Streit um Krankenhausreform - Woidke entlässt Gesundheitsministerin Nonnemacher
Eklat im Bundesrat: Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke hat seine Gesundheitsministerin Nonnemacher entlassen. Hintergrund ist der Streit über die Abstimmung zur Krankenhausreform.
- Die Brandenburger Gesundheitsministerin Nonnemacher verliert ihren Job
- Woidke wollte bei der Abstimmung im Bundesrat über die Krankenhausreform die Anrufung des Vermittlungsausschusses erreichen, Nonnemacher wollte sich dabei enthalten
- Brandenburger Grüne kritisieren Entlassung als "Machtkalkül"
- Bundesrat hat Vorlage passieren lassen
Vor der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat über die umstrittene Krankenhausreform hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) entlassen. Das teilte die Staatskanzlei am Freitag mit.
Grund für die Entlassung war laut Woidke, dass er im Bundesrat eine Anrufung des Vermittlungsausschusses für die Krankenhausreform erreichen wollte und Nonnemacher diese Haltung seiner Regierung nicht mitgetragen habe.
Nonnemacher: "Tiefpunkt der politischen Kultur"
Nonnemacher hatte vor einem vorläufigen Aus der Krankenhausreform im Bundesrat gewarnt und angekündigt, sich bei der Abstimmung für Brandenburg zu enthalten. Damit wäre die Stimme des Bundeslands nicht gezählt worden.
"Ich kann als Ministerpräsident, auch für das öffentliche Bild des Landes Brandenburg, nicht zulassen, dass ein klares Votum, das wir auch im Land haben, eine klare Meinung, hier im Bundesrat konterkariert wird durch eine Ministerin, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben von mir beauftragt ist", sagte Woidke im Fernsehsender Phoenix.
Nonnemacher bezeichnete den Vorgang ihrer Entlassung als bundesweit einmalig. "Ich bedauere diesen Tiefpunkt der politischen Kultur", sagte Nonnemacher im Gesundheitsministerium in Potsdam. Die Ministern erklärte, sie habe ihre schriftliche Entlassung im Flur des Bundesrats erhalten. Dass Ministerpräsident Woidke sie entlassen habe, noch bevor sie ihre geplante Rede im Bundesrat halten konnte, sei auch für sie überraschend gekommen, sagte die Grüne.
Ländliche Regionen befürchten Klinikschließungen
Die Länderkammer hatte Freitag zu entscheiden, ob sie das noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz passieren lässt - oder ob sie es in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schickt und die Umsetzung vorerst stoppt. Am Ende passierte die Vorlage die Länderkammer.
Das Reformgesetz von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht vor, dass sich Kliniken stärker spezialisieren. Kleinere Standorte sollen weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen. Vor allem in ländlichen Regionen wurden deswegen Krankenhausschließungen befürchtet.
Woidke war für Vermittlungsausschuss
Nonnemacher hatte am Mittwoch bei einem Treffen mit Woidke und Innenminister Michael Stübgen (CDU) dafür geworben, das Gesetz in seiner jetzigen Form anzunehmen. Sie verwies dabei unter anderem auf im Bundestag erreichte Verbesserungen für 28 sogenannte Sicherstellungskrankenhäuser in Brandenburg. Diese sichern die Grundversorgung ab.
Regierungssprecher Engels betonte, die Krankenhauskonferenz in der Staatskanzlei habe gezeigt, dass die große Mehrheit der Praktiker und der Kommunen "klar und sehr fundiert" für die Anrufung des Vermittlungsausschusses in der Bundesratssitzung am Freitag plädiert habe. Diese Position vertrete auch Woidke.
Kritik von Grünen und CDU, gemischte Reaktion von AfD
Die Brandenburger Grünen kritisierten die Entscheidung Woidkes und nannten sie einen "neuen Tiefpunkt in der politischen Kultur des Landes Brandenburg". Die Entlassung sei nicht nur inhaltlich falsch, so eine Pressemitteilung der Partei. Sie sei auch "ein Affront gegen all jene, die sich eine verlässliche Gesundheitsversorgung in Brandenburg wünschen," teilte die Landesparteivorsitzender Alexandra Pichl mit.
Ministerpräsident Woidke wolle mit der Entlassung seine "Macht sichern" und sich "für eine künftige Koalition mit dem Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW)" anbiedern, hieß es weiter in der Mitteilung. Man werde weiter für die Brandenburger Krankenhäuser kämpfen.
CDU-Landeschef Jan Redmann schrieb auf X: "Auch wenn der VA richtig wäre: So geht man menschlich nicht miteinander um. Ursula #Nonnemacher am Ende ihres politischen Berufslebens so auf offener Bühne zu demütigen, ist unnötig und unwürdig. Die Positionen waren tagelang bekannt."
AfD-Fraktionschef Christoph Bernd erklärte laut einer Mitteilung, es sei richtig gewesen, dass Woidke die Gesundheitsministerin daran gehindert habe, die Krankenhausreform passieren zu lassen, kritisierte aber die Art der Entlassung. "Er hätte Nonnemacher schon gestern entlassen können, aber offensichtlich ging es um einen Show-Effekt im Wahlkampf", so Berndt.
Ministerin war seit 2019 im Amt
Nonnemacher war seit 2019 Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Zuvor war die studierte Medizinerin zehn Jahre lang Abgeordnete im Landtag.
Nach der Abwahl der Kenia-Koalition bei der Landtagswahl im September war Nonnemacher zuletzt nur noch geschäftsführend im Amt. Die SPD verhandelt derzeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) über eine neue Koalition in Brandenburg. Dabei haben sich beide Parteien bereits darauf geeinigt, alle Krankenhausstandorte in Brandenburg erhalten zu wollen.
Sendung: rbb24 , 22.11.2024, 13:00 Uhr
Korrektur: Anders als zunächst berichtet wollte Gesundheitsministerin Nonnemacher nicht gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen, sondern sich bei der Abstimmung enthalten.