Neue Regeln für Schulwechsel - Gewerkschaft, Grüne und Elternvertreter kritisieren Probetag an Gymnasien

Schulkinder, die in Berlin aufs Gymnasium wechseln möchten, aber einen schlechteren Notenschnitt als 2,2 haben, müssen neuerdings einen Probetag absolvieren. Im ersten Durchgang bestand nur ein Bruchteil - das hat neue Kritik ausgelöst.
Um die Regeln, wie Kinder in Berlin den Übergang aufs Gymnasium schaffen können, ist eine neue Debatte entbrannt. Hintergrund sind die Ergebnisse von den Probetagen für Schüler ohne Gymnasialempfehlung.
Kritik kommt von der Bildungsgewerkschaft GEW, dem Landeselternausschuss und den Berliner Grünen. Die niedrige Quote der Schülerinnen und Schüler, die den Probeunterricht bestanden haben, sehen sie als Beleg dafür, dass die neue Regelung nicht funktioniert.
Im laufenden Schuljahren erhielten rund 13.500 Schülerinnen und Schüler eine Gymnasialempfehlung. Das entspreche einem Anteil von 54 Prozent, wie die Bildungsverwaltung am Donnerstag auf Anfrage von rbb|24 mitteilte. Mit dem Probeunterricht sollen Kinder eine Chance bekommen, im Sommer aufs Gymnasium zu kommen, auch wenn sie nicht den nötigen Notendurchschnitt von mindestens 2,2 haben.
Von den 11.500 Kindern, die keine Gymnasialempfehlung erhielten, meldeten sich demnach 1.900 für den erstmals stattfindenden Probetag an - nur 50 bestanden. Das sind rund 2,6 Prozent.
Landeselternausschuss hält Probeunterricht für verzichtbar
Der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, hat das Ergebnis des neuen Probeunterrichts für Gymnasien als überraschend bezeichnet. Warum die Kinder jetzt in der Größenordnung tatsächlich nicht bestanden hätten, müsse man sich genauer anschauen, sagte Heise am Mittwoch dem rbb.
Daraus müsse man Schlüsse ziehen, um die Schülerinnen und Schüler künftig besser für den Test vorzubereiten. Heise schlug vor, die diesjährigen Aufgaben zu veröffentlichen, "um denjenigen, die sie im nächsten Jahr machen müssen, eine Orientierung zu geben".
Den Probeunterricht hält Heise grundsätzlich für verzichtbar. "Wir standen dem Probeunterricht von Anfang an skeptisch gegenüber. Wissen wird nur auf den Punkt abgefragt." Die Leistung hänge auch von der Tagesform ab. "Es wird nicht berücksichtigt, was sie im ganzen Schuljahr geleistet haben."
GEW kritisiert Auslese
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert, die neue Regelung verstärke die Auslese beim Übergang aufs Gymnasium. "Viele Kinder erhalten nun keinen Zugang zum Gymnasium", sagte die Berliner GEW-Vorsitzende Martina Regulin. Die Schulgesetzänderung stärke die Gymnasien als elitäre Bildungseinrichtung.
"Da schulische Leistung besonders stark von der sozialen Herkunft von Kindern abhängt, kommt es beim Übergang an die weiterführende Schule de facto zu einer Aufteilung nach sozialer Herkunft", so Regulin. "Die Förderung aller Kinder in der erweiterten Schule muss im Vordergrund stehen", forderte sie. Notwendig seien Reformen hin zu längerem gemeinsamen Lernen und zu echter Inklusion.
Grüne kritisieren neue Regelung als schwerwiegenden Fehler
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz, sieht die neue Regelung ebenfalls skeptisch. "Die Einführung des Probeunterrichts als Zugangsvoraussetzung für das Gymnasium war ein schwerwiegender Fehler", sagte sie. "Nur 2,6 Prozent der Kinder haben bestanden - das ist ein klarer Beleg für eine verfehlte Bildungspolitik." Die Politik der CDU-geführten Bildungsverwaltung verstärke soziale Ungleichheit, statt allen Kindern faire Bildungschancen zu ermöglichen.
"Während Gymnasien bevorteilt werden, stehen Integrierte Sekundarschulen unter wachsendem Druck - mehr Schülerinnen und Schüler, aber weniger Ressourcen", so die Grünen-Politikerin. "Das ist ungerecht und nicht hinnehmbar. Die CDU muss diesen gescheiterten Versuch rückgängig machen."
FDP-Landesvorsitzender Christoph Meyer kritisierte, die Ergebnisse beim Probeunterricht seien ein Armutszeugnis für den Senat und die Bildungsverwaltung. "Jahrelange ideologische Experimente haben unser Schulsystem an die Wand gefahren." Die Leidtragenden seien die Kinder. "Statt Leistungsstandards abzusenken, braucht es endlich echte Reformen: mehr Autonomie für Schulen, bessere Ausstattung, mehr Lehrpersonal und gezielte Förderung."
Strengere Vorgaben für den Notendurchschnitt
Angehende Siebtklässler bekommen nach dem Willen von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) nur bei einer Durchschnittsnote bis 2,2 eine Empfehlung für das Gymnasium und ab 2,3 eine für eine Integrierte Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule.
Grundsätzlich galt das auch bisher. Schulen hatten aber bei einem Notenschnitt von 2,3 bis 2,7 aber noch Ermessensspielraum für eine Gymnasial-Empfehlung. Für Schüler in der siebten Klasse im Gymnasium galt außerdem bisher ein Probejahr. Wer dieses Jahr erfolgreich geschafft hatte, galt als endgültig aufgenommen.
Dieses Modell wurde nun durch den Probeunterricht für Kinder, die die Grundschule mit einem Notendurchschnitt unter 2,2 abgeschlossen haben, abgelöst.
Sendung: DER TAG, 05.03.2025, 18 Uhr
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