Interview - Poesiefestival "Pop und Petersilie" startet zum fünften Mal in Neuruppin
In Neuruppin findet ab Freitag zum fünften Mal das Poesiefestival "Pop und Petersilie" statt. Mitorganisatorin Uta Bartsch erklärt im Interview den Erfolg der Lyriklesungen und wer für die Lesungen in diesem Jahr wie ausgewählt wurde.
rbb|24: Frau Bartsch, das Poesiefestival "Pop und Petersilie" gibt es in diesem Jahr schon zum fünften Mal in Neuruppin. Es ist unglaublich, dass so ein spezielles Festival mit Lyrikern und ihren Gedichten so einen Zulauf hat. Setzen Sie damit im weiteren Sinne die Tradition von Dichter und Schriftsteller Theodor Fontane fort, der hier geboren wurde?
Uta Bartsch: Genau, Fontane ist unser Oberzeichen. Letztendlich geht es immer darum, an ihn anzudocken. Es war von vornherein unser Bestreben, nicht in der Vergangenheit stehen zu bleiben, sondern das, was uns Fontane vorgegeben hat, auch in die Jetztzeit zu überführen. Und dass "Pop und Petersilie" jetzt zum fünften Mal stattfinden kann, hat auch etwas damit zu tun, dass wir sehr mutig waren. Als das Fontanejahr stattfand, haben wir gesagt, eins fehlt uns noch: die zeitgenössische Lyrik.
Wie wählen Sie die Lyrikerinnen und Lyriker aus, die beim Festival auftreten?
Wir suchen natürlich ein ganzes Jahr nach den neuesten Erscheinungen im zeitgenössischen Lyrikbereich. Wir gucken, wer hat Preise bekommen, lesen Hinweise von den Verlagen, was es an Neuerscheinungen gibt. Das ist eine Recherchearbeit und eine sehr freudvolle Leserarbeit. Zum Schluss entscheiden wir demokratisch im Team, wer uns am besten gefallen hat.
Wer kommt denn diesmal?
Wir haben großartige Leute im Programm wie Marcel Beyer. Er wird ein Lyrik-Duett gestalten. Wir fragen die Lyriker: Wen würdest du denn vorschlagen, wer noch zu uns nach Neuruppin zum Festival kommen sollte? Und so entstehen dann diese Duette.
Wen bringt Marcel Beyer mit?
Er bringt Kerstin Preiwuß mit. Sie wird aus ihrem letzten Gedichtband "Taupunkt" lesen und Marcel Beyer hat sein doch sehr witziges Buch "Dämonenräumdienst" dabei.
Sitzt man da bei den Lesungen und hört zu oder hat das eher Eventcharakter?
Sowohl bei den Duetten gibt es nicht nur die Lyrik, sondern natürlich auch das Gespräch zwischen den beiden und bei den Einzelveranstaltungen - wir sagen dazu Lyrik-Salons - gibt es neben den Gedichten, neben den lyrischen Texten dann auch das Gespräch zwischen Moderator, Moderatorin und Lyriker. Jeder Lyriker, jeder Dichter hat seine eigene Art, so wie auch die Maler ihren eigenen Stil haben. Eine eigene Stimme, eigene Handschrift. Der Jazz-Pianist Sören Gundermann wird noch musikalische Akzente setzen.
Kommt eher älteres Publikum oder interessieren sich auch junge Menschen?
Es ist breit gefächert. Es gibt viele junge Leute, die ja auch selber schreiben. Die laden wir zu unserer Young Poetry Open Stage sogar selbst ein, ihre eigenen Texte zu präsentieren. Und die sind natürlich auch an den Profi-Lyrikern interessiert. Aber wir haben natürlich auch junge Lyrikerinnen und Lyriker eingeladen aus der Poetry-Szene. Bas Böttcher wird mit zu Gast sein. Eva Matz aus Bremen ist eine ganz angesagte Stimme der politischen Poetry-Szene und die beiden sind das, was auch die jungen Leute heute lieben. Das hat Rhythmus, das hat den Rap-Charakter. Wenn die beiden miteinander ihre Texte präsentieren, entspinnen sich ganz interessante Dinge, die müssen wir auch vorher gar nicht so richtig wissen. Da können wir uns drauf verlassen: Das wird gut.
Wie war die Resonanz bei den jungen Leuten nach dem Aufruf für die Open Stage in diesem Jahr?
Die ersten kamen so nach ein, zwei Tagen. Es kommen manche sogar dann auch noch ganz spontan. Wir waren an den Schulen unterwegs, haben noch mal die Lehrer kontaktiert, die Jugendeinrichtungen. Lyrik schreiben und auch vortragen ist schon eine kleine Nische. Und die muss man erst mal erreichen, das ist gar nicht so einfach.
Und wie war die Qualität der eingereichten Beiträge?
Die Qualität war bislang immer großartig. Wir waren immer erstaunt, was die sich für Gedanken machen und auch dann irgendwie immer ein bisschen beschämt, dass wir manchmal oberflächlich durch die Welt gehen und diese Tiefgründigkeit ja gar nicht haben, die viele junge Leute auszeichnet.
Was bedeutet eigentlich der Name "Pop und Petersilie"?
Unsere Themen sind ja recht poppig und auch die Gedichtbände, das hat nichts mit hausbacken oder so zu tun. Das sind ganz moderne Herangehensweisen und Gedankengänge. Und natürlich wollten wir damit ein bisschen Aufsehen erregen. Wir schmücken natürlich unsere Lyrik-Lounge mit Petersilientöpfen, es gibt Petersilienwurzelsuppe und es ist alles ein bisschen schrill.
Wie zeitgemäß ist Lyrik heute?
Lyrik ist von den Themen sehr zeitgemäß. Es sind teilweise Alltagssituationen, es ist die Begegnung mit der Umwelt, das wird immer wieder aufgegriffen von verschiedenen Lyrikern und bei Michael Stavaric, der unser Festival eröffnen wird, Szenen, die irgendwie auch skurril sind. Bei Michael Stavaritsch hatte es mit dem Meer zu tun, als Schauplatz und als Schicksalsgewalt. Bei Marcel Beyer geht es in seinen Gedichten zum Beispiel darum, wie auf einmal das Haus wackelt oder wie Hildegard Knef aus dem Auto steigt.
Nimmt das Lyrikfestival auch Bezug zur aktuellen Situation in der Welt?
Auf jeden Fall. Wir haben zehn Lyrikerinnen und Lyriker aus verschiedenen Ländern eingeladen. Die ukrainische Lyrikerin Marianna Kijanowska hat ein ganz besonderes Buch mitgebracht. Dass man das lyrisch verarbeiten kann, ist schon etwas Besonderes. Es zählt zu den wichtigsten Büchern der europäischen Gegenwartsliteratur. Der Gedichtband heißt "Babyn Jar" und er gibt 67 Menschen eine lyrische Sprache, die im September 1941 bei Kiew in einer Schlucht ermordet wurden. Diesen Menschen gibt Marianna Kianowska eine Stimme. Und das sollte man sich nicht entgehen lassen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Andreas Poetzl, Antenne Brandenburg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 14.11.2024, 20:00 Uhr
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