Knackpunkte für Rot-Rot-Grün - Wunsch-Dreier mit Konfliktpotenzial
Es geht nur zu dritt: Berlin muss in Zukunft von drei Parteien regiert werden. Die SPD wird sich dafür wohl mit Linken und Grünen zusammentun, zumindest sieht der Regierende Bürgermeister Michael Müller hier die meisten Schnittmengen. Das stimmt zwar - krachen könnte es aber trotzdem.
Offiziell hat sich der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), eine Zweierkoalition für die nächste Landesregierung gewünscht. Da sich in Umfragen vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus schon früh zeigte, dass das knapp werden könnte, waren die Planspiele für Rot-Rot-Grün schon vor dem 18. September recht konkret.
Günstigen Wohnungraum wollen sie alle
Linken-Chef Klaus Lederer sagte schon vor Wochen, auf der "Überschriftenebene" gebe es viele Übereinstimmungen: Alle drei Parteien fordern zum Beispiel mehr bezahlbaren Wohnraum und wollen auf öffentlichen Wohnungsbau und die Förderung für Genossenschaften setzen.
Offen bleibt laut Lederer allerdings, wie die SPD Wohnungen für mittlere und untere Einkommensschichten bauen will. Der von den Berliner Sozialdemokraten angepeilte Quadratmeterpreis für Sozialwohnungen reichte dem Spitzenkandidat der Linken nicht: "1.600 Wohnungen für 6,50 Euro den Quadratmeter pro Jahr nützen nichts, wenn auf Hartz-IV angewiesene Berliner nur 5,71 Euro pro Quadratmeter zugestanden bekommen. Die können sich die Wohnung dann immer noch nicht leisten."
Auch die Grünen wollen günstige Wohnungen für Berliner mit wenig Geld schaffen. "Allerdings sind die Mieten in den letzten fünf Jahren unter Rot-Schwarz so stark gestiegen wie nie zuvor, und davor sind unter Rot-Rot so viele Wohnungen privatisiert worden wie nie zuvor", sagte Daniel Wesener, einer der vier Spitzenkandidaten der Berliner Grünen.
Linke und Grünen wollen insgesamt stärker regulierend eingreifen als die SPD, etwa bei Neubauten einen höheren Anteil günstigerer Wohnungen vorschreiben.
Drogenpolitik, Videoüberwachung und Verfassungsschutz
Die Berliner Verwaltung braucht dringend mehr Mitarbeiter, besonders die Bürgerämter in den Bezirken - da sprechen SPD, Linke und Grüne offiziell mit einer Stimme. Die SPD, die ein Jahrzehnt lang mit Personalabbau um Wählerstimmen geworben hat, setzte im Wahlkampf sogar auf eine "Einstellungsoffensive".
Der Grünen-Politiker Wesener sagte dazu vor der Wahl: "Auch wir wollen mehr Personal, aber das kann nicht alles sein". Man müsse auch anschauen, welche Aufgaben das Land, welche die Bezirke übernehmen sollten. An den Zuständigkeiten will die SPD bislang nichts ändern. Die Linken hingegen sprechen sich dafür aus, die Bezirke besonders zu stärken. Der Senat dürfe diesen nur Aufgaben zuweisen, wenn er auch die Kosten dafür übernehme, fordern sie.
Einig sind sie auch grundsätzlich in der Forderung nach mehr Polizisten. Wie die Polizei allerdings künftig arbeiten wird, etwa mit mehr Videoüberwachung, ist umstritten. Auch beim Verfassungsschutz und bei der Drogenpolitik ist man längst nicht einer Meinung.
A100 wird die Koalition nicht belasten
Etwas mehr als nur Details müssen die drei Parteien in Koalitionverhandlungen etwa beim Thema Verkehr diskutieren. Die SPD will zwar den Radverkehr ausbauen, setzt aber auch weiterhin aufs Auto und den Weiterbau der Stadtautobahn A100. Grüne und Linke wollen das umstrittene Bauprojekt stoppen. 2011 scheiterte eine mögliche rot-grüne Koalition sogar an dem Mammutprojekt.
An der A100 sollen Verhandlungen aber diesmal nicht scheitern, wurde vorher schon versichert. Der Grünen-Spitzenkandidat Wesener sieht im Weiterbau der A100 wenig Konfliktstoff bei möglichen Koalitionsverhandlungen. "Das wird eh auf Bundes- und nicht auf Landesebene entschieden", sagte er. Inzwischen sind auch etliche SPD-Genossen nicht mehr vom Weiterbau überzeugt.
Die Sache mit dem Schuldenberg
Die eigentliche Herausforderung bei möglichen Koalitionsverhandlungen mit den Berliner Sozialdemokraten sei eine ganz andere, sagt Wesener. "Der SPD muss klar sein, dass es so wie in den letzten Jahren nicht weitergehen kann. Wir brauchen einen Neuanfang". Das sahen die Linken im Wahlkampf ähnlich. Nach fünf Jahren Stillstand unter Rot-Schwarz komme es darauf an, gemeinsam die Probleme der Stadt zu lösen, hieß es dort.
Bei den Finanzen dürften die drei Parteien mit Sicherheit aneinander geraten: Während die SPD den Schuldenberg von 59 Milliarden Euro abbauen und gleichzeitig investieren will, setzen Grüne und Linke ganz und gar auf Investition. Die Linke will sogar an der Schuldenbremse vorbei neue Schulden aufnehmen.
Bei Schulen und Flüchtlingen herrscht Einigkeit
Friedlich dürfte es dagegen bei den Themen Flüchtlinge und Bildung zugehen. Die Willkommenskultur haben sich alle drei auf die Fahnen geschrieben. Eine neue Einwanderungsbehörde ist ohnehin in Planung. Sie soll sich auch um die Integration der Asylsuchenden kümmern. Einzig beim Thema Abschiebung gibt es Differenzen. Linke und Grüne wollen, dass im Winter kein Flüchtling abgeschoben werden darf.
Die Sanierung von maroden Schulgebäude wird steht bei allen ganz oben auf der To-Do-Liste. Die Parteien haben dafür auch ähnliche Konzepte. Unter Rot-Rot-Grün dürfte es wohl mehr Gemeinschaftsschulen geben. Das wollen alle. Grünen und Linke wollen zudem den Gymnasien, die Daumenschrauben anlegen. Sie sollen keine Schüler mehr abweisen dürfen.
Mit Informationen von Nina Amin, landespolitische Redaktion des rbb