"Ende Gelände"-Aktionen zu Pfingsten - Viel Kritik nach Kohle-Protestwochenende in der Lausitz

Di 17.05.16 | 19:47 Uhr
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Mehrere tausend Klimaaktivisten stürmen am 14.05.2016 das Gelände des Kraftwerks "Schwarze Pumpe" (Quelle: imago/Christian Ditsch)
Video: Brandenburg aktuell | 17.05.2016 | Ludger Smolka | Bild: imago/Christian Ditsch

Nachdem am Wochenende tausende Aktivisten in der Lausitz den Tagebau Welzow-Süd und das Kraftwerk "Schwarze Pumpe" besetzten, hagelt es nun vor allem Kritik an den Aktionen. Betreiber Vattenfall spricht von einer "Spur der Verwüstung". Nicht nur dort sieht man eine "neue Qualität" der Proteste.

Wegen Blockaden und Ausschreitungen bei Protesten gegen die Braunkohle zu Pfingsten in der Lausitz liegen hunderte Anzeigen vor. Wie die Polizei in Cottbus am Dienstag mitteilte, werden gegen mehr als 130 Tatverdächtige Ermittlungen wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs geführt. Gegen 12 Menschen gibt es Anzeigen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, gegen 38 Leute Anzeigen wegen Sachbeschädigung an den Gleisen. Zudem laufen 163 Verfahren wegen Hausfriedensbruchs. Insgesamt seien Anzeigen gegen 213 Personen aufgenommen worden, unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.

Unter dem Motto "Ende Gelände" hatten tausende Umweltaktivisten seit Freitag gegen den Tagebau Welzow-Süd und die Kohleverstromung im Kraftwerk "Schwarze Pumpe" protestiert. Zwischenzeitlich waren Teile des Kraftwerks und der Förderanlagen besetzt und blockiert worden. Der Energiekonzern Vattenfall musste die Leistung des Kraftwerks am Sonntag drosseln. Seit Montag läuft das Werk wieder im Normalbetrieb.

Grenzen des Zivilen Ungehorsams

Große Teile der Brandenburger Politik lehnen die Erstürmung des Vattenfall-Kraftwerksgeländes "Schwarze Pumpe" ab. Zwar habe sich bei der Protestaktion am Pfingstwochenende "eine übergroße Mehrzahl der Demonstranten" an den Konsens gehalten, auf Gewalt zu verzichten, sagte etwa der energiepolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Thomas Domres. Doch seien die Ereignisse am Kraftwerk "Schwarze Pumpe" ein eindeutiger Verstoß gewesen. Ziviler Ungehorsam habe Grenzen, wenn Personen verletzt und Sachen zerstört werden.

Auch Grünen-Fraktionschef Axel Vogel bewertet die Aktion "Ende Gelände" ambivalent: Ohne die Stürmung des Kraftwerks wäre sie ein Erfolg gewesen, sagte er. Die Szenen, die sich dabei abgespielt hätten, "waren unnötig, überflüssig und widersprachen eindeutig dem Aktionskonsens".

Der innenpolitische Sprecher der AfD, Thomas Jung, verurteilte den gewaltsamen Protest ebenfalls: "Ein solches Verhalten schadet sowohl der Demokratie als auch dem Ansehen basisdemokratischer Initiativen, welche die AfD grundsätzlich unterstützt." Er wirft zudem den Grünen vor, sich nicht ausreichend von den "militanten Methoden der Protestbewegung zu distanzieren."

"Randale ist kein Konzept"

Die Bürgermeisterin von Spremberg, Christine Herntier (parteilos), verurteilte die Aktion scharf. "Einen schlimmeren Schaden für die Region kann man sich gar nicht vorstellen, als was diese Leute angerichtet haben."  Zudem vermisse sie Konzepte von "Ende Gelände" zur Gestaltung des Strukturwandels. "Randale ist kein Konzept." Sie torpediere den nötigen Strukturwandel. "Eines der wichtigsten Argumente für diese Region hier und für den Industriepark Schwarze Pumpe ist: Hier ist eine industriefreundliche Region." Die Bilder der Protestaktionen "konterkarieren das Bild, das wir versuchen, bei Investoren zu etablieren."

