Interview | Hertha-Spieler Derry Scherhant - "Für mich gab es nur diesen einen Weg"
![Herthas Derry Scherhant bejubelt einer seiner Tore. (Foto: IMAGO / Eibner) Herthas Derry Scherhant bejubelt einer seiner Tore. (Foto: IMAGO / Eibner)](/content/dam/rbb/rbb/rbb24/2025/2025_01/imago-images/FotoJet-5-1.jpg.jpg/size=708x398.jpg)
Derry Scherhant hat sich zum Leistungsträger bei Hertha BSC entwickelt. Im Interview spricht der Angreifer über Vorbild Arjen Robben, seinen besonderen Weg zum Profi-Dasein, den Disput mit Ex-Trainer Pal Dardai und Konkurrenzkampf mit Fabian Reese.
rbb|24: Derry Scherhant, wie häufig wurden Sie in den letzten Tagen auf Ihr Traumtor gegen den SC Paderborn angesprochen?
Derry Scherhant: (grinst) Schon einige Male. Mir wurde schon öfter dazu gratuliert. Dass das Tor mit einem Sieg verbunden war, hat die Sache nochmal schöner gemacht. Darüber bin ich sehr glücklich und stolz.
Sie sind von der Außenbahn nach innen gezogen und haben einen perfekten Schuss in den Winkel abgegeben. Wie häufig haben Sie diesen Ablauf trainiert?
Schon häufig. Ich trainiere auch andere Situationen immer wieder, um sie spielnahe nachstellen zu können. Es hat mich sehr gefreut, dass es mir hier so gut geholfen hat und ich es im Spiel so gut umsetzen konnte.
Was fühlt man in dem Moment, in dem der Ball vom Fuß in Richtung Tor fliegt?
Auf jeden Fall Freude, als ich sah, dass der Ball im Tor eingeschlagen ist. Ansonsten blende ich eigentlich alles aus. Man ist in dem Moment so im Flow, dass man gar nicht viel nachdenkt und die Emotionen erst herauskommen, wenn der Ball rein oder daneben geht.
Ihr Bewegungsablauf hat viele Menschen, die sich für Fußball interessieren, an den früheren Bayern-Angreifer und niederländischen Nationalspieler Arjen Robben erinnert. Ist so jemand ein Vorbild von Ihnen?
Er ist in jedem Fall ein großartiger Fußballer gewesen, von dem man sich viel abschauen kann. Ich kenne Robben natürlich und habe seine Tore als kleines Kind in der Sportschau gesehen.
Sie sind mit sechs Toren in der Liga und zwei Treffern im Pokal derzeit der beste Torjäger bei Hertha BSC. Würden Sie sagen, dass sie bisher Ihre beste Profi-Saison spielen?
Definitiv. Es ist meine dritte Profi-Saison, die letzte war für mich persönlich mental sehr schwierig. Umso mehr freut es mich, dass ich aktuell so gute Leistungen zeigen kann. Ich fühle mich in der Mannschaft sehr wohl.
In der vergangenen Saison standen Sie teilweise öffentlich in der Kritik – auch durch Ihren damaligen Trainer Pal Dardai. Wie sind Sie damals damit umgegangen?
Es war nicht einfach. Es hat mich sehr überrascht, dass es zum Teil so öffentlich abgelaufen ist – teilweise auch mit Dingen, die nicht zu 100 Prozent gestimmt haben. Ich habe versucht, mich auf mich selbst zu konzentrieren und das Beste aus der Situation zu machen. Ich habe hart an mir gearbeitet und versucht, den Rest auszublenden. Nur das konnte ich beeinflussen.
Ihr Weg in den Profi-Fußball war kein ganz gewöhnlicher. Sie waren in keinem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) und sind erst mit 18 Jahren zu Hertha gekommen. Haben Sie immer daran geglaubt, noch Profi werden zu können?
Ich habe irgendwie immer daran geglaubt, ja. Für mich gab es nur diesen einen Weg. Ich habe schon damals alles daran gesetzt, dass dieser Traum in Erfüllung geht.
