Europawahl - Die Hauptstadt schaltet auf Grün

Mo 27.05.19 | 00:13 Uhr
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Meistgewählte Partein in Berlin (Quelle: Landeswahlleiter)
Video: rbb24 | 26.05.2019 | Dorit Knieling | Bild: Landeswahlleiter

Ein politisches Erdbeben in der Hauptstadt: Die Grünen haben bei der Europawahl die anderen großen Parteien deutlich abgehängt und acht Bezirke erobert. Die SPD ist nirgendwo mehr stärkste Kraft. Auch CDU und Linke verlieren viele Stimmen.

Die Grünen gehen als großer Gewinner aus der Europawahl in Berlin. Sie kommen nach Auszählung aller Stimmbezirke auf 27,8 Prozent - ein Zuwachs von 8,8 Prozentpunkten und die stärksten Zugewinne aller Parteien in der Hauptstadt.

Die CDU folgt auf dem zweiten Rang mit 15,2 Prozent, verliert aber deutlich an Zuspruch (-4,8 Prozentpunkte). Die Berliner Sozialdemokraten erleben ein Desaster: 14,0 Prozent für die SPD bedeuten ein deutliches Minus von 10,0 Prozentpunkten.

Es folgen Linke mit 11,9 (-4,3) und AfD mit 9,9 Prozent (+2,0). Die FDP legt ebenfalls um zwei Prozentpunkte zu (auf 4,7 Prozent), rangiert aber überraschend hinter der der Satirepartei Die Partei (4,8 Prozent).

Zudem stimmten knapp 30.000 Menschen für die Tierschutzpartei, was für 2,0 Prozent reichte.

Fast eine halbe Million Berliner Wahlberechtigte hatten bereits per Briefwahl abgestimmt, so viele wie nie zuvor. Briefwahl war besonders bei Anhängern von SPD, CDU und FDP beliebt, für die AfD und sonstige Parteien entschieden sich ein höherer Anteil an der Wahlurne.

Mit 60,6 Prozent der Stimmen lag die Wahlbeteiligung deutlich höher als 2014 (46,7 Prozent). Die höchste Wahlbeteiligung gab es Steglitz Zehlendorf (69 Prozent), am niedrigsten war sie in Marzahn-Hellersdorf (49,4 Prozent).

Aus der Europawahl 2014 war in Berlin noch die SPD mit 24 Prozent als Sieger hervorgegangen. Es folgten damals die CDU mit 20 Prozent, Grüne mit 19,1 Prozent und Linke mit 16,2 Prozent. Die AfD trat damals zum ersten Mal an und kam auf 7,9 Prozent, die FDP auf 2,8 Prozent.

So stimmten die Bezirke ab

In Berlin gab es gleich eine ganze Reihe durchaus ungewöhnlicher Wahlergebnisse, etwa im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Zwar wurden die Grünen wie erwartet stärkste Kraft. Mit 40,3 Prozent war das Ergebnis aber überraschend stark. Mit 8,9 Prozent der Stimmen wurde die Satirepartei Die Partei viertstärkste Kraft, vor CDU, AfD und FDP.

Die SPD wurde in keinem Bezirk stärkste Kraft. In Treptow-Köpenick reichten den Grünen - die insgesamt acht Bezirke gewannen - 20,1 Prozent um stärkste Kraft zu werden. Auch in Marzahn-Hellersdorf (Linke), Lichtenberg (Linke) und Spandau (CDU) genügten vergleichsweise niedrige Ergebnisse, um das beste Ergebnis zu erzielen.

Für die SPD ein "Alarmsignal"

Der Berliner Grünen-Vorsitzende Werner Graf hat das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl als fantastisch bezeichnet. "Das Wahlergebnis zeigt deutlich, dass die Menschen sich eine andere Politik wünschen, besonders beim Thema Klimaschutz", sagte er der Nachrichtenagentur DPA.

Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) wertet den SPD-Absturz bei der Europawahl als "Alarmsignal". "Natürlich kann man ein Ergebnis unter 20 Prozent nicht schönreden", erklärte er am Sonntag. "Ökologie und Soziales gehören zusammen. Diese Botschaft der Wählerinnen und Wähler müssen wir ernst nehmen." Gleichwohl sei die Wahl, auch durch die gute Wahlbeteiligung, eine für Europa gewesen. "Den Europakritikern wurde ein Stoppschild gesetzt."

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger nannte das Ergebnis der Union unbefriedigend. Kritisch äußerte sich Dregger zu den Grünen: "Den Grünen ist das Geschäft mit der Angst am besten gelungen. Sie haben die Angst vor dem Klimawandel in Zustimmung ummünzen können", erklärte er. "Diese Ängste haben gerade im Endspurt des Wahlkampfes die Ängste vor Terror und Kriminalität übertroffen."

