Berliner Kulturszene - Trifft der Boykott des "Metropol" die AfD - oder die Musikszene selbst?

So 13.04.25 | 14:25 Uhr | Von Luis Babst, Nathalie Daiber und Anne Kohlick  
  28
04.11.2020 Metropol Theater- und Konzerthaus in Berlin-Schöneberg erleuchtet bei Nacht.
Video: rbb24 Abendschau | 13.04.2025 | Nathalie Daiber / Anne Kohlick | Bild: IMAGO / photothek

Der Berliner Musiker Zartmann stellte seine neue EP im Neuköllner "Huxleys" vor - statt im "Metropol" in Schöneberg. Grund: Dessen Besitzer soll laut Presseberichten ein AfD-Großspender sein. Doch treffen die Folgen den richtigen?  Von L. Babst, N. Daiber und A. Kohlick  

Eigentlich war die Release-Party von Zartmanns neuer EP im "Metropol" am Nollendorfplatz geplant. Der junge Berliner Musiker, spätestens seit seinem Nummer-1-Hit "Tau mich auf" für viele der Newcomer des Jahres, verlegte die Veranstaltung kurzfristig. Der Grund: Eine Recherche von "Spiegel" und "Standard", auf die sich der "Tagesspiegel" berief, identifizierte den Inhaber des "Metropol", den Immobilienunternehmer Henning Conle, als AfD Großspender. Ausgerechnet hier, in einem der wichtigsten queeren Bezirke der Welt. Nach den Medienberichten teilte Zartmann über Instagram mit, dass er nicht im "Metropol", sondern im Neuköllner "Huxleys" auftrete. In den sozialen Netzwerken erhielt er viel Zustimmung - aber auch Kritik. Denn wen trifft der Boykott am Ende?

Der Sänger Zartmann singt bei der Verleihung des Musikpreises «1Live Krone» im Lokschuppen Bielefeld. 05.12.2024
Musiker Zartmann verlegte sein Konzert | Bild: picture alliance/dpa | David Inderlied

Musiker:innen zeigen sich solidarisch mit Betreiber

Zu den Kritikern zählen die Musiker:innen von Kafvka und Drangsal., zwei Bands, die wahrlich keine Unterstützer der AfD sind. In ihrem Song "Alle hassen Nazis" singen Kafvka: "Halt die Fresse, wenn du meinst 'AfD ist schon okay'. Das ist 'ne Nazipartei, du weißt, was du da wählst".

Auf Instagram zeigen sie sich solidarisch mit den Betreibern des Konzerthauses und schreiben: "Der AfD-Typ ist der Besitzer der Immobilie, die Betreiber des "Metropol" haben nichts mit der AfD zu tun."  Weder Zartmann noch die anderen Musiker:innen wollten gegenüber dem rbb dazu Stellung nehmen.

Auf Zartmanns Absage ans Metropol folgten weitere

Thomas Spindler, Geschäftsführer des "Metropol", zeigt Verständnis für Zartmanns Haltung, stellt aber klar, dass der Boykott die Falschen treffe: "Ich glaube, dieser Laden steht für alles – aber ganz sicher nicht das, wofür die AfD steht. Wir wären der erste Ort, den die AfD zumachen würde." Den Mietvertrag habe man über eine Hausverwaltung abgeschlossen – persönlichen Kontakt zu Conle habe es nie gegeben. Eine rbb-Anfrage an Henning Conle blieb unbeantwortet.

Spindler: "Wir haben viele Partys verloren"

Nach den Berichten und dem Post von Zartmann schlossen sich weitere Künstler:innen dem Boykott an, zahlreiche Veranstaltungsabsagen folgten. "Wir haben viele Partys verloren, die super wichtig sind und wir brauchen unbedingt Events. Ohne das können wir nicht überleben", sagt Thomas Spindler. Für ihn ist das "Metropol" weit mehr als ein Ort für Konzerte. Er verbindet viele Erinnerungen damit: "Ich wollte zehn Jahre lang das "Metropol" haben, weil ich den Laden wirklich liebe. Ich bin hier groß geworden. Ich habe hier alle meine Helden gesehen."

Bewegte Geschichte des Berliner "Metropol"

Das heutige "Metropol" blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück. 1906 öffnete es als "Neues Schauspielhaus" mit Theater- und Konzertsaal seine Pforten. Die nächsten 120 Jahre fand sich hier alles wieder, was die Berliner Kulturszene zu bieten hat: Theater, Konzerte, Disko, sogar Pornokinos. In den 1970er-Jahren wurde das Gebäude als Kirche der "Jesus People", einer freikirchlichen Hippie-Gemeinde, genutzt. Pop-Stars wie Depeche Mode und Miley Cyrus spielten hier jeweils ihr erstes Berlin-Konzert, auch Größen wie David Bowie und U2 füllten schon die Säle des "Metropol". Kurz war hier sogar der  KitKatClub ansässig.  

