Rapper und Hertha-Fan Harris - "Umso bunter das Publikum wird, umso weniger Chance haben rassistische Stimmen"

Der einstige Partyrapper Harris blickt zurück auf eine turbulente Spielzeit. Im Interview spricht der Präsident eines Hertha-Fanklubs zudem über Rassismus im Stadion, die neue Hiphop-Welle im Klub und warum er kein Bier mehr trinkt.
rbb|24: Harris, wie haben Sie die Saison von Hertha BSC erlebt?
Harris: Ich hätte mir den Direktaufstieg gewünscht und bin auch davon ausgegangen, dass man das packen kann. Aber schon die erste Saisonhälfte hat gezeigt, dass das ganz schwierig wird. Ich bin trotzdem zufrieden. Es ist okay, wenn sich die Mannschaft nach dem x-ten Umbruch erst mal finden muss. Aber wir sollten nicht so lange da unten rumgammeln, wie einige andere Vereine, die im Prinzip erstklassig spielen müssten.
Was stimmt Sie optimistisch, dass es bei Hertha anders laufen wird?
Bei uns geht es momentan darum, nach den vielen turbulenten Jahren einfach eine Beständigkeit hinzubekommen. Mit dem Einschlagen des Berliner Wegs und zum Beispiel der Verlängerung von Fabian Reeses Vertrag, wird ein enorm positives Signal gesendet. An die Mitspieler, die Fans und den Verein. Das ist ein gutes Zeichen, ein gutes Bekenntnis. Und so wie die Mannschaft sich eingespielt hat in den letzten Partien, lässt das auf die nächste Saison hoffen. Ich war zuletzt gegen Hannover 96 im Stadion (1:1, Anm. d. Red.) und das sah schon cool aus. Da hat man zwar in der Nachspielzeit noch diesen unglücklichen Ausgleich bekommen, aber jeder, der wirklich ein Hertha-Fan ist, weiß um die Achterbahnfahrt der Gefühle, die man durchleben muss. Das gehört bei uns dazu.
Ein Wendepunkt war der plötzliche Tod des Klubpräsidenten Kay Bernstein.
Das ist ein unheimlich großer Verlust für Hertha. Ich kannte Kay leider nicht persönlich, fand aber, was er in seiner kurzen Amtszeit alles angestoßen und bewegt hat, einfach beeindruckend. Man hat gemerkt, dass Kay ein Mensch mit Haltung ist, der Hertha wirklich lebt und der den Verein in vielen Belangen sehr positiv neu ausgerichtet hat. Ich hoffe, dass der zukünftige Präsident Kays ausgerufenen Berliner Weg treu bleibt.
Sie sind Präsident des Fanklubs "United Colors of Hertha". Was macht den besonders?
Der steht für Toleranz. Das ist schon mal das Erste. Egal, welche Religion, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung du hast, bei uns bist du willkommen. Die Mitglieder unseres Fanklubs sind ein Potpourri aus bunten Menschen. Dabei sind Musiker, Autoren und teils Kunst- und Kulturschaffende. Wir sind quasi ein Spiegelbild unserer bunten Stadt.
Den Fanklub gründeten Sie im Jahr 2010 auch als Reaktion auf rassistische Anfeindungen gegen Sie während eines Auftritts bei einem Champions-League-Spiel einige Jahre zuvor. Wie hat sich das Thema Rassismus im Fußball seither entwickelt?
Im Stadion erlebt man leider noch immer Ausgrenzung und rassistische Untertöne. Selbst aktiven Fußballerspielern werden nach wie vor Beleidigungen zugerufen. Rassismus ist in den Stadien immer noch vorhanden. Gerade erst musste in Italien ein Spiel unterbrochen werden (im Januar beleidigten Fans von Udinese Calcio den Torhüter Mike Maignan vom AC Mailand während einer Partie mit Affenlauten, Anm. d. Red.).
Was bekommen Sie selbst mit?
Wenn man im Stadion sitzt, hört man immer wieder rassistische Einwürfe: "Der Soundso, Punkt, Punkt, Punkt." Je nachdem, was für eine Nationalität der Spieler hat. Meistens sind es feige Menschen, die aus der Anonymität heraus agieren. Wenn man sich umdreht, will es keiner gewesen sein. Auch im Olympiastadion ist das noch immer allgegenwärtig. Das ist einfach Fakt. Zuletzt war da einer, der sich immer wieder komisch geäußert hat über einen dunkelhäutigen Spieler bei uns.
Wie haben Sie reagiert?