Enttäuscht war Katina Schubert, Berliner Landesvorsitzende der Linken. "Natürlich bin ich nicht zufrieden, da hätte ich mir mehr gewünscht", sagte sie der DPA. Vielen Menschen habe offenbar die genaue "Zweckbestimmung" der Wahl zum Europaparlament gefehlt. Sie hätten wohl nicht gewusst, wofür sie die Linke wählen sollten.

Der Berliner AfD-Landes- und Fraktionschef Georg Pazderski hat sich erfreut gezeigt über das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl. "Nun ist die AfD in allen wichtigen Parlamenten stark vertreten und wird dort als einzige echte deutsche Oppositionspartei arbeiten und wirken", erklärte Pazdersk.

So hat Berlin gewählt

Sendung: Abendschau, 26.05.2019, 19.30 Uhr

61 Kommentare

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  1. 61.

    Die Grünen haben selber ihre Zweifel. Sie schreiben "Für die ökologische Modernisierung brauchen wir aber auch wirtschaftliche Dynamik – verfehlen wir doch sonst wichtige soziale und wirtschaftliche Ziele". Erklären Sie doch bitte wie sie die Jobs und Steuern aufgefangen wollen, wen die deutsche Autoindustrie nicht mehr existiert. Denken wir nur an die vielen versprochenen Jobs in der Solarbranche. bla, bla kam nur von ihnen.

  2. 60.

    Keine Angst wenn einmal kein Wind und es Dunkel ist, können wir ja Kerzen anmachen. Hoffe nur Kerzen werden nicht verboten wegen Feinstaub und so.

  3. 59.

    Die französischen Grünen haben bei der Europawahl 13,5% geholt und knapp 5%-Punkte dazugewonnen. Und auch Macron will den Ausbau von Ökostrom deutlich voranbringen und gleichzeitig alte AKWs und alle Kohlekraftwerke abschalten.

  4. 58.

    Das stimmt auch nicht, in den Niederlanden ist nur ein AKW am Netz, dessen Abschaltung für 2033 geplant ist, Italien besitzt überhaupt keine AKWs und auch in Großbritannien hat Atomstrom lediglich einen Anteil von 20%, deutlich weniger als die 33% Ökostrom in Deutschland. Und auch Frankreich plant die Abschaltung von AKWs (beispielsweise das AKW Fessenheim) bei gleichzeitigem Ausbau der Erneuerbaren. Und hierbei ist Deutschland oft Vorbild, weil der Ausbau sehr schnell vorangeschritten ist.

  5. 57.

    Es geht um meinen Beitrag um grün-ähnliche Strukturen in den anderen europäischen Ländern.

    In den meisten Ländern Europas sind Grüne eine unbedeutende Kraft.

    In dem Zusammenhang Italien zu nennen, hat schon was. Bei Wikipedia lese ich "Die Federazione dei Verdi ist eine seit 1990 bestehende grüne Partei in Italien. Seit 2009 ist die Partei in keinem nationalen oder europäischen Parlament mehr vertreten. "
    Und Frankreich als mustergültiges Land von Grünen? Frankreich baut kräftig seine Atomenergieproduktion aus.

  6. 56.

    Diese Länder versorgen sich aber mit gesichert mit Atomstrom, oder haben wie z.B. die Skandinavier einen deutlich geringeren Verbrauch und können mit ihrer geologisch günstigen Wasserkraft ihre Grundlast erzeugen.

    Gleichzeitig aus Atom- und Kohleenergie auszusteigen macht nur das hochindustrialisierte Deutschland...und das erzeugt im Ausland Kopfschütteln.

  7. 55.

    Was für ein Quatsch, Frankreich plant den Kohleausstieg für 2021, Italien für 2025, Großbritannien ebenfalls für 2025 und die Niederlande für 2030. Also besser informieren, bevor man Behauptungen aufstellt ;-)

  8. 54.

    Problematische Situation für Deutschland

    Deutschland ist mit sich allein im Boot, weithin isoliert.

    Für solche westdeutschen Grünen-Positionen gibt es in Frankreich, Italien, Belgien, Schweden, oder dem scheidenden Großbritannien, ob Polen, Tschechien oder Ungarn keine nennenswerten Mehrheiten.

  9. 53.

    Keine Frage, die grünlastige Ausprägung des hiesigen Politikbetriebes wird in Europa zu einem großen Problem.
    Denn es gibt kein Land in Europa, dass diesen verhängnisvollen neuen deutschen Sonderweg mitgeht,

  10. 52.

