Neue Regeln für Schulwechsel - Gewerkschaft, Grüne und Elternvertreter kritisieren Probetag an Gymnasien

Do 06.03.25 | 14:58 Uhr
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Symbolbild: Schulunterricht an einem Gymnasium am 29.02.2024.(Quelle: picture alliance/Frank Hoermann/SVEN SIMON)
Video: DER TAG | 05.03.2025 | Phil Beng | Bild: picture alliance/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Schulkinder, die in Berlin aufs Gymnasium wechseln möchten, aber einen schlechteren Notenschnitt als 2,2 haben, müssen neuerdings einen Probetag absolvieren. Im ersten Durchgang bestand nur ein Bruchteil - das hat neue Kritik ausgelöst.

Um die Regeln, wie Kinder in Berlin den Übergang aufs Gymnasium schaffen können, ist eine neue Debatte entbrannt. Hintergrund sind die Ergebnisse von den Probetagen für Schüler ohne Gymnasialempfehlung.

Kritik kommt von der Bildungsgewerkschaft GEW, dem Landeselternausschuss und den Berliner Grünen. Die niedrige Quote der Schülerinnen und Schüler, die den Probeunterricht bestanden haben, sehen sie als Beleg dafür, dass die neue Regelung nicht funktioniert.

Im laufenden Schuljahren erhielten rund 13.500 Schülerinnen und Schüler eine Gymnasialempfehlung. Das entspreche einem Anteil von 54 Prozent, wie die Bildungsverwaltung am Donnerstag auf Anfrage von rbb|24 mitteilte. Mit dem Probeunterricht sollen Kinder eine Chance bekommen, im Sommer aufs Gymnasium zu kommen, auch wenn sie nicht den nötigen Notendurchschnitt von mindestens 2,2 haben.

Von den 11.500 Kindern, die keine Gymnasialempfehlung erhielten, meldeten sich demnach 1.900 für den erstmals stattfindenden Probetag an - nur 50 bestanden. Das sind rund 2,6 Prozent.

Landeselternausschuss hält Probeunterricht für verzichtbar

Der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, hat das Ergebnis des neuen Probeunterrichts für Gymnasien als überraschend bezeichnet. Warum die Kinder jetzt in der Größenordnung tatsächlich nicht bestanden hätten, müsse man sich genauer anschauen, sagte Heise am Mittwoch dem rbb.

Daraus müsse man Schlüsse ziehen, um die Schülerinnen und Schüler künftig besser für den Test vorzubereiten. Heise schlug vor, die diesjährigen Aufgaben zu veröffentlichen, "um denjenigen, die sie im nächsten Jahr machen müssen, eine Orientierung zu geben".

Den Probeunterricht hält Heise grundsätzlich für verzichtbar. "Wir standen dem Probeunterricht von Anfang an skeptisch gegenüber. Wissen wird nur auf den Punkt abgefragt." Die Leistung hänge auch von der Tagesform ab. "Es wird nicht berücksichtigt, was sie im ganzen Schuljahr geleistet haben."

GEW kritisiert Auslese

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert, die neue Regelung verstärke die Auslese beim Übergang aufs Gymnasium. "Viele Kinder erhalten nun keinen Zugang zum Gymnasium", sagte die Berliner GEW-Vorsitzende Martina Regulin. Die Schulgesetzänderung stärke die Gymnasien als elitäre Bildungseinrichtung.

"Da schulische Leistung besonders stark von der sozialen Herkunft von Kindern abhängt, kommt es beim Übergang an die weiterführende Schule de facto zu einer Aufteilung nach sozialer Herkunft", so Regulin. "Die Förderung aller Kinder in der erweiterten Schule muss im Vordergrund stehen", forderte sie. Notwendig seien Reformen hin zu längerem gemeinsamen Lernen und zu echter Inklusion.

Grüne kritisieren neue Regelung als schwerwiegenden Fehler

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz, sieht die neue Regelung ebenfalls skeptisch. "Die Einführung des Probeunterrichts als Zugangsvoraussetzung für das Gymnasium war ein schwerwiegender Fehler", sagte sie. "Nur 2,6 Prozent der Kinder haben bestanden - das ist ein klarer Beleg für eine verfehlte Bildungspolitik." Die Politik der CDU-geführten Bildungsverwaltung verstärke soziale Ungleichheit, statt allen Kindern faire Bildungschancen zu ermöglichen.

