Konzertkritik | Herbert Grönemeyer in Berlin - Ein Volksfest für die Fans
Anfang Juni kommt er noch mal in die Waldbühne, am Sonntag war Herbert Grönemeyer in der Mercedes Benz-Arena zu Gast. Volle drei Stunden lang sang er fast alle großen Hits, die sich seit den 1980er Jahren ins kollektive Musikgedächtnis eingebrannt haben. Von Silke Mehring
Ein bisschen sieht er von weitem aus wie Balou der Bär, ein bisschen wie ein Flummi in Turnschuhen, wie er mit eigenwilligen Bewegungen über die Bühne hüpft und tänzelt. Eitel ist Herbert Grönemeyer nicht, war er nie: Er lacht, gibt zu, dass er schwitzt wie in der Sauna - und hüpft gleich noch ein bisschen höher.
Grönemeyer feuert sie einem nach dem anderen ab, seine vielen großen Hits
Grönemeyer feuert sie einen nach dem anderen ab, seine vielen großen Hits: "Alkohol", "Bochum", "Vollmond", "Was soll das", "Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist", "Halt mich, Mensch", "Mambo", "Männer" und noch viel mehr - in gewohnter Manier, ebenso unverständlich wie knödelig. Auf einer Bühnenzunge zappelt er rum, steht gefühlt mitten im Publikum.
Während eine neunköpfige Band ein bisschen breiig im Hintergrund dröhnt, scheinen auch die Fans zu einer einförmigen Masse zu werden: Sie verschmelzen zu einem einzigen Armeschwenken, Klatschen, Gröhlen, Mitsingen. In der Mercedes-Benz-Arena fühlt es sich mittlerweile an wie im überhitzten Fußball-Stadion.
Nach einer knappen Stunde – die Klänge einer E-Gitarre fetzen jaulend durch die Luft – klingt es kurz, als ginge Grönemeyer die Puste aus. Er japst noch mehr Satzenden weg als sonst - aber nur, um plötzlich nur noch mehr aufzudrehen als vorher. Die Energie seiner Fans scheint auch ihn immer wieder aufs Neue aufzuladen, wie die leuchtenden Luftballons, die im Innenraum übers Publikum schweben und immer wieder in die Höhe gestupst werden.
Die lieben sich hier – hin und zurück
Grönemeyers Mini-Plädoyer für den Klimaschutz und ein paar Zeilen über Flucht und Krieg werden vom Publikum mit freundlichem Applaus goutiert, weiter geht’s mit donnernden Stadionhymnen und poetischen Balladen. Man muss kein Grönemeyer-Fan sein, um zu merken: Die lieben sich hier – hin und zurück.
Dieser Mann veranstaltet ein Volksfest für seine Fans, und sie feiern es mit ihm, wie seit Jahrzehnten - mal ausgelassen, mal angerührt. Treu auf jeden Fall. Einmal Fan, immer Fan, so scheint es – einen Grönemeyer verlässt man nicht, nie. Er kann vielleicht immer noch nicht singen, er kann vielleicht immer noch nicht tanzen, nichts an ihm ist perfekt. Aber war das nicht genau das, was eben echte Zuneigung ausmacht?
Sendung: rbb24 Inforadio, 23.05.2023, 6:55 Uhr