Ich bin aufgestanden und habe einfach nur streng in seine Richtung geguckt, weil es mir einfach gereicht hat. Wenn man die Personen konfrontiert, sind die ja in der Regel kleinlaut. Manche sagen dann: "Ja komm, der kennt das nicht anders, der gehört zur älteren Generation." Das lasse ich aber nicht gelten. Diese rassistische Kackscheiße muss halt einfach aufhören.
In Deutschland erhalten politische Positionen, die von Diskriminierung und Ressentiments geprägt sind, mittlerweile eine breitere Unterstützung. Welche Rolle sollte der Fußball übernehmen?
Die Klubs stehen mit ihren bunten Mannschaften vom Kinderbereich und der Jugend bis zu den Erwachsenen eigentlich für etwas ganz anderes. Das Komische ist dann, wenn man sagt, Fußball habe nichts mit Politik zu tun. Man sollte, glaube ich, als Fußballverein auf jeden Fall ein Riesenzeichen machen. Und umso größer der Fußballverein ist, umso größer sollte sein Engagement gegenüber diesen Positionen und Einstellungen sein.
Sie haben Ihre Leidenschaft für Hertha in der Vergangenheit immer wieder in Ihren Hiphop-Songs thematisiert, haben sogar Hertha-Hymnen getextet. Mittlerweile präsentiert sich eine jüngere Generation von Rappern wie Ski Aggu und Soho Bani auf Konzerten mit Hertha-Trikots oder zeigt auf Social Media die Liebe zum Klub. Wie nehmen Sie das wahr?
Ich treffe die Rapper manchmal im Stadion, coole Jungs. Hertha lädt mich auch immer wieder zu offiziellen Veranstaltungen, wie zum Beispiel zu Veröffentlichungen von Sondertrikots ein. Letztens traf ich Kasimir in der Loge dabei. Als Herthaner sind wir connected. Im Social-Media-Bereich bekomme ich nicht so viel mit, aber ich weiß, dass viele Berliner Rapper und Musiker Hertha-Fans sind. Peter Fox zum Beispiel auch.
Im Marketingbereich wirkt es allerdings relativ neu, dass der Verein ganz betont auf den Hiphop setzt.
Hertha weiß, dass diese Musik cool ist. Der Klub hat auch schon sehr uncoole Sachen gemacht. Zum Beispiel den Werbespruch "In Berlin kannst du alles sein. Auch Herthaner". Das hing überall. Ich dachte: Willst du mich verarschen, Alter? Was war denn das für eine Promo-Aktion für einen Hauptstadtklub? Natürlich, dann kannst du ja auch TeBe-Fan sein. Es gab immer Sachen, die fragwürdig und uncool waren. Dann ist es natürlich besser, mit Rappern zu werben. Und ich finde, das ist sehr gut, dass man das macht.
Warum?
Ich weiß noch, vor ein paar Jahren habe ich vor einem Kreuzberger Späti ein neues Hertha-Trikot vorgestellt, gemeinsam mit Zecke (Andreas Neuendorf, Anm. d. Red.) und Luciano. Dadurch wurde auch die Diversität von Hertha-Fans und Berlin gezeigt, und was der Verein eigentlich zu bieten hat. Genau wie bei unserem Fanclub "United Colors of Hertha". Ich glaube, umso bunter das Publikum wird, umso weniger Chance haben die rassistischen Stimmen.
Es heißt, Sie sollen kein Bier mehr trinken.
Ich trinke keinen Alkohol mehr, also gar keinen. Es war zu viel. Ich bin Obelix. Ich habe einfach viel zu viel in den ganzen Jahren getrunken. Ich habe keine Lust mehr darauf.
Und wie geht es Ihnen im Stadion, wenn sich alle um Sie herum zuprosten?
Dann gibt es alkoholfreies Bier. Anfangs war das natürlich eine Umstellung. Auf jeden Fall. Gerade weil ich auch gleichzeitig meinen Fleischkonsum reduziert habe. Und wenn man jahrzehntelang ins Stadion geht und sich erstmal eine Wurst und eine Molle gönnt, dann fragst du dich natürlich: Okay, was machen wir jetzt? Die perfekte Antwort darauf habe ich noch nicht gefunden. Momentan gehe ich vor dem Spiel zum Süßigkeiten-Stand und besorge mir für einen Zehner Nervennahrung! (lacht) Danach gibt es ein alkoholfreies Bier oder einfach ein großes Wasser. Dann habe ich tatsächlich genauso viel Spaß und ich weiß am nächsten Tag noch viel mehr vom Spiel.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sport
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.05.2024, 18:15 Uhr
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