"Während Gymnasien bevorteilt werden, stehen Integrierte Sekundarschulen unter wachsendem Druck - mehr Schülerinnen und Schüler, aber weniger Ressourcen", so die Grünen-Politikerin. "Das ist ungerecht und nicht hinnehmbar. Die CDU muss diesen gescheiterten Versuch rückgängig machen."

FDP-Landesvorsitzender Christoph Meyer kritisierte, die Ergebnisse beim Probeunterricht seien ein Armutszeugnis für den Senat und die Bildungsverwaltung. "Jahrelange ideologische Experimente haben unser Schulsystem an die Wand gefahren." Die Leidtragenden seien die Kinder. "Statt Leistungsstandards abzusenken, braucht es endlich echte Reformen: mehr Autonomie für Schulen, bessere Ausstattung, mehr Lehrpersonal und gezielte Förderung."

Strengere Vorgaben für den Notendurchschnitt

Angehende Siebtklässler bekommen nach dem Willen von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) nur bei einer Durchschnittsnote bis 2,2 eine Empfehlung für das Gymnasium und ab 2,3 eine für eine Integrierte Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule.

Grundsätzlich galt das auch bisher. Schulen hatten aber bei einem Notenschnitt von 2,3 bis 2,7 aber noch Ermessensspielraum für eine Gymnasial-Empfehlung. Für Schüler in der siebten Klasse im Gymnasium galt außerdem bisher ein Probejahr. Wer dieses Jahr erfolgreich geschafft hatte, galt als endgültig aufgenommen.

Dieses Modell wurde nun durch den Probeunterricht für Kinder, die die Grundschule mit einem Notendurchschnitt unter 2,2 abgeschlossen haben, abgelöst.

Sendung: DER TAG, 05.03.2025, 18 Uhr

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113 Kommentare

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  1. 113.

    Ja, und? Das Gymnasium ist die höchste Schulform und kein Streichelzoo. Wer das Abitur ablegen will, muss Leistung bringen. Was meinen sie, wie das Leben an der Hochschule abläuft? Da fallen sie 3x durch, das wars. Druck hin oder her.

  2. 112.

    Sie haben es nicht verstanden? An den Erfolgreichen sich zu orientieren kann Ihnen da helfen. Innerhalb der Bundesländer oder international sind diejenigen gut, die etwas abfordern. Leistung ist für Linksgrüne ein Reizwort geworden. Politiker die dies zu recht öfters einfordern werden dann niedergemacht. Beispiele sind Herr Söder oder Herr Lindner. Wer die Erfolgreichen in Süddeutschland ständig beschimpft muss sich nicht wundern, dass man abgelehnt wird. In der Bildung erst recht.

  3. 111.

    @rbb Wie es im gestrigen Abendschau-Bericht den Anschein machte, sind zumindest die Mathematik-Tests einsehbar gewesen. Falls das Testverfahren öffentlich einsehbar ist und online verfügbar, wären bestimmt einige an Links interessiert, die dann vielleicht zur Aufklärung der hohen Durchfallquote beitragen könnten. Vielen Dank, falls diese Bitte erfüllbar erscheint.

  4. 110.

    "Es kann halt nicht jeder aufs Gymnasium. "

    Behauptet auch rein überhaupt gar niemand. Zumindest, wenn man in der Sache, dem Sachverhalt diskutiert.
    Warum der Kalauer, nicht jede /jeder habe einen Lebensweg, der ein Abitur oder Studium vorsieht?

    Kern der Sache ist: Deutschland bringt nachweislich zu wenige auf das Bildungsniveau, das seine Volkswirtschaft, sein soziales, kulturelles und gesellschaftliches Leben braucht.
    Nicht kompliziert zu verstehen.
    Problem erkannt, Problem gebannt.
    Geht natürlich nicht, wenn man die "Aussiebeverfahren", die voneinander streng getrennten "Exzellenz-Schulformen" nicht hinterfragt. Obwohl sie doch vorliegend deutlich so schlechte Ergebnisse produzieren.
    Sicher, der Genie-Bockmist hat ja gerade wieder Konjunktur. Und wer sich für eins hält, glaubt auch die Welt beherrschen zu dürfen. Braucht weder Staat, noch Parlament, noch Regel, noch Aushandlung.
    Noch weiss er seit seinem 10. Lebensjahr, wer der dann "Andere" ist

  5. 109.