Bürgermeister von Schöneberg: Betreiber des "Metropol" nicht in Sippenhaft nehmen

Bis heute stehe das "Metropol" für Vielfalt und habe eine Strahlkraft über die Bezirksgrenzen hinaus, sagt Jörn Oltmann, Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg. Es sei wichtig, die Betreiber des "Metropol" nicht in Sippenhaft zu nehmen, sagt der Grünen-Politiker: "Wo kommen wir denn hin, wenn der Vermieter gleichgesetzt wird mit dem Mieter? Es muss uns doch darum gehen, dass der Betreiber für andere Werte steht." Das sei ein zentraler Punkt, zumal Kulturorte und Clubs von steigenden Mieten bedroht werden und schließen müssen.

Klaus Lederer: "Keine homogene weiße Kultur"

Auch Klaus Lederer, bis 2024 bei den Linken, der 2019 als Kultur-Senator die Wiedereröffnung des "Metropol" begleitet hat, stellt sich hinter den Club: "Das ist keine homogene, weiße Kultur, keine Volkskultur, die die Nazis so schnell herbei halluzinieren. Das ist ein bunter Mix aus unterschiedlichsten Einflüssen. Das macht Berlin aus - und deswegen muss es solche Orte geben."  

 Am Ende bleibt also die Frage, ob die Berliner Musikszene sich nicht selbst schadet, wenn sie die Schöneberger Traditions-Location boykottiert, um Flagge gegen die AfD zu zeigen. Oder wie es der Musiker Tristan Brusch auf Social Media schreibt: "Das hier ist mal wieder ein typisches Beispiel dafür, wie wir Linken uns gegenseitig zerfleischen und der gerechte Zorn am Ende die Falschen trifft."

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.04.2025, 19:30 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 13.04.2025 um 19:45 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Luis Babst, Nathalie Daiber und Anne Kohlick  

Nächster Artikel

28 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 28.

    Dit ist aber Geschichte - hiuer isses aktuell und da muß manb einfach mal NEIN sagen! Normalisierung von Rechtsextremismus ist bad.

  2. 27.

    Sie hätte ganz einfach schreiben können: ,Bei der AfD sind alle nicht geistig auf der Höhe und daher lohnt sich keine Auseinandersetzung'.
    So wird es m.E. jedoch nichts!

  3. 26.

    Boykott ist eine legitime Form des Protests und die rechtsextreme AfD wird ständig "inhaltlich gestellt", was AfD Jünger nur nicht wahrhaben wollen.

  4. 25.

    >"Allerdings scheuen nicht wenige Verfechter der Demokratie in Politik und Gesellschaft die "ständige geistige Auseinandersetzung" - hier mit der AfD."
    Ich werfe hier mal kurz in die Diskussion ein: Diese "geistige Auseinandersetzung" setzt voraus, das alle, die sich an der Auseinandersetzung beteiligen wollen, auch geistig dazu in der Lage sind. Geistig in dem Sinne, dass logische und auf Fakten basierende Argumente ausgetauscht werden. Sorry... aber bei der AfD sind dies allermeist unters Volk gestreute Gefühle. Gefühlte Unsicherheiten, gefühlte Überbevölkerung, gefühlte Verschlechterung des Lebensunfeldes usw. Mit und über Gefühle kann man schlecht diskutieren oder sich logisch und objektiv auseinandersetzen. Hier trifft die Demokratie dann auf Grenzen.

  5. 24.

    Der Besitzer der Immobilie ,vergibt' Großspenden.
    Dies ist nicht gleichzusetzen mit dem Betreiber!

  6. 23.

    Hier geht es doch aber gar nicht um eine Auseinandersetzung mit der AfD. Sondern mit einem Millionen-Spender der AfD, der ursprünglich anonym bleiben wollte. Der also der „geistigen Auseinandersetzung“, für die Sie sich - warum auch immer - auf das BVerfG berufen müssen (als könnten Sie das als Staatsbürger nicht auch ohne Gericht wissen), entgehen wollte.

    Hier hat doch nur jemand mitgeteilt, dass er für die nächste Millionenspende an die AfD nicht als Goldesel mitwirken möchte. Das ist doch völlig legitim. Was haben Sie dagegen? Wenn ich weiß, dass der Ladenbesitzer bei mir um die Ecke Sympathie für Islamisten hat (hat er), entscheide ich mich, bei dem Netteren einzukaufen. Vertragsfreiheit… soll ich Ihnen sagen, was das BVerfG dazu sagt?

  7. 22.