Wir haben überhaupt kein Verständnis für diese von den Kohle- und Systemgegnern begangenen massiven kriminellen Gewalttaten. Wer nach den Ereignissen an diesem Wochenende das Klima-Camp und Ende Gelände immer noch unterstützt, stellt sich bewusst an die Seite von Straftätern."

Vattenfall-Sprecher Thoralf Schirmer

Vattenfall: Schäden schwerer als angenommen

Vattenfall sprach am Dienstag von einer "Spur der Verwüstung". Gleise, Signalanlagen, Leittechnik und Beleuchtungsanlagen seien manipuliert, Feuerlöscher entleert worden. Dies sei in Teilen mit der Absicht geschehen, eine Zugentgleisung herbeizuführen. Dem Unternehmen nach war am Dienstagmorgen beim Rangieren eine Lok kurzzeitig entgleist. Europa-Vorstandsvorsitzender Harthmuth Zeiß sprach von "massiven kriminellen Gewalttaten", die Täter nähmen billigend die Gefährdung von Menschen in Kauf. Der Konzern sieht in den Protesten eine "neue Qualität".

Die Schäden seien schwerer als angenommen. Überall, wo Aktivisten auf Anlagen oder Geräten waren, seien Schäden zu verzeichnen, so der für die Lausitz zuständige Vattenfall-Sprecher, Thoralf Schirmer. Diese hätten jedoch soweit repariert werden können, dass der Tagebau Welzow-Süd den Betrieb am Montag wieder aufnehmen konnte. Eine Schadensbilanz sei noch nicht möglich, da noch nicht alle Schäden registriert seien.  

Breites Lob für Polizei

Die Deeskalationsstrategie der Polizei im Lausitzer Kohlerevier wurde parteiübergreifend gelobt, auch von Greenpeace. Das Vorgehen der Behörde war laut Innenministerium vor Beginn des Klimacamps mit allen Beteiligten, darunter Vattenfall, Staatsanwälten, Richtern und Gemeindevertretern abgestimmt worden. Während der Proteste habe der Fokus der Polizei auf Kommunikation und Deeskalation gelegen. "Es ging in einer schwierigen, manchmal auch unübersichtlichen Einsatzlage um Augenmaß und Verhältnismäßigkeit", sagte Innenstaatssekretärin Katrin Lange. Das Konzept sei weitestgehend aufgegangen, die überwiegende Zahl der Klimaaktivisten habe sich friedlich verhalten. Straftaten seien jedoch nicht akzeptabel, die Ermittlungen würden "mit aller Konsequenz" geführt.

Mehr als 1.500 Braunkohlegegner haben nach Schätzungen der Polizei am Freitag den Tagebau Welzow-Süd des Energiekonzerns Vattenfall besetzt. (Quelle: Ende Gelände)
Aktivisten blockierten Gleise | Bild: Ende Gelände

Anti-Braunkohle-Bewegung als "das neue Gorleben"

Die Organisatoren der Proteste werteten die Aktionen als "Riesenerfolg". Sie beziehen sich auf die Pariser Klimakonferenz: "Unsere Aktion mag nicht rechtlich ok sein, aber sie ist moralisch legitim", sagte Tadzio Müller von "Ende Gelände" in der rbb-Sendung "Brandenburg aktuell". "Dieses gesellschaftliche Interesse am Ausstieg aus der Kohlekraft wurde in Paris von der Weltgemeinschaft festgeschrieben, aber es hält sich jetzt niemand daran." Daher setzten sie nun ihre Körper ein, um diesen Ausstieg schneller zu erreichen.

Einen Anti-Kohle-Protest mit über 3.500 Teilnehmende habe es "so in Europa noch nicht gegeben", sagte Greenpeace-Klima- und Energieexperte Carsten Schmid. Die Bürgerbewegung Campact sieht "eine neue Qualität" erreicht, die Anti-Braunkohle-Bewegung sei "das neue Gorleben", sagte Campact-Sprecher Jörg Haas.