    Dieses Experiment findet bereits seit Jahren statt, da in Berlin ja bisher allein die Eltern über die Schulart nach Klasse 6 entscheiden. Und ja, viele Kinder leiden dadurch unter Überforderung und ständigen Negativ-Feedback in Form von schlechten Noten.

    Das ist derzeit an den Gymnasien die Realität.

  6. 108.

    Wie bei uns 1976/77 die 10. Klasse an der Hauptschule eingeführt wurde, da konnte trotzdem jeder der nicht für Realschule oder Gymnasium ab 5. Schuljahr qualifiziert war einen Hochschulabschluss erlangen wenn die Noten stimmten im 10. Schuljahr. Kommt auch immer darauf an wie Reif diese Kinder in dem Alter sind. Bei manchen dauert es dann bis zum 7. Schuljahr um was auf die Reihe zu kriegen. Gut, da gab es die Grünen auch noch nicht!

  7. 107.

    Es kann halt nicht jeder aufs Gymnasium. Schließlich bereiten sie auf ein Hochschulstudium vor. Das es bei der Schulempfehlung zu Fehlentscheidungen kommt, passiert sicherlich. Wer dann aber weder den passenden Notenschnitt noch die Probe schafft ist halt fürs Gymnasium nicht geeignet. Das muss man verblendeten und selbstüberzeugten Eltern auch so knallhart sagen. Aufsteigen können Kinder später immer noch. Abstieg ist meist sehr schlimm für die Kinder. Insoweit halte ich das aussieben auch als Schutz der Kinder mit überambitionierten Eltern.

  8. 106.

    "hansdampfDonnerstag, 06.03.2025 | 09:11 Uhr
    Warum wird der Grund für das Problem nicht thematisiert?"

    Und was ist nach Ihrer Ansicht "D E R Grund" ?

    Na los - lassen Sie uns daran teilhaben.

    Könnte nämlich sein, das Sie mit "der Grund" umherlaufen, der gar nicht "der Grund" ist. Darüber können wir aber mit Ihnen gar nicht verhandeln, weil Sie Ihren "der Grund" gar nicht nennen.
    Das Wiederrum könnte daran liegen, dass Sie mit Ihrem "der Grund" vollkommen falsch liegen. Ihn deshalb gar nicht nennen, damit Ihnen niemand widersprechen kann.
    Während es Ihnen dräuend-geheimnisvoll reicht, dass "Ihr Milieu" schon weiss was gemeint ist und sich wissend-bestätigend zunickt.
    Was für ne Nummer!

  9. 105.

    Warum soll schulische Leistung mit sozialer Herkunft korrelieren? Dürfen nur bestimmte Schüler fleißig und leistungsbereit sein?
    Unwahrheiten werden auch durch ständiges Wiederholen nicht wahrer.

  10. 104.

    Sie gehen am Problem vorbei. Sie schreiben aus der -ungebrochenen- Innenansicht falsch differenzierender Schul-Struktur. Ihnen fällt nicht ein, das "Aussieben" in vorliegender Form zur vorliegenden Bildungsmisere führt. Stattdessen soll destruktiv dokumentiert werden "das die Kinder gar nicht die Wunderkinder sind"
    Doch sind sie. Und sind sie natürlich nicht.
    Wer eine Schule der Klassenkonkurrenz bereits im frühkindlichen Alter installiert, schafft genau die vorliegenden Ergebnisse, die er beklagt.
    Die Frage ob es auf ein Studium, auf eine Ausbildung nach dem 9. Jahr oder später mit Abitur ins Handwerk geht, muss und kann nicht bereits im 10. Lebensjahr eines Kindes entschieden werden. Es muss und darf nicht quasi an einem Tag, von einem Gremium und abhängig von der Tagesform eines Kindes entschieden werden. Worauf es hinausläuft muss und darf sich in Gemeinschaftschulen niedrigschwellig durch individuell und konkret vorweisbare Kursbelegungen erst entwickeln.

