2. Fußball-Bundesliga - Hertha blamiert sich in Regensburg: Ein gescheitertes Projekt

Sa 01.02.25 | 17:56 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Cristian Fiél
Video: rbb24 | 01.02.2025 | Cristian Fiél Trainer Hertha BSC | Bild: IMAGO/Sascha Janne

Eine peinliche Niederlage bei Jahn Regensburg beendet Herthas Aufstiegsträume endgültig. Das Debakel bestätigt alte Muster bei den Berlinern, wirft aber auch final die ganz grundsätzlichen Fragen auf. Ein Projekt steht vor dem Ende. Von Marc Schwitzky

Fußball ist, wie man so schön sagt, ein Spiegelbild des Lebens. Vermutlich zieht der Sport daher so viele Menschen an. Und wie im Leben muss auch im Fußball gelernt werden, Gleichzeitigkeiten auszuhalten und zu akzeptieren. Es können eben ganz oft gleich mehrere Dinge stimmen, es gibt sehr selten im Leben den einen zentralen, alles erklärenden Faktor.

Bei Zweitligist Hertha BSC beispielsweise könnte nach der 0:2-Niederlage bei Tabellenschlusslicht Jahn Regensburg am Samstagmittag folgende Gleichzeitigkeit einsickern: Dass die laufende Saison zweifelsohne einmal mehr eine dicke Enttäuschung ist, wird nicht nur, aber eben auch an Trainer Cristian Fiél liegen. Der 44-Jährige entpuppt sich immer mehr als Teil des Problems, nicht der Lösung. Und so steht nach dem Debakel in Regensburg ein Projekt vor dem Ende, das eigentlich erst so richtig beginnen sollte.

Eine Pflichtaufgabe

"Es steht außer Frage, dass wir da als Favorit hinfahren. Wir wissen, dass in der zweiten Liga das eine oder andere passieren kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemand auf die leichte Schulter nimmt", hatte Fiél vor dem Spiel gegen Regensburg klargestellt. Der Jahn steht immerhin seit Spieltag sechs auf dem letzten Tabellenplatz der 2. Bundesliga, hat die wenigsten Tore geschossen und die meisten kassiert.

Zuletzt setzte es eine 1:5-Niederlage gegen Mitaufsteiger Ulm. Regensburg schien nahezu sicher abgestiegen – und damit ein denkbar einfacher Gegner zu sein.

Von Beginn an erschreckend

Doch es kam anders. Dramatisch anders. Hertha lieferte einen erschreckenden Auftritt in Regensburg ab, der alles vermissen ließ. Und das von Beginn an. Hertha ließ sich das Regensburger Spiel komplett aufdrücken. Das einfache Mittel der Manndeckung über den gesamten Platz, gepaart mit einer äußerst galligen Zweikampfführung und geradlinigen Kontern nach Balleroberung reichte, um die Berliner nie ins Spiel finden zu lassen.

Hertha hingegen machte die immer selben Fehler. Durch ausrechenbare Muster im Spielaufbau und viel zu wenig Bewegung abseits des Balles verloren die Hauptstädter die Kugel regelmäßig bereits im Mittelfeld und hatten mehrmals Glück, dass der Gegner die Kontergelegenheiten nicht zu nutzen wusste. Eigene Chancen? Fehlanzeige, soweit kam es gar nicht. So ging es – auch wenn durch einen Foulelfmeter verursacht – verdient mit einem 0:1-Rückstand in die Halbzeitpause.

Wie unter Pal Dardai

Der Offenbarungseid setzte sich im zweiten Durchgang fort. Herthas Trainerteam hatte noch immer keine Antwort auf die einfache Manndeckung Regensburgs gefunden, so war weiterhin keinerlei Spielkontrolle zu erkennen. Fiél griff zum selben Mittel wie sein Vorgänger Pal Dardai, wenn er mit seinem Latein am Ende war: Fabian Reese. Der Flügelangreifer musste, obwohl gerade erst wiedergekehrt, bereits nach 45 Minuten ran. Es kommt einem taktischen Eingeständnis gleich, weiterhin so abhängig von Reese zu sein. Eigentlich wurde Fiél einst geholt, um – anders als Vorgänger Dardai – eine Spielidee zu entwickeln, die weniger von einzelnen Personalien und vielmehr von einer klugen taktischen Idee für das Kollektiv lebt. Nach 20 Spieltagen lautet die bittere Erkenntnis: Dieses Vorhaben ist gescheitert.

