Europawahl 2019 - Ein Kreuz für den Kontinent
Plastikmüll, Sommerzeit, Kohlenstoffdioxid: EU-Themen bewegen zunehmend auch die Menschen in Berlin und Brandenburg - fast fünf Millionen von ihnen wählen am 26. Mai das Europaparlament für die nächsten fünf Jahre. Die wichtigsten Infos zur Wahl im Überblick.
Das Ende der Roaming-Gebühren und der Sommerzeit, der Kampf gegen den Plastikmüll und Kohlenstoffdioxid, Agrarsubventionen sowie nicht zuletzt die Urheberrechtsreform: Entscheidungen, die im Europaparlament getroffen werden, kommen zunehmend auch bei den Bürgern an.
Vom 23. bis 26. Mai wählen mehr als 400 Millionen wahlberechtigte Menschen in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union 751 Abgeordnete, die ihre Interessen in Europa vertreten sollen. Deutschland zählt mit 96 die meisten Abgeordneten. Auch Großbritannien ist entgegen der ursprünglichen Planung noch einmal dabei. Nach einem Brexit werden die 73 britischen Abgeordneten ihre Sitze verlieren. Diese Mandate werden zum Teil auf andere Mitgliedsstaaten verteilt, sodass im Europaparlament dann 705 Volksvertreter sitzen werden.
Knapp ein Meter langer Stimmzettel
Berliner und Brandenburger haben deutlich mehr Auswahl als bei der Abstimmung vor fünf Jahren - und so viel wie noch nie. 40 Parteien und sonstige politische Vereinigungen kandidieren. Deshalb ist der Stimmzettel fast einen Meter lang, genau 94 Zentimeter. Neben den im Abgeordnetenhaus und Landtag vertretenen Parteien sind beispielsweise solche vertreten, die sich bestimmten Themen widmen - allein vier Parteien haben sich dem Tierschutz verschreiben, zwei neue Parteien sind Ableger von transnationalen Parteien und treten erstmals auch in Deutschland an (DiEM25, Volt).
Bei der vergangenen Europawahl hatte es lediglich 24 Parteien zur Auswahl gegeben. 14 davon schafften den Einzug ins Parlament; neben den im deutschen Bundestag vertretenen Parteien auch die Familien- und die Tierschutzpartei, die Freien Wähler, die ökologisch-demokratische ÖDP, die rechtsextreme NPD, die Piraten und Die Partei - alle sieben mit jeweils einem Vertreter.
Anders als bei der Bundestagswahl gilt bei der Europawahl seit 2014 keine Prozent-Hürde mehr. Das Bundesverfassungsgericht hatte die in Deutschland geltende Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl gekippt. Für den Einzug ins Parlament genügte den Spitzenkandidaten der Kleinparteien vor fünf Jahren bereits ein Stimmenanteil von 0,63 Prozent. Spätestens bei der Europawahl 2024 dürften die kleineren Parteien es aber wieder schwerer haben. Im Februar beschlossen die EU-Staaten eine Änderung des EU-Direktwahlaktes. Eine verpflichtende Sperrklausel soll zumindest für größere EU-Staaten wieder eingeführt werden. Sie soll zwischen zwei und fünf Prozent liegen.
AfD: Von den Euro-Kritikern blieb nur einer übrig
Bei der diesjährigen Europawahl ist die Alternative für Deutschland (AfD) zum zweiten Mal dabei. Trat die AfD vor fünf Jahren noch mit einer kritischen Haltung zu Euro und Währungspolitik an, sind die Kernthemen längst andere. Und von den sieben 2014 gewählten deutschen Abgeordneten gehört keiner mehr der AfD-Fraktion im Europaparlament an: sechs von ihnen traten aus der Partei aus, die Berliner Abgeordnete Beatrix von Storch errang 2017 ein Mandat für den deutschen Bundestag. Nur der für sie nachgerückte, jetzige Spitzenkandidat, Jörg Meuthen sitzt aktuell noch für die AfD im Straßburger Parlament.
Dort will die Partei nach der Europawahl mit der italienischen Lega und anderen rechtspopulistischen Parteien eine eigene Fraktion gründen. Während der damalige Spitzenkandidat Bernd Lucke mittlerweile mit den Liberal-Konservativen Reformern zur Wahl steht, wird Marcus Pretzell mit den Blauen nicht antreten.
4,6 Mio. Berliner und Brandenburger wahlberechtigt
Etwa 4,6 Millionen Wähler in Berlin und Brandenburg sind aufgerufen, ihre Vertreter in Straßburg und Brüssel zu wählen – in Berlin sind es rund 2,51 Millionen Bürgerinnen und Bürger, in Brandenburg rund 2,05 Millionen - jeweils einige Tausend weniger als vor fünf Jahren.