    Mir ist es vollkommen egal wem die Bude gehört wo ich hin gehen möchte. Ich kann mir das Leben auch schwer machen. Aber dafür ist es zu Kurz......

  8. 21.

    Das Bundesverfassungsgericht nennt die Meinungsfreiheit zu Recht "schlechthin konstituierend" für die freiheitliche Demokratie. Warum? Weil erst sie "die ständige geistige Auseinandersetzung", ermöglicht, "den Kampf der Meinungen", der das "Lebenselement" der Demokratie ist.
    (Bundeszentrale für politische Bildung)

    Allerdings scheuen nicht wenige Verfechter der Demokratie in Politik und Gesellschaft die "ständige geistige Auseinandersetzung" - hier mit der AfD. Ein Boykott ist einfacher als die Auseinandersetzung und der "Kampf" mit Argumenten.

  9. 20.

    Na das ist doch nur gut so, daß jetzt mal genauer auf die Sponsoren und Besitzer geguckt wird. Denn die ,,spenden'' und nicht aus Nächstenliebe!

  10. 18.

    Oh, by the way... das Olympiastadion wurde von Hitler gebaut (bzw. bauen gelassen). Würde der Zartmann da auch einen Auftritt absagen, sollte er mal die Chance bekommen, dort aufzutreten? Wenn Boykott nur von hier bis zur nächsten Ecke gedacht wird, kann man es auch gleich seinlassen. Aber habe gerade gelesen, er wohnt im Prenzlauer Berg. Ja gut... say no more...

  11. 17.

    Scheint den Umfragen nach aber auch nicht so richtig erfolgreich zu sein;-).

  12. 16.

    Einem 81-Jährigen AfD-Troll, dem vorgeworfen wird, er ließe Berliner Wohnimmobilien verkommenen um Kasse zu machen, kann sicherlich mit bestehenden Gesetzen eindrücklich begegnet werden. Das wäre eine schöne Aufgabe, der man sich vor der nächsten Wahl hingeben könnte. Berlin soll nazifrei sein.

  13. 15.

    Wem genau wird denn mit einem Boykott eines Veranstaltungsortes geholfen?
    Was wird dadurch besser?
    Aus meiner bescheidenen Sicht kann nur eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AFD diese Partei auf den Boden der Tatsachen zurückholen bzw. verkleinern. Ignorieren und Tabuisieren verschafft ihr dagegen einen Märtyrerstatus.

  14. 14.

    Es ist immer wieder toll zu lesen, wie 1933 mit 2025 verglichen wird. Es ist überhaupt nicht vergleichbar. Wer denkt, es kann wieder so werden hat sich mit dem "Wieso und Warum?" der Geschichte nicht auseinandergesetzt.
    Die Auseinandersetzung mit der AFD ist wichtig und richtig. Aber der Kulturszene wurde dadurch größerer Schaden zugefügt, als es aussieht . Ab jetzt wird man bei allen Locations überprüfen, wer Eigentümer/ Betreiber ist und sich irgendwann selber abschaffen!?

  15. 13.

    Sie sind vielleicht überheblich. Für einen Künstler ist es eben nicht ,,bequem'', wenn er Auftritte, wofür er lebt, absagt, um sich klar gegen die Normalisierung des Rechtsextremismus in Deutschland, stellt! So klar, so richtig!

  16. 12.

    Egal ob Weidel, Höcke und Co keinen Auftritt ermöglichen oder nicht in diesem Klub aufzutreten, um auf den schweizer AfD-Milliardär aufmerksam zu machen, ist gerade jetzt von enormer Wichtigkeit! Dieser Klub der Milliardäre von Mausk, Trump über Putin, Orban usw. ist die neue Geisel der Menscheit. Danke harter Zartmann!

  17. 11.

    Wenn im Kreis der internationalen Milliardäre, die demokratische Staatsformen zerstören wollen, auch ein Conle (Immobilienhändler) ist, der diesem rechtsradikalen Verein angehört und AfD unter der Hand unterstützt (warum wohl?),
    dann würde ich als Künstler da nicht auftreten wollen, ganz klar! Das ist eine extrem gefährliche Enzwicklung, wie alles von dieser Richtung ,,normalisiert'' werden soll!

  18. 10.

    "Boykott"? Diese Leute,wohl überwiegend Kleinkünstler, sind doch froh, wenn sie mal in so einem schönen Gebäude auftreten können.

  19. 9.

    Was 1933 gezeigt hat, ist beides notwendig. Inhaltlich aufzeigen (auch wenn deren Wählende Fakten und Wahrheiten nicht interessieren). Und eine Blockade denen gegenüber. Bei Adolf dachte man auch Kontrolle zu haben. Absolut misslungen!
    Bitte die Geschichte wieder ins Bewusstsein bringen!