Jede vierte Stelle nicht besetzt - Neue Bundesbehörden in Ostdeutschland finden zu wenig Personal
Der Osten Deutschlands hat mehr als 30 Bundesbehörden bekommen. Doch das Regierungsprogramm zur Angleichung der Lebensverhältnisse stockt. Denn auch attraktive Arbeitgeber wie der Bund finden zu wenig qualifiziertes Personal. Von Jana Göbel
Der Kanzler war schon da, der Brandenburgische Ministerpräsident, die Außenministerin. Das neue Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA) in Brandenburg an der Havel sollte ein Aushängeschild ostdeutscher Ansiedlungspolitik werden. In der neuen Service-Einrichtung werden Visaangelegenheiten bearbeitet, zum Beispiel für Fachkräfte, die ins Land kommen oder von deutschen Unternehmen im Ausland eingesetzt werden.
Doch in der fast dreijährigen Aufbauzeit ist es nicht gelungen, das erforderliche Personal zu finden. Und so begann das Vorzeigeprojekt Anfang 2023 mit einem Fehlstart.
Urteil der Wirtschaft: "Was für ein Saftladen"
Bei Verwaltungsvorgängen, die nur ein bis zwei Tage dauern sollten, kam es zu monatelangen Wartezeiten, gesteht der Präsident des BfAA Georg Birgelen gegenüber rbb24 Recherche. Das sei misslich gewesen und wahrscheinlich geschäftsschädigend: "Wir sind diejenigen, die den Service hätten bieten müssen. Wir konnten es nicht. Insofern ist klar, dass die Wirtschaft sagt: Was ist denn das für ein Saftladen!"
Viele der neuen Bundeseinrichtungen in Ostdeutschland haben Personalsorgen. Nur wenigen gelingt es, hundert Prozent der Sollstärke der Belegschaft aufzubauen.
Jede vierte Stelle in den neuen Ostbehörden nicht besetzt
Das Bundesinnenministerium, zuständig für Personal, erklärt, von den 8.570 geplanten Stellen im Osten seien 6.340 besetzt worden. Demnach fehlt in den neu geschaffenen Bundesinstitutionen in Ostdeutschland ein Viertel der Belegschaft.
Der Ostbeauftragte Carsten Schneider kennt das Personalproblem. Viel zu lange seien die Menschen aus dem Osten fortgegangen, um Arbeit zu finden, sagt er im Interview mit rbb24 Recherche: "Von daher wäre es klug gewesen, früher noch mehr solcher Bundesbehörden anzusiedeln. Insofern ist das jetzt eine Korrektur, die spät kommt, aber ich hoffe nicht zu spät."
Überstunden bei BfAA-Mitarbeitern
Im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten in Brandenburg an der Havel versuchen die bereits eingestellten Beschäftigten, die Arbeit so gut es geht zu bewältigen. 40 von 360 Mitarbeitenden fehlen. Die Personalrätin Marion Loidl-Tillmann berichtet von Überstunden und "Priorisierungen". "Die Personalvertretung würde sich wünschen, dass es mehr Personal gibt, damit alle Aufgaben geregelt abgearbeitet werden können", erklärt Loidl-Tillmann.
Immerhin ist es inzwischen gelungen, den Service zu verbessern und die Wartezeiten deutlich zu reduzieren. Der Behördenleiter Georg Birgelen stellt fest, die Mitarbeiter seien hochmotiviert und verspricht: "Wir versuchen unser Bestes."
Bundesbehörde zieht Fachkräfte ab
Das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten lockt mit unbefristeten und gut bezahlten Stellen und mit einer Aufbauzulage. Außerdem sind für viele Mitarbeitende 80 Prozent Homeoffice möglich.
Zahlreiche Fachkräfte aus Ämtern und Betrieben der Region wechselten deshalb aus ihren bisherigen Jobs zur Bundesbehörde. "Wir haben viel rekrutiert in der Region", berichtet Personalrätin Marion-Loidl-Tillmann, "Kollegen von der Stadt Brandenburg, vom Land Brandenburg, vom Stahlwerk, von der Hochschule und von vielen anderen kleineren Arbeitgebern."
Dort fehlen sie. Schon jetzt sind 400 Verwaltungsstellen in und um Brandenburg an der Havel nicht besetzt.
Es gebe einen Kampf um die klügsten Köpfe, beschreibt der Ostbeauftragte Carsten Schneider die Situation, nicht nur zwischen Städten, sondern auch zwischen Ländern. Die Bevölkerung müsse offen sein. "Wenn die nationalistische Karte gespielt wird, geht da keiner hin, da bin ich ganz sicher." Wenn Menschen ihren Lebensmittelpunkt verändern, würden sie sehr genau gucken, ob sie willkommen sind, sagt Schneider. "Und wenn die Signale dafür nicht positiv sind, dann wird die Stelle nicht besetzt."