Untreuevorwürfe gegen Ralf Lehmann - Ermittlungen gegen Bad Freienwaldes Bürgermeister teilweise eingestellt
Dienstwagen privat genutzt, Untreue, Nötigung: Gegen den Bürgermeister von Bad Freienwalde, Lehmann, gibt es zahlreiche Vorwürfe. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingestellt – doch noch längst nicht alle. Von Marie Stumpf
Gegen Ralf Lehmann (CDU), seit 29 Jahren Bürgermeister von Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland), gibt es zahlreiche Vorwürfe: beispielsweise der Untreue, Nötigung oder das Ausspähen von Daten. Einen Vorwurf hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) nun entkräftet: In diesem Fall geht es um Dienstaufwandsentschädigungen, die Lehmann nicht ordnungsgemäß an die Stadt abgeführt haben soll. Dieser Verdacht habe sich nicht bestätigt, hieß es von der Staatsanwaltschaft am Dienstag auf Nachfrage des rbb.
Vorwürfe der Nötigung und Dienstwagenaffäre weiterhin aktuell
Im September 2020 hatte die Stadtverordnetenversammlung (SVV) von Bad Freienwalde dazu auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bei der Kommunalaufsicht des Landkreises beantragt. Dies ist nach rbb-Informationen inzwischen ebenfalls zurückgewiesen worden. Es habe keine "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte" gegeben, dass Lehmann falsch gehandelt habe, heißt es in einem Schreiben der Kommunalaufsicht des Kreises, das dem rbb zugespielt wurde.
Damit sind aber noch nicht alle Vorwürfe gegen Lehmann vom Tisch. Die Prüfungen wegen Nötigung, des unzulässigen Zugriffs auf E-Mails seiner Mitarbeiter und der privaten Nutzung des Dienstwagens laufen weiterhin, bestätigten die Staatsanwaltschaften Frankfurt (Oder), Cottbus und Eberswalde (Barnim) dem rbb. Hierzu waren zuvor mehrere Strafanzeigen gestellt worden.
Vor allem die so genannte Dienstwagen-Affäre hatte in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Über 20 Jahre soll Lehmann seinen Wagen privat und auf Kosten der Stadtkasse genutzt haben. Laut SVV sei der Stadt dadurch ein finanzieller Schaden von rund 62.503 Euro entstanden.
Stadtverordnetenversammlung: Lehmann soll zahlen
Diese soll Lehmann nun zurückzahlen. Diese Forderung hat die SVV im Juni gestellt. Zeit hat der CDU-Politiker dafür bis zum 30. Juni 2023.
Rechtlich bindend ist diese Forderung allerdings nicht. Die SVV kündigte aber an, das Geld notfalls mit der Besoldung von Lehmann zu verrechnen. Das würde bedeuten, er bekäme für seine Arbeit als Bürgermeister so lange kein Gehalt mehr, bis die mutmaßlichen Schulden beglichen sind.
Lehmann selbst wollte sich dem rbb gegenüber nicht dazu äußern, ob er die rund 62.000 Euro zurückzahlen wird. Auch zu den anderen Vorwürfen gegen ihn wollte er keine Stellungnahme abgeben.
Unter den Stadtverordneten gibt es derweil in der Causa Lehmann durchaus Uneinigkeiten. Zwar fand die Rückzahlungsforderung nach rbb-Informationen eine deutliche Mehrheit von elf Stimmen, gegen sechs Gegenstimmen und drei Enthaltungen. Die Meinungen zu Lehmann generell gehen aber weit auseinander.
Kritik an Lehmann kommt unter anderem aus der größten Fraktion: einem Zusammenschluss aus "Wählervereinigung 2019", FDP und der "Wählergemeinschaft Inselgemeinden". Gemeinsam stellen sie sechs Stadtverordnete.
"Ich denke gerade daran, dass wir im Haushalt Bad Freienwalde zurzeit ein riesiges Loch von einer Million Euro haben, aufgrund der Energiepreise und der Preisentwicklung generell", so der Fraktionsvorsitzender des Parteienzusammenschlusses, Detlef Malchow: "Als Folge dessen werden viele Vorhaben flach fallen. Und dann ist es besonders ärgerlich, wenn der Bürgermeister gut 60.000 Euro der Stadt vorenthalten hat."
