Konzert | Benjamin Clementine in Berlin - Ein emotionaler Abend in Schwarz-Weiß

Fr 04.04.25 | 08:29 Uhr | Von Simon Brauer
Konzert von Benjamin Clementine in Berlin (Quelle: IMAGO/Carsten Thesing).
Audio: rbb24 Inforadio | 04.04.2025 | Simon Brauer | Bild: www.imago-images.de

Das nächste Album soll das letzte sein: Der britische Pianist und Sänger Benjamin Clementine will seine Musik-Karriere beenden. Sein vorerst letztes Berlin-Konzert am Donnerstagabend war, meint Simon Brauer, verstörend und zauberhaft zugleich.

Seine Lebensgeschichte klingt so aufwühlend wie seine Musik: Benjamin Clementine lebt mehrere Jahre als Obdachloser in Paris, überlebt dort als Straßenmusiker gerade so - bis er eines Tages von einer Plattenfirma entdeckt wird. Mit seinen dramatischen Klavierballaden überrascht und begeistert er schnell die Musikwelt und gewinnt im Jahr 2015 den renommierten britischen Mercury-Musikpreis. Nach zehn erfolgreichen Jahren soll nun Schluss sein: Noch ein Album und eine Tour, dann will sich der britische Pianist und Ausnahmesänger aus dem Musikgeschäft zurückziehen und seiner Filmkarriere widmen.

Von Abschiedsschmerz ist am Donnerstagabend im gut gefüllten Huxleys an der Hasenheide in Berlin-Neukölln nichts zu spüren. Stattdessen spielt Clementine - wieder einmal - ein verstörendes und gleichzeitig wunderschönes Konzert.

Schon das Bühnenbild sieht beeindruckend aus: Auf einem Podest stehen vier weiße Stehpulte, darauf kleine weiße Vasen, in denen weiße Federn stecken, denn die Tournee trägt den Titel: "Sir Introvert and the Featherweights" (dt.: Herr Introvertiert und die Federgewichte).

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Lärm und Erlösung

Hinter jedem der vier Pulte steht oder sitzt ein schwarz gekleideter Musiker - mit Cello, E-Drums, Gitarre und Synthesizer. Vorne am Bühnenrand: Benjamin Clementine, ebenfalls in schwarz, mit weißem Mikrofon am weißen Flügel. Gemeinsam spielen sie ein Set aus Stücken und Liedern, die so neu sind, dass Clementine den Text noch vom Blatt ablesen muss. Dafür sind etliche bekannte Songs wie "London" oder "Cornerstone" gar nicht zu hören.

Mal spielt die Band wie in Zeitlupe einen hypnotischen Hip-Hop-Beat, mal donnert es elektronische Dancebeats, während Clementine seine Stimme durch einen alten analogen Synthesizer jagt und so zum Knarzen und Knistern bringt. Eine echte Herausforderung für Ohren und Augen, denn zu den Lärm-Improvisationen flackert unaufhörlich das Stroboskop von der Decke. Dazwischen immer wieder eine kleine Erlösung: eine Ballade nur mit Klavier und Clementines Stimme. Die wechselt mühelos vom Tenor ins Falsett, immer anmutig und immer ein bisschen theatralisch.

Weniger trinken und Schnitzel essen

Das Publikum lässt sich gern aus dem emotionalen Gleichgewicht bringen, bejubelt die lauten und die leisen Töne - und die improvisierten Songzeilen, in denen Clementine davon singt, dass Berlin doch weniger trinken und weniger Schnitzel essen solle.

Höhepunkt des Konzerts: Das Finale, in dem Benjamin Clementine mit dem Publikum a Capella den Refrain seines Hits "Condolence" singt - und zwar auf deutsch: "Ich sende mein Beileid an die Angst, ich sende mein Beileid an die Unsicherheit". Das mag nacherzählt ein bisschen komisch klingen, aber selbst der von Berufswegen kritische Konzertkritiker hat lauthals und ergriffen mitgesungen.

Wieder einmal hat Benjamin Clementine alle verstört und verzaubert. Hoffentlich nicht zum letzten Mal.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.04.2025, 6 Uhr

Beitrag von Simon Brauer

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