Zelte und Wohnwagen der Umweltaktivisten stehen am 16.05.2016 auf einer Wiese in Proschim (Spree-Neiße) (Quelle: Ende Gelände/Ruben Neugebauer)
Mehrere tausend Anti-Kohleaktivsten kamen in die Lausitz | Bild: Ende Gelände/Ruben Neugebauer

Die Umweltaktivisten sind indes am Dienstag größtenteils aus dem Lausitzer Braunkohlerevier abgereist. Am Dienstagmittag waren laut Polizeiangaben nur noch rund 30 Kohlegegner in Proschim (Spree-Neiße), um das Camp abzubauen. Nach Angaben des Lausitzer Klima- und Energiecamps, das bereits zum sechsten Mal stattfand, waren am Wochenende zwischen 3.500 und 4.000 Menschen aus Europa sowie Australien, Malaysia und Hawaii in das Camp eingezogen.

Vattenfall und Lausitz weiter im Fokus

Derweil planen die Aktivisten weitere Protestaktionen. Das hatte eine Sprecherin des Bündnisses "Ende Gelände" am Montag angekündigt. Die nächste große Aktion finde 2017 im Rheinland statt, aber man werde an Vattenfall und an der Lausitz dranbleiben.

Mit Informationen von Torsten Sydow

6 Kommentare

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  1. 6.

    .... zu hoffen wäre, dass die neuen Besitzer gleich Ihre Polizei zum Schutze ihres Eigentumes mitbringen, da geht's wenigstens anders zur Sache. CM

  2. 5.

    Wenn sich die Bürgermeisterin von Spremberg äußert, es wird Industriewachstum gestört, dann wohl zu spät. Viele Betriebe die hier in der Lausitz vor Jahren aufbauen wollte wurden verhindert. Dornier, Vestas, Dyckerhoff uvm. Hier wird in Zukunft nur Kohle gemacht. Nun kommt die Retourkutsche. Fragen Sie den Exbürgermeister Herrn Schulze. Wir haben damals alle nur geredet. Nun wird gehandelt. Wenn das Kind nicht hören will. Politiker kommen und gehen. Verantwortung sollte beim gehen mitgegeben werden (Sippenhaftung).

  3. 4.

    Ihr Kommentar ist an Ignoranz und Unwissenheit kaum zu überbieten. Hier in der Lausitz wird durch die Tagebaue eine oft momokulturell geprägte Landschaft durch die Tagebaue überbaggert,um danach wesentlich vielfältiger neu zu entstehen. Vielleicht sollten sie sich mal ein Bild vor Ort davon machen wie es vor und nach einem Tagebau aussieht. Noch etwas zum Thema Geld Vattenfall hat hier jahrelang hervorragend vedient, jetzt wo der Rubel nicht mehr so rollt wil der schwedische Staat dieses Geschäft so schnell als möglich loswerden. Bloß gut das sie vorher laut Gesetz gezwungen sind einiges an Rücklagen für die Rekultivierung zurück zu legen. freundliche Grüße aus der Lausitz

  4. 3.

    Du bist so armseelig mit deinen Gedanken, dass mann einfach schon wieder Mitleid mit dir haben möchte. Du kannst da wahrscheinlich auch sicher sein, dass Vattenfall den größten Teil der Schäden selber bezahlt. Aber den Rest wie Polizeieinsatz, den extrem vielen Müll der von diesen radikalen Horden hinterlassen wurde, wird der Steuerzahler übernehmen müssen, also wahrscheinlich auch du.

  5. 2.

    Wir haben uns ausführlich zu dem Thema in einer Pressekonferenz dazu geäußert. Unter anderem antworteten wir auf eine Frage von Herrn Sydow, dem Autor dieses Artikels. Doch während das ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesende "Neue Deutschland" ausführlich berichtet, existieren wir für den RBB nicht. Dieses "vergessen" unserer Positionen passiert nun bereits wiederholt in der Berichterstattung des RBB.
    https://www.neues-deutschland.de/artikel/1012107.kritik-an-kraftwerksbesetzern.html

  6. 1.

    Die Geschichte um den Lausitzer Tagebau ist ein Skandal. Das Anliegen der Demonstranten ist legitim, solange keine Gewaltakte passieren. Die Konzerne machen Kohle und uns bleibt eine verwüstete Landschaft und Umweltschäden. Das Vorgehen der Polizei finde ich vorbildlich. Vattenfall sollte die angeblichen durch die Demonstration verursachten Schäden aus eigener Tasche zahlen – immerhin haben sie die Menschen mit ihrer Politik zu dieser Demonstration getrieben.