Interview | Clubcommission zu Awareness - "Das Team muss vor und hinter der Bühne ansprechbar sein"

Mi 14.06.23 | 14:24 Uhr
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Menschen tanzen während eines Konzerts in Berlin. (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow)
Bild: dpa/Sebastian Gollnow

Nach den Vorwürfen gegen den Rammstein-Frontmann ist eine Diskussion über die Sicherheit von Frauen auf Konzerten entbrannt. Forderungen nach Safe Spaces kommen auf. Katharin Ahrend von der Clubcommission meint: Awareness-Arbeit sieht anders aus.

rbb: Frau Ahrend, was halten Sie von der aktuellen Diskussion um Safe Spaces und Awareness-Teams bei Konzerten?

Katharin Ahrend: Für mich ist das eine Verschiebung der Verantwortung und des Diskurses. Das verhindert, dass wir wirklich an die Quelle des Übels kommen. Awareness ist eine Haltung und ist ein ganzheitlicher Prozess, der eine Organisation, eine Veranstaltung und alles, was dazu gehört, kritisch reflektiert und dann schaut: Was sind die Maßnahmen, die wir brauchen? Und ein kleiner Teil davon sind die Teams, die dann vor Ort agieren können. Davor muss aber eigentlich viel, viel mehr passieren.

Was muss davor passieren?

Es muss ein eigenes Konzept geben, die Reflexion der eigenen Strukturen, man muss gucken: Wo liegt eigentlich das Problem und wie werden Entscheidungen getroffen? Wo verläuft hier die Macht? Man sagt ja immer: Der Fisch stinkt vom Kopf her und deswegen muss man auch da anfangen und sich dann nach unten arbeiten in alle Bereiche.

Zur Person

Katharin Ahrend von der Berliner Clubcommission. (Quelle: rbb)
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Katharin Ahrend leitet bei der Clubcommission den Bereich Awareness & Diversity. Dort entwickelt sie Pläne dazu, wie Awareness-Teams nicht einfach nur "Kontrollfahrten" durch die Clubs machen, sondern wirklich präsent und für jeden ansprechbar sein können.

Auch im Clubkontext sind Aftershow-Partys gang und gäbe. Dabei treffen berühmte und nicht-berühmte Menschen aufeinander. Besteht dabei immer die Gefahr eines Machtmissbrauchs?

Ich glaube, der Fehler liegt nicht bei den Aftershow-Partys und dass da vielleicht bekannte mit weniger bekannten Menschen zusammenkommen. Das ist nur eine Form von Machtgefälle. Dieses Machtgefällte haben wir überall. Das haben wir in der Clubkultur, in der Musikindustrie, im Theaterbetrieb, überall. In dem Fall einer Aftershow-Party im Club treffen zwei Systeme aufeinander, die sich reflektieren müssen.

Und wir als Clubcommission begleiten zum Beispiel Clubs in Berlin dabei, eben diese Arbeit zu tun und sich zu reflektieren. Sehr viele Clubs haben schon Manifeste, haben Awareness-Konzepte, die hängen aus. Da wird klar: Das ist unsere Haltung, wir stehen für das und das und das ein und jenes tolerieren wir zum Beispiel nicht. Und entsprechend setzt man ja auch schon eine Intention in dem Raum. Und es gibt ein ganz anderes Bewusstsein, wie man sich begegnet.

Und trotzdem gibt es auf Partys oftmals Hinterzimmer oder exklusive Bereiche. Wie kann der Club garantieren, dass dort kein Machtmissbrauch stattfindet?

Wenn es ein Awareness-Team im Club gibt, dann ist es wichtig, dass dieses Team in allen Bereichen des Clubs vor und hinter der Bühne ansprechbar sein kann und niedrigschwellig erreichbar ist. Und ich glaube, es ist wichtig, dass das gewährleistet ist. Und damit meine ich nicht, dass ein Awareness-Team rumläuft und Kontrollfahrten macht, sondern dass es einfach präsent und ansprechbar ist.

Zum Beispiel wenn eine Person sich nicht wohl fühlt, oder eine andere Person beobachtet etwas und möchte etwas melden. Allein, dass es diese Chance gibt und so eine Anlaufstelle sichtbar ist, kann schon viel verhindern und Unterstützung ermöglichen. Und gleichzeitig muss man sich doch immer fragen: Was für einen Rahmen setze ich als Club, dass überhaupt so eine Situation entstehen kann.

Zieht die Clubcommission Konsequenzen aus der aktuellen Debatte über Awareness?

Bei uns ist der Diskurs ja schon sehr lange angekommen. Seit 2017 beschäftigen wir uns mit Awareness-Arbeit aufgrund der Zustände der Gesellschaft, die wir vorfinden, die auch auf Frauenfeindlichkeit und vielen anderen Diskriminierungsformen basiert. Und deswegen nehmen wir es immer noch genauso ernst und machen weiter damit und merken immer wieder, wie notwendig das ist. Und ich bin - abgesehen von meiner Entrüstung über die furchtbaren Vorwürfe - froh, dass es diesen Diskurs jetzt zumindest in der Öffentlichkeit gibt und hoffe wirklich, dass er zukünftig anders geführt wird.

Ich hoffe wirklich, dass eine Awareness-Arbeit in Angriff genommen wird, die an den Kern der Sache geht und eben nicht nur die Teams losschickt und dann gesagt werden kann: Wir haben ja alle Teams. Es muss wirklich die innere Arbeit gemacht und es müssen auch explizit Konsequenzen gezogen werden, wenn es sein muss.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Nathalie Daiber und Marie Röder für rbb Kultur.

Sendung: rbb Kultur, 10.06.2023 18:30 Uhr

4 Kommentare

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  1. 4.

    Mit keiner Silbe wird hier gesagt, man solle/dürfe sich keine Konzertbesuche gönnen. Aber: Damit sich alle etwas gönnen können, muss es auch für Alle ein sicherer, angenehmer Ort sein.
    Deswegen ist es gut dass es - wie hier - Konzepte gibt, die Menschen die meinen sie könnten sich wie die Axt im Walde benehmen dann auch ggf. die Grenzen aufzeigt.

  2. 3.

    Also ich verstehe wovon gesprochen wird und finde es wichtig. Sie hingegen offenbaren lediglich, sich mit dem Thema nicht befassen zu wollen.. LOL

  3. 2.

    Liebe Frau Ahrend,
    jeder Mensch gibt irgendwann im Leben viel Geld aus, um in seinem oft anstrengenden Alltag hin und wieder auch mal ein paar Stunden Spaß und Freude zu erleben. Sei es im Theater, der Disco, im Museum oder halt einem Konzert. Bitte gönnen Sie das diesen Menschen, die haben hart dafür gearbeitet. Woke Fremdwörter und Theorien, die (außer Ihnen) wohl niemand versteht, nützen auch niemandem.

  4. 1.

    Safe Spaces sind sichere Orte und Awareness ist Bewusstsein.

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