Frühkritik | El Hotzo im Huxleys Berlin - Der sympathische Internet-Troll aus dem Wedding
Mit seinen Tweets und Memes erreicht El Hotzo alias Sebastian Hotz mehr als eine Million Menschen bei Instagram, Hunderttausende folgen ihm auf X. Aber funktioniert dieser Humor auch auf der Bühne? Von Bruno Dietel
Es war genau dieser Ort, das Huxleys an der Berliner Hasenheide, an dem Sebastian Hotz das erste Mal in der Öffentlichkeit erkannt und nach einem Selfie gefragt wurde - "bist du dieser El Hotzo von Twitter?" Das war vor drei Jahren. El Hotzo wohnte noch nicht in Berlin und war für ein Konzert seines Kumpels Drangsal extra in die Hauptstadt gekommen.
Er war so aufgeregt, ob das mit der Gästeliste klappen würde, dass er sich sicherheitshalber noch zwei Konzertkarten gekauft hatte.
Viel Wasser gegen die Aufregung
Und jetzt sitzt er da auf der Bühne des Huxleys an einem kleinen schwarzen Tisch, vor einem lebensgroßen Michael-Schumacher-Aufsteller und umringt von aufgeblasenen Plastiktieren - die Kulisse ist vollkommen random. Hotz kann seine Nervosität nur schlecht verbergen, sein Mund so trocken, dass er ständig Wasser trinkt. Dieser El Hotzo, der es innerhalb weniger Jahre zum bissigsten und wahrscheinlich bekanntesten Internettroll Deutschlands geschafft hat: Er könnte natürlich seine 27.000 Posts von X (früher Twitter) am Stück auf der Bühne vorlesen oder ein Best Of seiner Instagram-Memes auf einer Leinwand präsentieren. Sein wichtigstes Werkzeug, sein Handy, liegt übrigens die ganze Zeit demonstrativ auf dem Tisch, er wolle die Champions League im Auge behalten.
"Mindset" der Alpha-Männer
Aber Hotz hat sich gegen das Copy & Paste seiner Internetwitze entschieden. Er ist mit seinem im April erschienenen Debütroman "Mindset" unterwegs. Es ist ein Buch über ein Typ Mensch, der ihm zutiefst zuwider ist: Der Alpha-Mann. Ultra-maskulin, ultra-erfolgreich, ultra-selbstbewusst – auf den ersten Blick zumindest. Woher er dieses Feindbild des etwas unseriösen, neoliberalen High-Performers hat? Aus dem Internet natürlich. Ganz egal ob Twitter, Instagram oder YouTube – überall seien Männer, die ihm sagen würden, dass er besser werden müsse.
Einen dieser zwielichtigen Selbstoptimier-Gurus hat Hotz in "Mindset" nach Nordrhein-Westfalen verlegt: Da ist die triste Kulisse von Mühlheim an der Ruhr, ein drittklassiges Hotel und der Lifestyle-Coach Maximilian Krach, der jungen Männer in Seminaren die perfekte Erfolgsformel erklärt. Und drumherum sind Menschen, die das fragile und wackelige Gerüst vom Möchtegern-Consultant nach und nach zum Einstürzen bringen. Einer von ihnen ist Mirko – verdächtig nahe dran an der Geschichte des echten Sebastian Hotz. Mirko ist IT-Servicetechniker in Gütersloh und steht nach der immergleichen Morgenroutine an der Bushaltestelle. Als sein Bus ausfällt, fängt er an, sich und sein gesamtes Berufsleben infrage zu stellen.
Pure Lohnarbeit als Trauma
Bevor El Hotzo hauptberuflich Dinge ins Internet reingepostet hat, war er Industriekaufmann in Nürnberg – und musste sich schon am ersten Tag zur Begrüßung Sätze wie "Du bist 18, jetzt hast du noch 50 Jahre Arbeit vor Dir" anhören. Das hat sich bei ihm traumatisch tief eingebrannt- Ein Hauptmotiv bei El Hotzo ist die Frage nach dem Stellenwert der Arbeit - pro Jahr 70 Tage am Stück verschenkte Lebenszeit, hat er ausgerechnet. Jetzt steht Hotz vor einem Dilemma – er hat keine Hobbies mehr, denn witzig sein ist sein Job, er schreibt für Böhmermanns "ZDF Magazin Royale", hat einen Podcast und eine Radiosendung beim rbb-Sender Fritz. Material für seine Punchlines hat er im Leben als fränkisches Dorfkind und ehrlicher Arbeiter schon genügend gesammelt, im Huxleys erzählt er vom Spritzmeister der Freiwilligen Feuerwehr in seinem Heimatdorf und dem Endgegner in der Betriebskantine - Leberkäse-Cordon-Bleu.
Identitätskrisen eines Mittzwanzigers
Hotz ist 27 Jahre alt, vor wenigen Jahren nach Berlin in den Wedding gezogen und steckt in der gleichen Quarter Life-Identitätskrise, die Männer mit Mitte oder Ende 20 eben durchmachen. Mit den bekannten Folgen: Rennradfahren, Pizzaofen kaufen – und sehr viel Geld für Espressomaschinen ausgeben. El Hotzo hat selbst schon eine zuhause stehen, inklusive Mühle und grammgenauer Waage. Jetzt überlegt er, sich für mehr als 100 Euro einen Pinsel zu kaufen, mit dem er den Rand des Siebträgers von Kaffeepulver befreien kann. Existenzielle Fragen halt.
Diese Einblicke in das Innenleben des erfolgreichen Instagram-Satirikers zeigen: Auch Sebastian Hotz ist nicht mehr als ein fragiler, manipulierbarer Konsument, der sich Sinn erkaufen will. Gut, dass er seinem post-studentischen Berliner Publikum da wahrscheinlich den Spiegel vorhält. Und ganz angenehm, dass sich da mit El Hotzo jemand auf die Bühne setzt, der sich schon jede Menge Internet-Fame erarbeitet hat, am Selbstbewusstsein für die Bühne aber noch auf sehr nahbare, sympathische Weise schraubt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.10.2023, 6:55 Uhr