche Erkenntnisse bei Behörden und Aufgabenträgern auslösen.
    Hoffentlich wird so etwas in der hiesigen Bevölkerung nicht alles zerredet.

  11. 1.

    Wie heißt das Kompetenzzentrum, wenn „Erhalt“ so funktioniert wie die Konzepte der letzten 30 Jahre? Es ist bekannt, sehr lange schon, dass die Bundesrichtlinien verändert werden müssen. Wie man das macht, erfordert viel eher Kompetenzen. Noch mehr aber Willen.

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