Mitarbeiter sollen von Lehmann gemobbt worden sein
Unterstützung für diese Meinung kommt aus der SPD- und der AfD-Fraktion. Lehmann habe viel Vertrauen zerstört, so Lars Günther, Vorsitzender der AfD-Fraktion. "Es wäre das Einfachste für Bürgermeister Lehmann gewesen, von Anfang an zu sagen: 'Oh da ist was schief gelaufen. Das, was ich zahlen muss, das würde ich jetzt zahlen.' Das hätte vieles heilen können", so Günther.
Fachlich sei Lehmann als Bürgermeister zwar durchaus kompetent, räumt Günther ein. Charakterlich sei es aber oft schwierig: "Wie er mit den Mitarbeitern umgegangen ist. Wir hatten Mitarbeiter seitens der Stadtverordnetenversammlung eingesetzt, um Aufklärung zu erwirken, und diese wurden regelrecht gemobbt." Ähnliche Töne kommen auch von der Wählervereinigung 2019 und der SPD.
Auch sei Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt worden, so Günther weiter. Günther bezieht sich hier darauf, dass Lehmann Sender- und Empfängerprotokolle von E-Mails angefordert haben soll, die sein Disziplinarverfahren betrafen. Nach dem Landesbeamtengesetz ist es Beamten aber untersagt, in ihrer Position als Vorgesetzte in eigenen Angelegenheiten tätig zu werden oder Anweisungen zu erteilen.
"Kurstadt für alle" und CDU fordern neutrale Aufklärung
Neutralere Töne kommen aus der Fraktion "Kurstadt für alle/Bündnis90 - Die Grünen/NCC/Katja Göcke" mit vier Stadtverordneten. Deren Vorsitzender Danny Lenz bezeichnet den Bürgermeister als "ehrlich": Sollten Zahlungen ausstehen, würde Lehmann sie begleichen, so Lenz. Alles weitere müsse die Staatsanwaltschaft regeln.
Auch die CDU-Fraktion, deren Mitglied Lehmann ist, will bei der Dienstwagenaffäre die staatsanwaltlichen Ermittlungen abwarten. Forderungen über Rückzahlungen halte er für verfrüht, auch weil nicht geklärt sei, welche der Forderungen schon verjährt seien, so der Fraktionsvorsitzende Paul-Eric Lipinski. Auch er spricht sich aber für eine Aufklärung des Sachverhaltes aus.
Die anderen Vorwürfe, etwa die der Nötigung, seien nicht gerechtfertigt. Lipinski bestätigt, dass Lehmann Einsicht in die Sender- und Empfängerprotokolle von Mitarbeitern verlangt hat. Allerdings habe er dies nur getan, um zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Beauftragung von Gutachten gegeben seien, so Lipinski.
"Er hat nunmal die Pflicht, seine Mitarbeiter zu kontrollieren, so wie wir als Stadtverordnetenversammlung die Pflicht haben, die gesamte Verwaltung zu kontrollieren. Und wenn dann bewusst Sachen, die zur Kontrolle nötig sind, nicht vorgelegt werden, dann ist doch klar, dass man da nachbohrt." In die Inhalte der E-Mails habe Lehmann aber keine Einsicht verlangt, so Lipinski weiter.
Allerdings hätte der Datenschutzbeauftragte der Stadt die Sender- und Empfängerprotokolle nicht erstellen dürfen, räumt Lipinski ein. Das sei aber ein eher geringfügigeres Vergehen: "Es gibt Datenschutzverstöße auf niedrigem Level, wo es bei einer Verwarnung oder einer Belehrung bleibt."
CDU-Fraktion erhebt eigene Vorwürfe
Seinerseits erhob Lipinski schwere Vorwürfe gegen manche Stadtverordnete: Er habe bei der Akteneinsicht unkorrekte Vorgänge rund um die Gutachten zu Lehmann gefunden. Er äußerte die Vermutung, dass damit Entlastungen für Lehmann verschleiert werden sollten. In einer ersten Reaktion wies die "Wählervereinigung 2019" das zurück.
Sendung: Antenne Brandenburg, 05.10.2022, 14:00 Uhr