2.711 Stelen auf 19.000 Quadratmetern bilden seit dem 10. Mai 2005 das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlins historischer Mitte - auch Holocaust-Mahnmal genannt. Wie Meereswogen oder ein Weizenfeld reihen sich die unterschiedlich hohen Betonklötze aneinander.

Entworfen wird das Monument 1997 vom New Yorker Star-Architekten Peter Eisenman (hier im Bild) und dem Bildhauer Richard Serra, die selbst jüdischen Familien entstammen. Dem Entwurf vorangegangen war ein Wettbewerb mit mehr als 500 Ideen. Der damalige Bundeskanzler, Helmut Kohl (CDU), spricht sich für den Vorschlag von Eisenman und Serra aus, bittet aber um Überarbeitung. Serra steigt später aus dem Projekt aus.

Den Anstoß für den Bau einer Gedenkstätte für die ermordeten Juden Europas gibt die Publizistin Lea Rosh bereits 1988. Die Idee dazu hatte der Historiker Eberhard Jäckel (beide sind auf dem Foto zu sehen). Rosh schlägt auf einer Podiumsdiskussion vor, ein "Mahnmal als sichtbares Bekenntnis zur Tat" auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände in Kreuzberg zu errichten. Prominente Unterstützung kommt unter anderen von Ex-Kanzler Willy Brandt (SPD) und dem Schriftsteller Günter Grass.

Kreuzberg wird es zwar nicht, aber das Bundeskabinett und Kanzler Kohl erklären sich bereit, einen Teil der ehemaligen Ministergärten in der Nähe zum Regierungsviertel zur Verfügung zu stellen - nach der Wende eine Brache, die sich in unmittelbarer Nähe zu Brandenburger Tor und Reichstag befindet.

Am 25. Juni 1999 beschließt der Bundestag unter Führung von SPD und Grünen den Bau des Denkmals nach Eisenmans Konzeption und verwirft damit Ideen, einen Gedenkort für alle Opfer des Nationalsozialismus zu schaffen. Zwei Jahre später werden dafür probeweise Neonlampen auf dem Gelände des zukünftigen Mahnmals gelegt.

Widerstand gibt es unter anderem aus der rechten Szene. Zum Jahresbeginn 2000 demonstrieren NPD-Anhänger mit Transparenten gegen das geplante Holocaust-Denkmal. Aber auch Prominente wie der Schriftsteller Martin Walser äußern sich kritisch. Er bemängelt: "Das Gewissen der Menschen wird durch ein fußballfeldgroßes Denkmal nicht wachgehalten." Außerdem würden die Stelen Schändungen regelrecht provozieren und so dauernd Schlagzeilen liefern, sagt Walser.

Im November 2002 beginnen die Arbeiten auf dem Areal. Neben dem Stelenfeld soll zudem ein Informationszentrum unter dem Mahnmal entstehen, so der Auftrag des Bundestages. Ein Jahr später werden die ersten Stelen montiert. Am 12. Juli 2004 findet das Richtfest statt.

Am 15. Dezember 2004 wird die letzte Stele gesetzt. Mit einer Bauzeit von zwei Jahren ist das Denkmal für Berliner Verhältnisse in Rekordzeit errichtet. Die Baukosten belaufen sich auf rund 27,6 Millionen Euro.

Das Mahnmal verändert Berlins Mitte, ist nun aber zugleich auch die zentrale Holocaust-Gedenkstätte in Deutschland. Der unterirdische "Ort der Information" gehört als erklärender Bestandteil dazu.

Der Effekt des Stelenfeldes: Man soll sich darin verlieren und in Ruhe auseinandersetzen können. Durch die schmalen schier endlosen Gänge passt nur eine Einzelperson, bestimmte Gänge sind breiter und barrierefrei angelegt. Eine Übersicht über das gesamte Monument bekommt man nur aus der Vogelperspektive. Der Zutritt ist von Anfang an kostenfrei möglich.

Die Deutung der Betonpfeiler fällt unterschiedlich aus: Für manche Menschen symbolisieren die Stelen Grabsteine und wecken Assoziationen zu Soldatenfriedhöfen. Andere denken bei der grauen Farbe an die Asche verbrannter Jüdinnen und Juden.

Aus Kostengründen sind die Betonklötze innen hohl. Materialschäden sind bereits einige Jahre nach der Errichtung erkennbar. Besonders an Stellen, die stark vom Wetter beeinflusst sind, bilden sich Risse. Zudem heizt sich der Beton in der Sonne stark auf.

Das Mahnmal sowie das Informationszentrum gehören inzwischen zum regulären Berlin-Programm vieler Besucher:innen.

Nicht immer verhalten sich Besuchende allerdings wie gewünscht: Die Stelen werden als Sitz- oder Sonnenplätze benutzt, das Monument avanciert in Zeiten von Social Media zum beliebten Selfie-Motiv.

Auch die Imbissbuden rund um diesen Ort der Erinnerung stoßen immer wieder übel auf.

2017 gibt es noch mal medialen Wirbel: 2017 bezeichnet der thüringische AfD-Politiker Björn Höcke das Mahnmal in einer Rede als "Denkmal der Schande". Aus Protest halten Abgeordnete aller Fraktionen - außer der abwesenden AfD - im thüringischen Landtag Poster hoch, die den Gedenkort nachahmen sollen.

Als Replik baut die Gruppe "Zentrum für politische Schönheit" Ende 2017 eine Außenstelle des Denkmals für die ermordeten Juden Europas im thüringischen Bornhagen - in direkter Nachbarschaft zu Höckes Wohnhaus.

Traurige Schlagzeile: Am Abend des 21. Februar 2025 wird ein spanischer Tourist inmitten des Stelenfeldes niedergestochen. Die Tat wird als antisemitisch eingestuft.

Die 2.711 Stelen der Erinnerung sind 20 Jahre nach ihrer Errichtung ein Touristenmagnet. Millionen Menschen haben das Mahnmal seit Eröffnung besucht. Zum 20-jährigen Bestehen finden Vorträge und Veranstaltungen statt. Zudem wird am 8. Mai in Berlin des 80. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus mit einem Feiertag gedacht.
Text und Bilder: Julia Sie-Yong Fischer und Lisa Schwesig
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