Doch auch mit Reese fiel Hertha nur wenig ein. Zwar waren die Berliner nun etwas druckvoller, doch zu klaren Torchancen kamen sie nicht. Das Offensivspiel bestand nach wie vor aus reinem Stückwerk, Abläufe waren nicht zu erkennen. Zwischenzeitlich lief der Ball bei den Regensburgern, die von Hertha dankenswerterweise aufgebaut worden waren, sogar flüssiger – ein spielerisches Armutszeugnis. Jede blau-weiße Angriffswelle verpuffte wirkungslos, schlussendlich setzte es nach stümperhaftem Defensivverhalten sogar das 0:2.

Am Ende hatte Hertha einen beinahe nur halb so hohen Expected-Goals-Wert, nur einen Schuss mehr und – vor allem – drei gelaufene Kilometer weniger auf der Uhr. Kurzum: Es war eine absolut verdiente Niederlage beim zuvor abgeschlagenen Tabellenletzten, der damit seinen erst vierten Ligasieg feierte.

Fiél hat sich verloren

Das Desaster an der Donau offenbarte einerseits bereits bekannte Probleme der "alten Dame". Die Mannschaft hat schon seit der vergangenen Saison Schwierigkeiten, gegen tiefstehende Gegner permanente Spielkontrolle auszustrahlen und hochkarätige Chancen herauszuspielen. Auch dass grundsätzlich ein Konstanzproblem vorherrscht, ist nichts neues.

Die Niederlage hat aber auch neue Probleme unter Fiél final offengelegt. Der 44-Jährige scheint sich im Ergebnisdruck verloren zu haben. Im Sommer trat er mit einer äußerst mutigen, spielerisch anspruchsvollen Idee an. Zwar holte Hertha damit in den ersten Spielen noch nicht genug Punkte, doch Ansätze waren definitiv erkennbar. Doch je größer Druck wurde, nun auch Punkte einzufahren, desto mehr entfernte sich Fiél von seiner Philosophie.

Wofür steht Hertha im Februar 2025?

Gegen Regensburg spielte Deyovaisio Zeefuik als Linksverteidiger. Eine rätselhafte Entscheidung, da der Niederländer über die gesamte Saison massive spielerische Defizite auf der Position zeigte und Konkurrent Michal Karbownik gegen den HSV ein gutes Spiel gemacht hatte. Die Konsequenz: Hertha war im Spielaufbau deutlich eindimensionaler und ausrechenbarer, auf der linken Seite reihte sich ein Ballverlust an den nächsten. Das lag auch daran, dass Pascal Klemens auf der Sechserposition starten durfte – dafür aber spielerisch deutlich bessere Alternativen wie Kevin Sessa oder eben Karbownik draußen bleiben mussten.

Es schien, als wolle Fiél gegen Regensburg viel eher den Kampf annehmen, als spielerische Kontrolle auszuüben – dabei wurde er doch genau dafür als Dardai-Erbe bestimmt. Die sportlichen Verantwortlichen wollten einen Trainer, der seine dominante und mutige Idee von Ballbesitz unbeirrt implementiert. Doch schon seit Monaten reihen sich eigenartige personelle und taktische Entscheidungen Fiéls aneinander und ergeben mittlerweile einen unerkennbaren Mix aus vermeintlichem Pragmatismus und den ursprünglichen Ideen. Von der Herangehensweise aus dem vergangenen Sommer ist beinahe nichts mehr übrig.

Wofür Hertha im Februar 2025 spielerisch stehen soll, ist so unklar wie einst unter Vorgänger Dardai, der für seinen Mangel an taktischer Stringenz gehen musste. Es gibt aber auch nach sieben Monaten unter Fiél keinerlei Selbstverständnis – im Gegenteil, die Entwicklung scheint rückläufig.

