Konzertkritik | Smashing Pumpkins in Berlin - Der Grantler hat heut' gute Laune

So 23.06.24 | 09:25 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Smashing Pumpkins in der Parkbühne der Berlin Wuhlheide
PIC ONE/Ben Kriemann
Audio: rbb24 Inforadio | 23.06.2024 | Hendrik Schröder | Bild: PIC ONE/Ben Kriemann

Smashing Pumpkins Sänger Billy Corgan gilt als schlecht gelaunter Eigenbrötler. Beim Konzert in der Berliner Wuhlheide am Samstag allerdings, war alles anders. Und das erstaunlich gut. Von Hendrik Schröder

Nur ganz kurz zur Vorband Interpol. Weil Interpol eigentlich zu groß und bekannt sind, um nur unter "Support" zu laufen. Gar nicht so wenige sind wahrscheinlich nur für die Indie-Rocker aus New York gekommen, die Mitte der 00er Jahre ein paar große Songs geschrieben haben.

Und man muss schon auch echt Fan sein, um diese eine Stunde Langeweile, Energielosigkeit und lustloses Runtergespiele der fünf Typen in schwarzen Anzügen und mit schwarzen Sonnenbrillen auf der Nase unbeschadet auszuhalten. Man hat fast Angst, dass die gleich einnicken.

Und selbst wenn das ihr bekannter Style ist und sie immer so arrogant und bocklos auftreten, müssen sich Interpol schon fragen, warum man es nicht schafft eine ausverkaufte 17.000er Arena voll mit Menschen, die richtig Bock haben auch nur ein kleines bisschen anzuturnen.

Ärgerlich. Also weiter zu den Smashing Pumpkins, denn die, so viel vorweg, waren richtig gut.

Könnte auch ein Sith Lord sein

Auch die Smashing Pumpkins haben zumindest seit ihrer Reunion 2006 sehr viel egale Musik geschrieben. Aber in den 1990ern eben noch mehr Hits, als man so eben aufzählen könnte. Kaum eine Band war damals prägender, wichtiger, origineller und Billy Corgans Stimme erkannte man nach einem Ton. Bis heute.

Eben dieser Billy Corgan ist Chef, Mastermind und, wenn man den Stories glauben kann, Banddiktator der Smashing Pumpkins und war lange letztes verbliebenes Gründungsmitglied. Ein kauziger, groß gewachsener Hüne mit glänzender Glatze.

In einer Art wallenden Lordgewand in schwarz-weiß kommt er auf die Bühne und sieht ein bisschen aus wie ein Sith-Bösewicht bei Star Wars. Steht ihm aber. Mit ihm kommt auch gleich die Band. Gitarrist James Iha und Drummer Jimmy Chamberlin sind, sehr zum Jubel der Fans, seit ein paar Jahren wieder von der Originalbesetzung. Dazu Jack Bates am Bass, eine zweite Sängerin und Kiki Wong an der Gitarre, die sich bei einer Ausschreibung der Band für eine neue Tourgitarristin unter sage und schreibe 10.000 Einreichungen durchgesetzt hatte und die ordentlich abrockt und souverän mit der Stammband verwächst.

Sänger Corgan jedenfalls mischt sich am Anfang erst mal irgendein Getränk, sagt nichts, guckt nicht, winkt nicht, spielt dann irgendwann ansatzlos los. Und man denkt schon, klar: Corgan, das ist ja ein Grantler, ein Unberechenbarer, oft Unfreundlicher mit so einigen Dämonen im Kopf, die sein Leben und das des Umfeldes nicht immer leichter machen.

Legendär, dass er an schlechten Tagen manchmal fast gar nicht mit dem Publikum redet. Aber an diesem Abend soll alles ganz anders kommen.

Alle Hits dabei

Denn der Grantler hat heute gute Laune. Jubelt mit den Fans, macht Ansagen, ein Mal sieht man ihn sogar kurz lächeln. Wirklich: Lächeln! Sagt bei dem elektrolastigen Stück "Ava Adore" knapp: "Sing it" vorm Refrain, dreht das Mikro aus dem Handgelenk mit einer kleinen zackigen Bewegung in die Menge und die singt. 17.000 Kehlen. Ausverkauft. Wahnsinn.

Und die Band klingt so gut. Befreit, heavy, schön laut, nicht wie auf Platte, aber trotzdem erkennt man die Songs schon ab Note 1. "Disarm", "Today", "1979", "Zero" - alle Hits sind dabei.

Weißt Du noch?

Bei den nicht-Hits und den neueren, zugegeben wenig interessanten oder relevanten Songs, gehen die Leute Bier holen, pinkeln oder quatschen. Denn die meisten sind nicht hier, um sich mit dem epischen Gesamtwerk der Band noch mal auf einer Live Ebene auseinanderzusetzen. Nein. Die sind gekommen, weil sie "Tonight, so bright, tonight, tonight" mitsingen wollen und sich dabei auf die Schultern hauen und sich anschauen und die einen Augen sagen: Weißt Du noch?

Und die Augen des Gegenübers sagen: Ja, ich weiß es auch noch. Als wir jung waren, wild waren, als alles möglich schien und wir von Musik nicht genug bekommen konnten. In den 90ern.

Unter 40 sind nur ein paar hundert eher neue Fans ganz vorne im Pit. Aber wenn schon Nostalgie, dann so souverän, freudvoll und fresh wie von den Smashing Pumpkins und Billy Corgan an diesem Abend. Keine 2 Stunden dauert die Show. Reicht. Ganz stark.

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.06.2024, 08:10 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

3 Kommentare

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  1. 3.

    Genauso war es!
    Ich liebe Intepol aber sie haben mich dieses Mal nur halb abgeholt.
    Dafür waren die SP grandios!
    Sehr gute Setlist & Sound, schöne flächige Gitarrensounds - ja, viel besser als auf Platte!
    Und auch ich habe ein paar Mal die Augen geschlossen und mich in den Club von damals zurück gedacht und gelächelt.
    SM waren pünktlich, professionell und hatten Bock - runde Sache, geiler Abend :-)

  2. 2.

    Lieber Hendrik Schröder, Konzertkritiken sind sicher immer Geschmacksache. Aber es geht in jedem Fall differenzierter als das oben stehende Werk. Ich war einer von den Interpol-Fans und keineswegs enttäuscht oder gar gelangweilt. Und als Interpol begonnen haben, waren allenfalls die Hälfte der 17.000 Zuschauer in der Wuhlheide. Alle zum Jubeln zu bringen damit unmöglich.
    Und den nahezu vollkommenen Lobgesang auf die Smashing Pumpkins kann ich ebenfalls nicht teilen, auch wenn die Stimmung bei den Hits ohne Zweifel gut war.
    Eine aus meiner Sicht ausgewogene Kritik zumindest zur Hauptband findet sich im Rolling Stone (zu Interpol wird da nix gesagt).
    Viele Grüße von einem nach dem gestrigen Konzert sehr beseelten Interpol-Fan, für den der Smashing-Pumpkins-Anteil auch okay war und es alles in allem ein sehr gelungener Abend war.

  3. 1.

    Interpol lustlos? Wir waren wohl auf verschiedenen Konzerten.

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