Theaterkritik | Uraufführung am TD Berlin - Besser scheitern

Kann man einem Theaterabend übers Scheitern vorwerfen, dass er nicht gelingt? Malte Schlösser rebelliert in seinem neuen Stück "Inkonsistenzen" gegen den "Erfolg als Unterwerfung". Von Barbara Behrendt
Wie erzählt man gelungen vom Scheitern, ohne unglaubwürdig zu wirken? Wenn Malte Schlössers neuer Abend seinen Untertitel "Erfolg als Unterwerfung" ernst nimmt, muss er gegen diese Unterwerfung rebellieren – mit dem Nichterfolg. Und genau das tut er: Die Uraufführung von "Inkonsistenzen" ist nicht gelungen. Das künstlerische Team deutet das womöglich als Lob.
Es ist selbstverständlich schwierig, einer Inszenierung das Scheitern vorzuwerfen, die mit den Worten ankündigt wird: "Dieser Abend hat nicht vor zu gelingen." Es ist ebenfalls schwierig, dem Abend kritisch beizukommen, da jede Kritik wie ein Notenvergeben im Erfolgskarussell wirkt, dem Schlösser entkommen möchte.
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Der gescheiterte Anfang
Beschränken wir uns also zunächst auf die Beschreibung der Szenen. Die Bühne ist leer, nur ein riesiger Schriftzug sagt: "Bitte nicht anfassen!", als stehe hier ein wertvoller Kunstgegenstand. Drei Performer:innen treten auf: Bettina Grahs, Felician Hohnloser, Emma Rönnebeck (letztere spielt auch an der Volksbühne). Sie winken ins Publikum, formen Herzchen mit den Händen und gehen. Kommen wieder, stehen verdruckst rum, gehen: der gescheiterte Anfang.
Dann hält Grahs einen theoriegesättigten Psychologie-Monolog, in dem sie alle Themen des Abends im Schnelldurchlauf abhandelt. Wie wir mit Erfolg nur das öffentliche Ich befriedigen, obwohl es doch unserem privaten Ich an Zuwendung und Zugehörigkeit mangelt. Dass man, um in unserer Gesellschaft Erfolg zu haben, ein Narzisst sein muss. Dass wir unsere Einsamkeit und Scham zu sehr individualisieren, statt sie strukturell zu betrachten. Fünf Minuten später: So, Thema besprochen, das war’s mit dem Abend! Das Scheitern im Monolog.
Früher war: ich muss, heute muss: ich darf
Wie immer bei Schlösser wird Psycho-Diskurs-Theater gezeigt. Das erinnert oft an die klugen Schwurbeleien von René Pollesch. Diesmal gibt es zudem Spielszenen, die ein Scheitern probieren. Einmal brechen die drei minutenlang in Lachkrämpfe aus. Ein andermal wird eine Szene zerstört, indem Rönnebeck mit einem röhrenden Staubsauger über die Bühne rollt. Später fährt sie einen Ständer mit dutzenden verschiedenen Programmflyern rein und gibt mit ihrem Erfolg an, hier überall mitzumachen. Einfach nur, weil sie Lust dazu habe. "Früher war: ich muss, heute muss: ich darf", sagt sie, ein schöne Paradoxie.
Darin vermischen sich die Fragen: Sprechen die Schauspieler:innen als sie selbst oder als Figuren? Was ist authentisch – und: was ist Kunst? Zwischendurch wird nämlich auch mal Vivaldi gespielt und etwas aus dem Schimmelreiter aufgesagt; da sprießt die Idee, dass Kunst, die vom eigenen Ego absieht, vielleicht die tröstende Lösung sein könnte.
Kalkulierter Trash-Tiefpunkt des Scheiterns
Dann jedoch folgt der kalkulierte Trash-Tiefpunkt des Scheiterns: Rönnebeck rutscht auf einer Bananenschale aus, eine Leiter (die symbolische Karriereleiter) bricht über ihr zusammen, und sie übt, wirklich wahr, das Vulva-Furzen.
Was soll das alles bedeuten? Scheitern als Chance? Bei allen Versuchen der Komik, die meist schlicht albern wirken, zeigt der Abend eine ziemlich düstere Bestandsaufnahme vom Ich in der Welt. Zuletzt spult ein kunstvoller Film ab, bei dem sich die Körper der drei Performer:innen in der Natur auflösen, in den Erdboden sinken, von Bäumen überwuchert werden. Vielleicht ein Appell, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.
Die Brüche zwischen den Szenen und die Tatsache, dass hier nichts zusammengeht, lässt sich kaum kritisieren – das ist mitunter Absicht. Schwerer wiegt, dass der Abend keine gute Verbindung zwischen Publikum und Ensemble findet. Anderen Menschen beim Scheitern zuzusehen, kann herzerweichend sein, tröstlich, komisch, kann eine zutiefst menschliche Verbindung schaffen. Es wäre der Ausweg aus dem Erfolgskarussell: gegenseitiges Mitgefühl beim Scheitern statt der Scham. Doch das aufgesetzte, artifizielle Scheitern, das der Abend vorführt, langweilt meist oder irritiert mit seinen kryptischen Diskurs-Szenen. Um mit Beckett zu sprechen: besser scheitern!

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.02.2023, 8:55 Uhr
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