Webers Fehleinschätzungen

Es ist richtig, dass die derzeitigen Probleme Herthas alles andere als neu sind. Sie ziehen sich durch die letzten Jahre. Es wäre töricht, sie alle am derzeitigen Trainer festzumachen. Doch gleichzeitig hatte Fiél so gute Voraussetzungen wie kaum einer seiner Vorgänger in den letzten Jahren: Ein ruhiges Arbeitsumfeld, vollstes Vertrauen der Verantwortlichen, eine grundsätzlich positive Stimmung im Verein. Das Ergebnis ist mit 25 Punkten nach 20 Partien ohne Zweifel enttäuschend.

Gleichzeitig muss auch auf die sportlichen Verantwortlichen geblickt werden. Zwar mag der Kader, den Fiél bekam, an einigen Stellen überaus begabt sein, doch gleichzeitig wurden bis heute keine personellen Lösungen für die schmerzhaften Abgänge von Marc Oliver Kempf und Haris Tabakovic gefunden. Gleichzeitig entpuppen sich Neuzugänge wie Jon Dagur Thorsteinsson, Diego Demme oder Luca Schuler immer mehr als Enttäuschungen, mit denen wohl kaum ein Trainer wirklich merklich etwas hätte verändern können. Dass Sportdirektor Benjamin Weber scheinbar glaubte, dass allein schon mit den Verletzungsrückkehrern der Umschwung in der Rückrunde gelingen könnte, offenbart sich immer mehr als Fehleinschätzung. So gut der Kader auf den ersten Blick ist, so unausgewogen ist er an zentralen Stellen.

Keine normale Tagesordnung

Fakt ist, dass die Niederlage gegen Regensburg so schwer wiegt, dass nicht zur normalen Tagesordnung übergegangen werden kann. Die zwischenzeitlich eingestellte Unterstützung der mitgereisten Hertha-Fans signalisiert klar: Heute ist etwas kaputtgegangen. Das Vertrauen, dass Fiél den Verein zum Erfolg führen kann, scheint verloren zu sein. Trainer haben meist nur ein gewisses Zeitfenster, um Spieler wie Fans von sich zu überzeugen und ein echtes Momentum zu entwickeln. Fiél scheint – unabhängig davon, wo die Schuld nun genau liegt - jenes Zeitfenster verpasst zu haben. So steht das im vergangenen Sommer begonnene Projekt vor dem Aus. Dabei sollte es in der Rückrunde erst richtig beginnen.

Sendung: rbb24, 01.02.2025, 21:55 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

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77 Kommentare

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  1. 76.

    Ach Richard, in welcher Parallelwelt lebst du denn?

    Rotweiß: fast 70.000 Mitglieder
    Blauweiß: 58.000 Mitglieder

    Finde den Fehler in deinen Gedanken!

  2. 75.

    Nach diesem Spiel ist gar nichts zu spät. Und um obere Plätze geht es schon mal gar nicht mehr. So leicht nach oben zu kommen, war es schon lange nicht mehr und Hertha hat komplett versagt. Die Frage stellt sich nach der 2.Liga-Tauglichkeit. Es muss endlich ein namenhafter Trainer kommen, der Spieler entwickeln kann und nicht schlechter macht. Ein Trainer, der klar vermitteln kann: Wer hier nicht mitziehen will, fliegt aus dem Kader.

  3. 74.

    Natürlich nicht!
    Allgemein ist die Stadt dreckig mit Farbe etc.und politischen Statements beklebt.
    Allein nur die Herthafans zu kriminalisieren ist erbärmlich und einseitig!

  4. 71.

    Die Stadt ist viel zu groß um sie zu verstehen. Zumal es diverse Bezirke gibt, in denen Hertha keinerlei relevante Rolle spielt. Dort gibt es für die Menschen wichtigeres. Meiner Meinung ist Fiels Idee vom Fußball nicht erfolgreich umsetzbar in Liga 2. Ergo Tika Taka Nein Danke.

  5. 70.

    Finden Sie das schön, wenn alles so versifft ist, egal ob nun rot oder blau ?

  6. 69.

    Wenn ich an das Wechseltheater mit Kenny denke und wie damit umgegangen wird, dann kann einem nur noch schlecht werden. Ein bestens bezahlter Profi, der sich mental nicht im Stande fühlt zu spielen und eine Woche später in der Stammelf steht. Da hat sich der Trainer in puncto Glaubwürdigkeit selbst einen eingeschenkt. Das ist leider symptomatisch für den Verein und zieht sich wie ein roter Faden durch etliche Bereiche.