  11. 103.

    Warum wird der Grund für das Problem nicht thematisiert?

  12. 102.

    Richtig.
    Sicher meinen Sie die gescheiterten "ideologischen Experimente" die bar aller gegenteiliger bildungswissenschaftlicher Evidenz, die Gemeinschaftsschule bis zum 9. Schuljahr als Schulform denunziert, mangelhaft ausstattet - also verhindert. Weil angeblich sonst der Nachwuchs des Bildungsbürgertums von Minderleistern aus der Unterschicht ausgebremst werden. Was zwar nachweislich kompletter Unsinn ist. Sich aber gut anfühlt in den ideologisch verfestigten und vernagelten Milieus, die Bildung als Eigentum betrachten auf das sie traditionell Anrecht haben.
    Da kursieren die irrsten Ansichten über die Struktur einer Schulform, in der eben rein gar nicht alle Leistungsklassen in "einer Klasse" sitzen und sich "gegenseitig runter ziehen"
    Es reicht völlig, erst ab der 9. Klasse die Entscheidung treffen zu müssen, ob es ein Studium werden soll, eine Ausbildung mit Fachabitur - oder nach der 9. Klasse die handwerkliche Ausbildung kommt.

  13. 101.

    Ich kann Ihnen voll zustimmen!
    Es grüßt eine ehemalige Realschullehrerin, die in Baden-Württemberg tätig war.

  14. 100.

    Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Wir gehörten auch nicht zu den Reichen, aber unsere Eltern haben uns früh vermittelt, wer etwas haben möchte, muss etwas dafür tun. Für Kinder heißt das eben, sich auf den Hosenboden setzen und lernen. Natürlich gibt es auch Kinder, die Lernschwächen haben. Diese müssen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefördert gefördert werden. Oft ist es ja der Ehrgeiz der Eltern und nicht der Wunsch der Kinder.
    Ach so, Grünen Politiker und Bildung, ohne Worte....

  15. 99.

    Einige Pädagogen schwinen hierbihren Beruf verfehlt. zu haben. Ich bin der lebende Beweis dafür, das eine Einschätzung eines sog Pädagogen falsch lag. Ich hatte keine gymnasiale Empfehlung und war auf einem Gymnasium und habe Abi und Hochschulstudium abgeschlossen. Während die schlauen Gymnasiumkinder dann reihenweise abbrachen. Es darf die ISS keine Kinder mit besser als 2,3 aufnehmen.

  16. 98.

    Das gab es zu meiner Zeit schon in den 70iger Jahren. Und jeder wusste, die die diese Prüfung nicht ablegen mussten hatten einen besseren Notendurchschnitt. Die gingen dann ganz einfach zur Realschule oder ins Gymnasium. Wie soll denn der Unterricht gestaltet werden, oder der Lehrplan eingehalten werden, wenn Schüler dabei sind die doppelt soviel Zeit in Anspruch nehmen, bis alles begriffen ist. Dann gehe ich doch lieber mit Notendurchschnitt 2 von der Volksschule, wie mit 4 vom Gymnasium!

  17. 97.

    Ich stimme diesem Kommentar komplett zu.

    So sieht es aus. Der Durchschnitt spielte zwar eine sehr große Rolle und sollte weit im vorderen Einserbereich liegen, aber Offiziersanwärter hatten Vorrang.

    Nicht vergessen werden darf, dass auch die politische Korrektheit ein sehr bedeutsamer Aspekt der Auslese war.

  18. 96.

    Liebes rbb-Team,

    viele Leserinnen und Leser scheinen zu glauben, dass jedes Kind, dass ausf ein Berliner Gymnasium möchte, einen Probetag absolvieren muss. Das ist aber nicht der Fall. Der Probetag ist nur für Kinder ohne Gymnasialempfehlung. Können Sie die 1900 Kinder des Probetaggs bitte ins Verhältnis setzen zu denen mit der passenden Empfehlung für das Gymnasium? Dann kann man die Zahlen besser einordnen.

  19. 95.

    Dann klappt es auch mit dem Abi 1,0

  20. 94.

    Mit dem Probetag verbauen Konservative Schulpolitiker Kinder die Zukunft!