    Ich bleibe dabei, ihr "Wenn wir nur die Hälfte der Grünen Luftschlösser umsetzten würden, dann wäre Deutschland pleite. Was meinen Sie wie schnell die heutigen zu meinst jungen Grünen Wähler die Partei wechseln würden, wenn es diesen an ihr eignes Geld geht." ist einfach nur bla, bla, nämlich populistisches Geschwätz.

  11. 51.

    Starke grüne Stimme???

    Sie können mich mal gerne auf einen Frankfurter Kranz einladen, dann erkläre ich Ihnen anhand der Stückchen die grünen 9,1% im neuen EU-Parlament. Sogar in Schweden flaut der Greta Hype ab (minus 3,9%, nur viertsstärkste Fraktion)

  12. 50.

    Das EU-Parlament hat wichtige Kompetenzen, z.B. werden Milliarden an Agrar-Subventionen vergeben, die statt an Großbetriebe mit Massentierhaltung, Glyphosat und Reserve(!!)-Antibiotika auch an ökologisch wirtschaftende Betriebe gehen könnten. In Sachen Klimaschutz (CO2-Zertifikate-Handel in Europa, Abgasvorschriften für Diesel) ist das EU-Parlament fortschrittlicher als der Bundestag und da wird der Druck auf Deutschland zunehmen, die (europäischen) Klimaziele endlich umzusetzen. Und viele weitere Themen wie Freihandelsabkommen (TTIP) und die europäische Flüchtlingspolitik stehen auf der Agenda. Hier tut eine starke grüne Stimme gut!

  13. 49.

    Bla, bla ohne Substanz, trifft auf ihren Beitrag zu. Da Sie keinen Punkt von Berliner Retter auch nur im Ansatz aufgreifen konnten.

  14. 48.

    Ihr Kommentar trägt den Widerspruch in sich. Keine Verbote, aber es muss so gemacht werden wie Sie sich das vorstellen. Und notfalls mit Gewalt? Kompromisse sind das A und O im Leben. Wenn ich Begriffe wie Notstand höre, dann läuten die Alarmglocken, denn dann sind Notstandsgesetze nicht mehr weit.

  15. 47.

    So ist es. Und vermutlich bilden sich wirklich viele Deutsche ein, sie hätten die Moral und das Gewissen und die Weisheit gepachtet und dürfen und müssen nun mindestens Europa erklären, wie es richtig zu laufen hat. Die anderen Europäer lassen sich aber nicht gerne bevormunden.

  16. 46.

    Die Grünen sind noch immer die kleinste Partei im Bund und natürlich war die Europawahl wie in Vergangenheit eine ränderstärkende Prostestwahl, gerade weil das EU-Parlament ja nahezu lächerliche Wirkungsmöglichkeiten hat.
    Weiterhin ist die grüne Fraktion im EU Parlament verschwindend gering, was an dieser Stelle die deutsche Klimahysterie nicht auf den Rest Europas übertragen lässt. Oder wissen wir Deutschen mal wieder mehr als der Rest der Welt...

  17. 45.

    Das "Gehirn einschalten" wäre ratsam gewesen als sie diesen Kommentar getippt haben. Wer von "linksgrün" faselt benutzt die Sprache der Rechtspopulisten und -extremen. Ernst nehmen kann man ihr Geblubber eh nicht.

  18. 44.

    Bla, bla ohne Substanz, der sich nahtlos in die Hetze gegen fff einfügt. Unsere Jugend und jungen Erwachsenen sind politisch und über die Zusammenhänge in der Welt besser informiert als sie es wahr haben wollen.

  19. 43.

    Viele Menschen haben nicht Protest gewählt, sondern konsequenten Klimaschutz statt Kohle und Abgasschummelei, faires Wirtschaften statt Steuerdumping und TTIP sowie eine humane Flüchtlingspolitik statt ertrinken lassen im Mittelmeer oder Abschiebungen in Elendslager in Libyen oder auf den griechischen Inseln.

    Das sind konkrete Forderungen nach einer anderen Politik, die die GroKo hoffentlich zumindest zu einem Klimaschutzgesetz bewegt, dass diesen Namen auch verdient.

  20. 42.

    Die Grünen täuschen ihre Wähler schon seit Jahren, da kann die AfD noch was lernen. Richtig was Sie da schreiben:

    Die Grünen haben einfach davon profitiert, dass die Mehrheit Protest gewählt hat.
    Denn was bringen die Grünen auf die Reihe?
    - Kosovo Einsatz
    - Afghanistan Krieg
    - sinnlose Radwege, welche niemand richtig helfen, außer der Grünen PR
    - Straßenbaume in Berlin abholzen
    - innere Sicherheit aufkündigen

    Na mal sehen was noch kommtmehr...

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