  7. 68.

    Vielleicht sollte man den Verein mal auf sein Kerngeschäft wieder aufmerksam machen ? Aber warum merken das vielen Fachleute und Experten eigentlich nicht selbst ?

  8. 66.

    "Im Südosten von Berlin sind rot-weiße Sticker und viele Schmiererein mit rot- weißer Farbe!
    Nur mal so"
    Der blauweiße Dreck überzieht die GANZE Stadt.
    Nur mal so.

  9. 65.

    Im Südosten von Berlin sind rot-weiße Sticker und viele Schmiererein mit rot- weißer Farbe!
    Nur mal so

  10. 64.

    Ich sehe eher die intensiven Spiele gegen Cottbus.
    @coppi
    Ich glaube eher, und das ist erwartbar, dass Hertha wieder die "Hertha Legende" Dardài reannimiert. Wie er erfolgreich diesen Verein in die 2.Liga führte, führt er die Truppe auch in die 3.Liga.

  11. 63.

    Ein guter Trainer reflektiert, er macht den Kader 20% besser und löst Probleme ( es gab nie Plan B / C) mit den zur Verfügung gestellten Kader.
    Die Abwehr ist das Fundament, erst dann kann schöner Fußball gespielt werden.



  12. 62.

    "Dazu eine völlig entartete Fan-Kultur, bis hin zur Kriminalität"
    genau das ist der Punkt. Jedes Wochenende austoben ohne rücksicht auf irgendwas oder irgend jemanden. Die Fangabteilung ein Spiegel der desolaten Vereinssituation.
    So endet der Berliner Weg im Nirvana.

  13. 61.

    Ein Grundübel dieses Vereines scheint mir das aktuelle Fehlen jeglicher Kompetenz in der Führungsebene zu sein. Das schließt sowohl die sportliche wie auch die kaufmännische Ebene ein. Was eigentlich hat man sich von einem Trainer, für den Gerüchten zufolge 400 tsd. Euro Ablöse bezahlt wurden, versprochen, der mit seinen Mannschaften ziemlich erfolg-los blieb. Dresden weniger als 1 Jahr, erst noch immerhin die Klasse gehalten, in der folgenden Saison noch in der Hinrunde gefeuert nach einem Punktedurchschnitt von 0,8 pro Spiel (böse Zungen würden sagen, da ist ja noch Luf bei Hertha). Zweieinhalb Jahre ohne Anstellung, dann 2 Jahre Nürnberg II (na ja, ging so), 1 Jahr Profis (wer erinnert sich an die letzte Saison? Der FCN war quasi die Schießbude der Liga). So sahen die Referenzen desjenigen aus, der uns hier als Heilsbringer verkauft werden sollte! Und kaufmännisch feiern wir als Erfolg, "nur" ein Minus von knapp 34 Mio. Euro erwirtschaftet zu haben. Ey Leute, geht´s eigentlich noch?

  14. 60.

    ...der gleiche wie der Hamburger Weg, dort hat man sich auch gut eingerichtet, auf 2. LIGA, die Bude ist stehts voll...dann und wann eine live Übertragung Samstagabend,...glaube der einzige der so richtig heiß auf 1.Liga ist, ist Selke..

  15. 59.

    Der Verein ist mit dem „Drumherum“ sehr beschäftigt. Vlogs, Stickerverkaufsstände, ständig neue Trikots… Alles ziemlich professionell. Bis auf das Kerngeschäft…

  16. 58.

    Der Mannschaft kann man den Vorwurf machen, dass sie nicht kämpft. Sich nicht reinhaut. Sich gehen lässt. Das sind großenteils überschätzte, zu alte Spieler, die sich hier noch mal die Taschen vollstopfen, bevor sie in Rente gehen. Leistner langsam wie kein zweiter, Demme zu anfällig, Niederlechner nur am meckern.
    Leider bleibt wohl nur die Alternative, einem neuen Trainer zu vertrauen, der umsteuert. Mehr U23, weniger Rentner. Fiél packt das nicht mehr, der wirkt inzwischen genauso verunsichert wie seine Truppe.