Wer sind die Menschen, die Ihnen auf diesem Weg am meisten geholfen haben?
Allen voran meine Eltern und Familie. Auch mein Opa, der seit ich klein war, bei jedem Spiel war. Sie haben mich immer unterstützt und stets an mich geglaubt. Meine Mutter ist bei jedem Spiel im Olympiastadion dabei, was mich sehr glücklich macht.
Und wer ist Ihr größter Kritiker?
Ich glaube, ich bin selbst mein größter Kritiker. Ich würde mich schon als perfektionistisch bezeichnen. Nach jedem Spiel gucke ich mir meine Szenen noch einmal an und schaue, was ich hätte besser machen können. Reflexion ist mir sehr wichtig.
Haben Sie das Gefühl, in den letzten Jahren bei Hertha erwachsen worden zu sein?
Klar, ich bin in der U19 zu Hertha gekommen und über die U23 zu den Profis gestoßen. Ich habe hier eine Menge miterlebt und viele Menschen kennengelernt, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Man kann definitiv sagen, dass ich bei Hertha erwachsen geworden bin. Ich komme aus Berlin, weshalb es auch etwas Besonderes ist, diesen Weg bei Hertha gehen zu können.
Sie haben zuletzt viel auf dem linken Flügel gespielt. Das ist auch die Position von Fabian Reese, der nach seiner langen Ausfallzeit allmählich zurückkehrt. Wo sehen Sie in Zukunft Ihre Position?
Wo ich spiele, muss natürlich der Trainer entscheiden. Ich habe mich in den letzten Spielen sehr wohl auf links gefühlt, kann offensiv aber auf mehreren Positionen spielen. Die Entscheidung liegt beim Trainer. Ich spiele da, wo ich gebraucht werde.
Sie haben am vergangenen Samstag vor unglaublicher Kulisse und nach einem spektakulären Spiel gegen den Hamburger SV verloren. Wie geht die Mannschaft mit solch einer Niederlage um?
Das war schon sehr bitter. Wir sind nach einem 0:2 noch einmal zurückgekommen, haben das 2:2 erzielt. Dann doch noch das 2:3 zu kassieren, war nach dem Schlusspfiff nicht einfach. Wir haben in dem Spiel aber gute Ansätze gezeigt. Noch einmal zurückgekommen zu sein, bringt uns am Ende nicht viel, ist aber dennoch eine Leistung. Wir wollen es im nächsten Spiel besser machen und mit einem Sieg nach Hause fahren.
Hertha steht derzeit auf Tabellenplatz zwölf. Immer dann, wenn die Möglichkeit da gewesen wäre, sich oben festzubeißen, wurde der Sieg verpasst. Wie nehmen Sie diese Situation wahr?
Wir hatten am Samstag definitiv die Chance, die Lücke nach oben zu schließen. Wir müssen es in den nächsten Spielen besser machen. Daher müssen wir uns auf kommenden Aufgaben konzentrieren und alles daran setzen, zu gewinnen.
Derzeit sind es sieben Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Ist der Aufstieg noch ein Thema in der Mannschaft?
Das Thema ist, dass wir jedes Spiel gewinnen wollen. Wir haben schon bewiesen, gegen die Mannschaften von weiter oben gute Leistungen zeigen zu können – zuletzt beim Auswärtssieg in Paderborn. Wir müssen uns nicht verstecken.
Sie sind 22 Jahre alt. Welche fußballerischen Träume wollen Sie sich noch erfüllen?
Natürlich träumt man als kleines Kind von den großen Dingen wie der Champions League. Aber das liegt alles in der Zukunft. Ich konzentriere mich auf die Dinge, die ich in diesem Augenblick beeinflussen kann – jede Woche mein Bestes für Hertha BSC zu geben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Tabea Kunze, rbb|24 Sport.
Sendung: rbb Der Tag, 29.01.2025, 18 Uhr