Ende der Kenia-Koalition - Wie Dietmar Woidke sich verzockte

Fr 22.11.24 | 19:17 Uhr | Von Hanno Christ
22.11.2024, Berlin: Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, sitzt während der 1049. Plenarsitzung des Bundesrates vor einem leeren Platz. (Quelle: Sebastian Gollnow)
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Kurz vor ihrem regulären Ende setzt die Abstimmung über die Krankenhausreform die Implosion der einstigen Kenia-Regierung in Gang. Die Entlassung von Ursula Nonnemacher wirkt stil- und instinktlos, offenbart aber Woidkes neue Marschrichtung. Von Hanno Christ

Am Ende sei es ihnen um die Interessen Brandenburgs gegangen. Dietmar Woidke (SPD) sagt das. Ursula Nonnemacher (Bü'90/Grüne) auch. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Sicher ist, dass das schon lange als angespannt geltende Verhältnis der Beiden nun zu einem tiefen Riss geführt hat. Nach fünf Jahren intensiver Zusammenarbeit gehen Woidke und Nonnemacher als geschiedene Leute aus der einstigen Kenia-Koalition. Und nicht nur die: Auch der bündnisgrüne Agrar- und Umweltminister Axel Vogel zog am Freitag Konsequenzen und kündigte seinen sofortigen Rückzug an. Die Bündnisgrünen in einer Brandenburger Landesregierung sind damit vorzeitig Geschichte.

Würdeloser Abgang für erfahrene Kabinettsmitglieder

Es ist ein Abgang mit einem lauten Knall – und ein menschlich kühler noch dazu, wenn man den Schilderungen von Beobachtern im Bundesrat Glauben schenken darf. Noch in der Länderkammer hatte Woidke seiner Ministerin eilig die Entlassungsurkunde überreicht – knapp zweieinhalb Wochen, bevor er sich im Landtag ohnehin als Chef einer neuen Regierung wiederwählen lassen möchte.

Schon als Nonnemacher aus Berlin wieder in Potsdam eintraf, so wird berichtet, hätte sie keinen Zugang mehr zu Dienstmails gehabt. Auch eine Fahrt mit dem Dienstwagen sei nicht mehr möglich gewesen. Rechtlich sauber. Und doch ein harter Schnitt. Die neue Übergangsministerin war schon im Anmarsch: die Leiterin der Staatskanzlei, Kathrin Schneider (SPD).

Es ist ein würdeloser, stilloser Abgang für erfahrene Kabinettsmitglieder, mit denen man zwar oft genervt im Clinch gelegen hatte, die aber doch als fachlich versiert galten und fünf Jahre bis an den Rand der physischen Belastung gearbeitet hatten, z.B. in der Corona-Pandemie. Menschlich offenbarten die letzten gemeinsamen Stunden Abgründe in einer Koalition, die Woidke nach außen als meinungsstark, aber doch konstruktiv im Ergebnis verkaufte. Woidke war es, der immer wieder über die zerstrittene Ampel in Berlin zeterte. In Potsdam macht er es auf den letzten Metern seiner Regierung auch nicht besser.

Trotz Entlassung kommt die Reform doch durch den Bundesrat

Dem Eklat vorausgegangen war die Debatte über das Abstimmungsverhalten Brandenburgs im Bundesrat. Nonnemacher wollte lieber diese nachgebesserte Krankenhausreform jetzt, als die Anrufung eines Vermittlungsausschusses, der die Reform wahrscheinlich zunichtegemacht hätte. Sie hatte zwei Jahre lang um Verbesserungen gerungen und am Ende mehr Licht als Schatten gesehen, vor allem weil das Ende der Ampel-Regierung im Bund plötzlich unabsehbare Finanzierungsrisiken für die Krankenhäuser geschaffen hatte.

Woidke hingegen berief sich auf viele Stimmen aus den Kommunen und aus dem medizinischen Bereich in Brandenburg, die mehr Vorteile in einem neuen Anlauf gesehen hatten. Beide rückten nicht von ihren Positionen ab. Nonnemacher wollte im Bundesrat eine Rede halten, Woidke genau das noch verhindern. Am Ende reichten die Stimmen für die Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht und das Lauterbach-Gesetz kam durch.

Die Grünen wurden schon einmal übergangen

Woidke hatte seine Ministerin damit völlig umsonst entlassen und nicht nur sich, sondern das Image seiner alten Landesregierung beschädigt, auch wenn die nur noch geschäftsführend im Amt war. Gut möglich, dass erst die kurzfristige Entlassung seiner Ministerin unmittelbar vor der Sitzung andere Länder mit Beteiligung der Bündnisgrünen dazu brachte, umzuschwenken und sich zu enthalten. Woidke hatte damit das Gegenteil von dem erreicht, was er eigentlich beabsichtigt hatte.

Dabei war es nicht das erste Mal, dass sich Woidke im Bundesrat über seinen Regierungspartner hinwegsetzte und sich nicht um Vereinbarungen im Koalitionsvertrag scherte. Als im März das Cannabis-Gesetz im Bundesrat zur Abstimmung stand, überging Woidke das Votum der Grünen und stimmte gegen das Gesetz. Er hatte die Abwesenheit seiner Vize-Ministerpräsidentin Nonnemacher im Bundesrat eiskalt ausgenutzt.

Woidke ist das BSW nun wichtiger als alte Koalitionspartner

Woidkes Verhalten zeigt aber vor allem, dass er die alte Regierung schon abgestreift hat und bereits an das kommende Bündnis mit dem BSW denkt. Die Koalitionsverhandlungen sind fast am Ende, eine Einigung über die künftige Krankenhaus-Politik ist offenbar schon eingetütet. Im Sondierungspaper heißt es, die Krankenhausplanung ist und bleibe Sache des Landes. Man wolle alle Krankenhausstandorte erhalten.

Auch das BSW lehnt die Lauterbach-Reform ab. Bei der Abstimmung im Bundesrat saß indirekt also wohl schon das BSW mit am Tisch. Woidke war es wichtiger, Kommunen, Landkreisen und seinem neuen Bündnispartner Verlässlichkeit zu signalisieren als seinem alten - nun bedeutungslosen - Koalitionspartner von den Grünen, die in einer neuen Landesregierung nichts mehr zu melden haben.

Gleich welches Kalkül dahinter steckte: Die Kenia-Regierung scheidet mit tiefen Verletzungen. Sie hätte ein besseres Ende verdient.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 22.11.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

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