Teilnehmen dürfen Deutsche ab 18 Jahren, aber auch alle EU-Bürger, die in der Region leben, allein in Berlin wären das mehr als 250.000 Menschen, in Brandenburg wohl bis zu 40.000. EU-Bürger mussten jedoch einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeichnis ihrer Wohnsitzgemeinde stellen, wenn sie in Deutschland - und somit nicht in ihrem Heimatland - wählen wollen. Stichtag war der 5. Mai, bis dahin haben das lediglich sieben Prozent der Betroffenen getan. Briten wussten bis dahin noch nicht einmal, ob sie überhaupt noch an der Europawahl teilnehmen - nur 838 von 15.500 wahlberechtigten Briten in Berlin haben sich ins Wählerverzeichnis eingetragen.
Auch Deutsche, die in einem anderen EU-Staat wohnen, können selbst entscheiden, ob sie die Europaabgeordneten ihres Gastlandes mitwählen wollen oder die deutschen Vertreter im Europaparlament. Erstmals dürfen auch einige Hundert psychisch oder geistig beeinträchtigte Menschen wählen, die einen gerichtlich bestellten Betreuer haben.
Traditionell geringe Wahlbeteiligung
Das Interesse an der Europawahl ist in ganz Europa traditionell gering, im Schnitt gaben 2014 rund 42,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab (2009: 43,0 Prozent). Zählten Berlin und Brandenburg vor zehn Jahren noch zu den Europawahl-Muffeln mit gerade einmal 35,1 respektive 29,9 Prozent Wahlbeteiligung, steigerte sich die Region gemeinschaftlich auf 46,7 Prozent - wobei in Berlin parallel der Volksentscheid zur Bebauung des Tempelhofer Felds und in Brandenburg wie in diesem Jahr auch Kommunalwahlen stattfanden, die sicher zur höheren Wahlbeteiligung beigetragen haben.
Beliebt ist laut Landeswahlleitung die Briefwahl (Berlin | Brandenburg). Die Unterlagen können bis zum Freitag, 24. Mai (18.00 Uhr) online, postalisch oder persönlich in der Briefwahlstelle beantragt werden. Die ausgefüllten Briefwahlunterlagen müssen bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntag, 26. Mai (18.00 Uhr) beim zuständigen Bezirkswahlamt eingegangen sein. In Berlin nutzten fast 400.000 Menschen so bereits ihr Wahlrecht.
120 Berliner Kandidaten
Elf Berliner und Berlinerinnen zogen vor fünf Jahren ins Europaparlament ein. In diesem Jahr bewerben sich insgesamt 120 Kandidaten mit Wohnsitz in der Hauptstadt, 65 von ihnen stehen auf den aussichtsreichen ersten zehn Listenplätzen auf dem Stimmzettel für das Europäische Parlament, etwa ein Dutzend dürfte den Einzug schaffen.
Die Christdemokraten haben als einzige eine Liste für das Land Berlin aufgestellt. Alle anderen Parteien nominierten eine gemeinsame Liste für alle Länder.
Nach dem Stimmenanteil gewann bei der letzten Europawahl 2014 in Berlin die seinerzeit wiedererstarkte SPD (24,0 Prozent) vor der CDU (20,0 Prozent), die zuvor zwei Mal vorne lag. Die Grünen fielen nach einem Rekordergebnis 2009 wieder unter die 20-Prozent-Marke (19,1). Die Linke verbesserte ihr Ergebnis auf 16,2 Prozent. Die AfD kam auf Anhieb auf 7,9 Prozent, die FDP verlor deutlich und erreichte nur 2,8 Prozent, weniger als die Piraten (3,2 Prozent).
Brandenburg stellt wenigste Kandidaten
Nur 19 der insgesamt 1.293 deutschen Bewerber und Bewerberinnen für das Europäische Parlament kommen aus Brandenburg, so wenige wie aus keinem anderen Bundesland, auf dem Stimmzettel stehen 15 von ihnen. Bei der letzten Wahl hatten es vier Brandenburger ins Europaparlament geschafft.
Gewinnerin nach dem Anteil der Stimmen war 2014 ebenfalls wie in Berlin die SPD mit 26,9 Prozent, die die Linke überholte, die deutlich verlor (19,7 Prozent). Die CDU kam auf 25,0 Prozent der Stimmen. Dahinter landete bereits die AfD mit 8,5 Prozent vor den Grünen, die auf 6,1 Prozent fielen, die FDP landete nur bei 2,1 Prozent, also noch hinter der NPD (2,6) - und gleichauf mit der Familien-Partei und nur knapp vor der Tierschutzpartei und de Piraten.